"Kampf" der Vorleser in Hallstadt
Autor: Sarah Seewald
Hallstadt, Donnerstag, 12. Februar 2015
In Deutschland wetteifern über 600.000 Sechstklässler um den Titel "Bester Vorleser". Im Landkreis Bamberg traten am Mittwoch die Bücherwürmer gegeneinander an. Der Gewinner nimmt es jetzt mit anderen Oberfranken auf sich.
Vanessa Stretz' Mama streicht ihrer Tochter noch ein bisschen über den Rücken. Gleich, nach Cedric Sperl aus Stegaurach, ist die Oberhaiderin an der Reihe. Insgesamt elf Schulen aus dem Landkreis traten mit ihrem Schulsieger beim 56. Vorlesewettbewerb des Deutschen Buchhandels am Mittwochmittag in Hallstadt gegen einander an. Und, es war ein "starker Kampf", das erkannte Elias Safwat aus Zapfendorf gleich nach der ersten Leserunde. Elf Sechstklässler durften erst einen freigewählten Text lesen - wohl schon oft und gut geprobt -, und mussten sich in der zweiten Runde einem Abschnitt aus einem Buch widmen, das die Jury ausgewählt hatte.
Keine Noten aber Punkte
Ob Lehrer oder Stadtbibliothekarin, am Ende waren sich Sabine Strelov, (Kreisjugendring), Claudia Helmreich (Leiterin der Stadtbücherei Hallstadt), Clemens Spindler (Schulrat), Günter Knorr (Schulamtsdirektor i. R.) und Klaus Knausdorf (Lehrer) einig: Marco Welz aus Rattelsdorf soll beim nächsten Entscheid auf Oberfranken Ebene den Landkreis vertreten.
Es gab zwar keine Noten wie in der Schule, aber so ähnlich: Bis zu fünf Punkte konnten die Vorleser abstauben, wenn es unter anderem um Aussprache, Lesetempo oder Betonung ging. Aber: Die Jury behielt ihre Wertungen für sich, am Ende zählte der Gesamteindruck.
Was auf den ersten Blick wie ein reiner Wettkampf ums Schönlesen aussah, entpuppte sich als eine der wohl ersten Herausforderungen im (Schul)Alltag: sich vor einer größeren Gruppe möglichst souverän zu präsentieren. Gerade im Vergleich von dem jeweiligen Wahl- und sogenannten Fremdtext erkannte man auch, wieviel Eltern und Lehrer, ihren Kindern noch bei- und nahe bringen können.
Jeder Schüler musste das Buch, das er selbst mitgebracht hatte, in wenigen Sätzen vorstellen. Damit jeder Zuhörer in der Bücherei ein bisschen wusste, wie der vorgelesene Abschnitt einzuordnen war.
Spickzettel und Blickkontakt
Die einen hatten sich einen kleinen Spickzettel auf den Buchrücken geklebt, andere holten tief Luft und erzählten ganz frei und mit Blickkontakt zur Jury, welche Figuren in welchem Roman welche Rolle spielen. Die einen sprachen ganz präzise und exakt, betonten so viel es ging, andere bauten Stolperer nur als Stilmittel ein.
Die Mamas - und auch viele Väter - hatten ihre Kinder zwar noch nach Hallstadt begleitet, die Sechstklässler stellten aber klar: "Mit elf Jahren habe ich ja wohl das Recht auf ein eigenes Privatleben." Diese Zeilen las eines der Mädchen aus ihrem Buch vor. Von Zauberei, I-Phones und ersten Beziehungsanbandlungen, die Texte verrieten den Erwachsenen auch ein bisschen, was die jungen Menschen gerade so beschäftigt. Und: Es war auch ein Klassiker dabei. Das erste Gedicht, das bei einem Bamberger Vorlesewettbewerb vorgetragen wurde - von Erich Kästner.
Was "Lesen" alles kann
Obwohl der Vorlesetisch und die Zuschauerplätze in der Kinderecke der Bücherei aufgebaut waren, im Hintergrund Gute-Nacht-Geschichten und ein Regenbogenplakat zu sehen waren, die Sechstklässler präsentierten sich als kleine "Wortakrobaten" und "Buchartisten" - so wie es auch auf dem offiziellen Vorleseplakat steht.
Mathias Polz hatte für die Sparkasse nicht nur Bücher-Gutscheine dabei, sondern auch eine Kindheitserinnerung: "Meine Mama hat immer gesagt: ,Lese, das bildet.' Meine Lehrer haben immer gesagt: ,Lese, das regt deine Fantasie an und bildet deine Sprache. Ich habe gelesen, weil es Spaß gemacht hat."
Zwischen all der Aufregung hatten wohl alle elf Schulsieger Freude, gegeneinander anzutreten. Vier wurden besonders geehrt: Gabriela Schefftschik bekam einen Sonderpreis. Elias Safwat schaffte es auf den dritten Platz. Selina Schneider freute sich über den zweiten Büchergutschein. Marco Welz überzeugte die Jury letztlich am meisten - und bewies allen Zuhörern, wie wunderbar englisch-fränkisch der Name des wohl bekanntesten Zauberlehrlings - Harry Potter - ausgesprochen werden kann.