Druckartikel: Kampf den Klinik-Keimen

Kampf den Klinik-Keimen


Autor: Anna Lienhardt

Bamberg, Sonntag, 15. Februar 2015

Sie sind winzig, zahlreich und ein Problem, mit dem jedes Krankenhaus fertig werden muss: sogenannte multiresistente Keime. Gefährlich werden sie vor allem dann, wenn das Immunsystem eines Menschen bereits geschwächt ist.
Mikrobiologe Hartmut Erichsen desinfiziert sich die Hände.  Foto: Ronald Rinklef


Im Bamberger Klinikum stehen die Packungen ganz hinten im Arzneischrank. Es sind die, die erst verwendet werden, wenn nichts anderes mehr hilft. Ihr Name: Reserve-Antibiotika. Ihr Zweck: multiresistente Keime abtöten, also jene, gegen die andere Antibiotika schon nicht mehr helfen.

"Es gibt kein Krankenhaus, in dem diese Erreger nicht vorkommen", stellt Mikrobiologe Hartmut Erichsen klar. Er ist Oberarzt im Institut für Labormedizin und Klinikhygiene am Bamberger Klinikum. Der Mediziner steht im Labor und hält eine flache Plastikdose, eine so genannte Petrischale, hoch. Die türkis-grünen Flecken auf deren Boden sind einer der am häufigsten vorkommenden Krankenhaus-Keime: Der MRSA, ein Hautbakterium.

Solche Keime vermehren sich alle zwanzig Minuten und entwickeln schnell Resistenzen. Sieben Tage können diese Bakterien auf einer Kunststoffoberfläche überleben. Wie kann man sich vor ihnen schützen?

"Es ist Aufgabe der Krankenhäuser, herauszufinden, wer diesen Keim in sich trägt und diesen Patienten dann zu isolieren", sagt Winfried Strauch, Leiter des Gesundheitsamtes. "Es muss verhindert werden, das sich die Infektion ausbreitet." Strauch ist einer derjenigen Fachmänner, die Krankenhäuser und kommunale Pflegeheime hygienisch überwachen.

Denn, und das bringt Georg Knoblach als Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbandes anschaulich auf den Punkt: "Das Gemeine ist, wenn so ein Keim vom Krankenhaus ins Altenheim gelangt und umgekehrt."

Deswegen gibt es unter der Leitung des Gesundheitsamtes regelmäßig einen Runden Tisch zum Thema multiresistente Erreger. "MRSA-Konferenzen", wie Knoblach sagt. Dort treffen Vertreter der Krankenhäuser, der Alten- und Pflegeheime, des ärztlichen Kreisverbandes und des Labors der Sozialstiftung zusammen. Besprochen wird etwa der Status in Sachen multiresistente Keime und Maßnahmen zu deren Eingrenzung.


Konsequente Desinfektion

Relativ effektiv ist schon die konsequente Händedesinfektion. Das gilt nicht nur für das Krankenhauspersonal, sondern auch die Besucher. Desinfiziere man schon beim Hineingehen seine Hände, könne man seine Angehörigen am besten vor Bakterien von außen schützen, wie Erichsen sagt.

Denn ein multiresistenter Keim wird vor allem dann zur Bedrohung, wenn ein Mensch wegen einer schweren Erkrankung besonders gefährdet ist, etwa durch Krebs oder Leukämie. Strauch und Erichsen erläutern: Wenn jemand stirbt, bei dem der Keim nachgewiesen ist, sei es schwer auszumachen, ob gerade das Bakterium zum Tod geführt hat oder die Grunderkrankung selbst. "Wenn das Immunsystem unterdrückt ist, haben Keime leichtes Spiel", sagt Strauch.

Deswegen gilt es, die Erreger aufzuspüren und deren Weiterverbreitung zu verhindern. Die wichtigste Methode ist das Screening bestimmter Risikogruppen. Menschen, die eine Antibiotika-Therapie oder einen Krankenhaus-Aufenthalt hinter sich haben, chronisch Kranke oder Menschen aus Pflegeheimen.

Dieses systematische Testverfahren ist an den Kliniken in Bamberg, Burgebrach und Scheßlitz üblich, genauso wie bestimmte Hygiene-Standards.

Grundsätzlich sind multiresistente Keime für einen gesunden Menschen wenig schädlich. "Manche merken gar nicht, dass sie sie haben. Sie sind besiedelt, aber nicht krank", erklärt Winfried Strauch. So könne es sein, dass jemand wegen Diabetis neu eingestellt werden müsse und dabei erst die Bakterien entdeckt würden.


Screening von Risikogruppen

Anders ist das beim vorsorglichen Screening von Risikopatienten, wo schon nach wenigen Stunden Ergebnisse vorliegen. Im Bamberger Klinikum finden beispielsweise etwa 1200 Screening-Untersuchungen pro Monat statt, 20 davon werden positiv auf multiresistente Keime getestet. "Wir leisten uns diesen Luxus, der mit über einer halben Millionen Euro pro Jahr ein erheblicher Kostenfaktor ist", sagt Mikrobiologe Erichsen. Doch der Aufwand sei gerechtfertigt, damit einem "Geschehen wie in Kiel" vorgebeugt werden könne.

Dort waren vor kurzem zwölf Menschen mit MRSA-Bakterien gestorben. Wie Erichsen ausführt, hätten neun von ihnen bereits eine Grunderkrankung gehabt. "Bei dreien ist allerdings nicht auszuschließen, dass eine Infektion mit dem Keim am Geschehen beteiligt war." Bakterien seien eben nicht wehrlos, sondern entwickeln sich schnell weiter. Der vermehrte Antibiotika-Einsatz sei auch eine Ursache für multiresistente Keime. "Es ist ein Wettlauf", weiß der Labormediziner.

Aber, und da lässt sich Georg Knoblach vom ärztlichen Kreisverband gerne zitieren: "Im Krankenhaus sind Sie geschützter vor Keimen als in der Berliner U-Bahn."

Hat ein Patient allerdings den Eindruck, sich im Krankenhaus etwas geholt zu haben oder einem Behandlungsfehler unterlegen zur sein, kann er sich direkt an seine Krankenkasse wenden. Außerdem gibt es die Schlichtungsstelle der Bayerischen Landesärztekammer sowie die Unabhängige Patientenberatung Deutschland. Und schließlich existieren Vereine wie die "Notgemeinschaft Medizingeschädigter".

Doch soweit sollte es im besten Falle gar nicht kommen. Gerade für multiresistente Keime gilt laut Winfried Strauch vom Gesundheitsamt: "Die sind resistent auf bestimmte Antibiotika. Aber nicht gegen Desinfektion." Und Hartmut Erichsen merkt an: "Hygiene lebt vom Mitmachen."