Druckartikel: Kahlschlag: 20 Bamberger Theaterleute müssen gehen

Kahlschlag: 20 Bamberger Theaterleute müssen gehen


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Freitag, 24. Oktober 2014

Vergeblich haben besorgte Theaterfreunde an das soziale Gewissen der designierten Intendantin Broll-Pape appelliert. 20 Ensemble-Mitglieder der Bamberger Bühne müssen zum Ende der Saison gehen.
Umbruch an der Bamberger Bühne. Das Theater trennt sich zum Ende der Saison von 13 Schauspielern und sieben Mitarbeitern aus der Dramaturgie und Ausstattung. Foto: Archiv


Auch wenn sich viele gefreut hätten. Ein glückliches Ende gibt es in diesem Stück nicht. Zum Beispiel Eva Steines. Die Schauspielerin aus Bamberg hat am Dienstag ihren Blauen Brief im Intendantenbüro abgeholt. Seitdem weiß sie, dass sie keine Zukunft an der Bamberger Bühne hat. Die schwangere Frau und Mutter einer Tochter geht schwierigen Zeiten entgegen: "Ich kann in meiner Situation doch nicht vorsprechen."

Nun also doch die volle Härte! Die künftige Intendantin Sybille Broll-Pape hat auf die Proteste von Politik und Publikum nicht reagiert. Steines ist eine von 20 Mitgliedern des Ensembles, die mit dem 2015 bevorstehenden Chefwechsel ihren Job verlieren und gewissermaßen dem Pharao ins Grab folgen. Nach unsicheren Wochen haben sie nun Gewissheit, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird. Bekannte Gesichter befinden sich auf der Streichliste. 13 Schauspieler, die teils seit Jahren in Bamberg arbeiten sowie sieben Dramaturgen, Maskenbildner und Ausstatter bekamen die Rote Karte.

Am Bamberger Theater steht ein Umbruch an. Das war von der Stadtspitze durchaus so gewollt. Aber ist es nicht übertrieben hart, wenn fast das ganze Ensemble ausgewechselt wird, nur weil der bisherige Chef in Ruhestand geht? Rainer Lewandowski, seit 25 Jahren Prinzipal, will sich zu den Entscheidungen seiner Nachfolgerin nicht äußern. Der bald 65-Jährige wird von seinen Mitarbeitern als Chef beschrieben, der trotz aller Ansprüche auch soziale Grundsätze gelten ließ. Künstlerisch umstritten schaffte er es dennoch, die Zuschauer bei der Stange zu halten. Die Auslastung im Haus am Schillerplatz bewegte sich in den letzten zehn Jahren zwischen 75 und 85 Prozent. Ein respektabler Wert. Bundesweit lag die Quote bei 71 Prozent.

Kahlschlag auch andernorts

"Ich möchte meine eigene Vision vom Theater durchsetzen. Da muss ich Prioritäten setzen", erklärt die künftige Theaterleiterin Sybille Broll-Pape unverblümt. Leicht hat sie sich die Entscheidung nach eigenem Bekunden nicht gemacht. Sie könne die Enttäuschung verstehen, sagt Broll-Pape, man müsse aber auch ihre Motive sehen: "Ich wurde gewählt, um einen Neuanfang zu ermöglichen. Dafür brauche ich ein Team, mit dem ich das umsetzen kann."

Man muss wissen: Die Ereignisse am Bamberger Theater sind kein Einzelfall. Der Kahlschlag beim künstlerischen Personal wiederholt sich deutschlandweit mit scheinbarer Unvermeidlichkeit, wenn Intendanten abtreten. Freilich auch die damit verbundenen negativen Schlagzeilen und Kündigungswellen, wie vergleichbare Querelen in Trier und Greifswald zeigen.

Doch was wäre die Alternative? Rolf Bolwin vom Deutschen Bühnenverein sieht keine, da das Ensemblesystem in Deutschland ja gerade Anstellungen über mehrere Produktionen hinweg ermöglichen soll. Das schließt angesichts des "Abwechslungsbedürfnisses beim Publikum" ein, dass regelmäßig Köpfe rollen. wenn der Intendant das haus verlässt: "Es mag für die Betroffenen bitter sein, aber es geht darum, ein künstlerisches Profil zu entwickeln. Das gelingt nur mit einer eigenen Mannschaft."

Trotzdem hat der Personalzirkus vor allem eine menschliche Seite. Bei den Betroffenen, die mit Monatsgagen unter 2000 Euro Brutto nicht zu den Großverdienern zählen, löst der erzwungene Abschied unvermeidliche Existenzängste aus. "Es ist ja nicht so, dass neue Stellen auf der Straße lägen. In vielen Städten werden sie gestrichen", sagt Eva Steines. Und auch bei anderen Bamberger Kollegen torpediert die "Nichtverlängerung" die Lebensplanung.

Abstimmen mit den Füßen

Wenigstens vom Publikum bekommen die heimischen Darsteller Zuspruch. Selten hat eine Personalentscheidung derart viel Staub aufgewirbelt. Unverhohlen drohen Abo-Inhaber mit Kündigung: "Wir Bamberger werden mit den Füßen abstimmen", heißt es kämpferisch im Gästebuch.

Auch die Bamberger Politik spart nicht mit Kritik. Annerose Ackermann und Wolfgang Metzner (beide SPD) haben kein Verständnis für die harte Hand der neuen Intendantin. Norbert Tscherner (BBB) spricht von einer "menschlichen Schweinerei unter einem sozialdemokratischem OB". Freilich: OB Starke saß gar nicht in der Findungskommission. Das Gremium war mit Vertretern aller Fraktionen besetzt, unter ihnen Werner Hipelius, Christian Lange (beide CSU), Wolfgang Metzner (SPD), Andreas Reuß (GAL) und Herbert Lauer (FW). Der Chef des Gärtnerplatztheaters, München , fungierte als Berater

Hätte man verlangen können, dass auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigt werden? Verwaltungsjurist Lauer sagt zwar, dass kritische Punkte bei den Verhandlungen angesprochen worden sind, doch habe man sich mit dem Hinweis zufrieden gegeben, dass die Befugnisse des Intendanten gewissermaßen alternativlos sind. "Dass jetzt alles so krass läuft" , hat laut Lauer keiner erwartet.




Kommentar von Michael Wehner

Schade, dass die künftige Intendantin sich nicht mehr umstimmen ließ und nicht doch ein paar mehr Mitarbeiter übernommen hat. Es hätte ihr viele Sympathien eingebracht und manchen Ärger erspart.

Es ist ja nicht so, dass sich das Bamberger Publikum nicht auf einen Neuanfang freuen würde. Aber wer einen Dampfer wie das städtische Theater mit 70 000 zahlenden Gästen im Jahr umsteuern will, der sollte es so behutsam tun, dass die Zuschauer nicht schon ein Jahr vor dem Start meutern und sich ein Sturm der Entrüstung entlädt.

Mögen für den beständigen Wechsel im Theater gewichtige Gründe sprechen - auf der anderen Seite des Vorhangs, zumal in Bamberg, existiert ein feines Gespür dafür, was sozial und angemessen ist.

Natürlich wissen die Schauspieler, dass sie trotz Minigehältern keine sichere Zukunft an einer Bühne haben. Man kann sich aber auch fragen, ob es die hohen Ziele der "Kunst" rechtfertigen, mit Menschen umzugehen wie mit Schachfiguren. Am Ende löst der erzwungene Abschied von so vielen bekannten Gesichtern einfach nur Unbehagen aus. Genau dort, wo das Geld für das Theater sitzt: beim Publikum und bei den Steuerzahlern.

Der Eklat und der daraus resultierende Flurschaden hätten mit etwas mehr Einfühlungsvermögen vermieden werden können. Das sollte mehr noch als Broll-Pape den Stadtrat umtreiben, der seine Bamberger ja kennt.

Was jetzt passiert ist, hat er billigend in Kauf genommen.

Lade TED
 
Ted wird geladen, bitte warten...