Jüdische Gemeinde gespalten
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Bamberg, Freitag, 20. März 2015
Der Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde hat Antje Yael Deusel gekündigt. Sie ist die erste deutsche Rabbinerin, die nach dem Holocaust in Deutschland ordiniert wurde. Am 25. März entscheidet das Arbeitsgericht.
Die ordentliche Kündigung von Rabbinerin Antje Yael Deusel, die zum 31. März 2015 wirksam werden soll, ist knapp gefasst: "Das Vertrauen in eine gedeihliche Zusammenarbeit mit Ihnen ist unheilbar erschüttert...Es zeigt sich, dass Sie in Ihrer Arbeit die Bedürfnisse zahlreicher Gemeindemitglieder nicht erfüllen können."
Unterschrieben ist das Ganze von Martin Arieh Rudolph, Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Bamberg, und den vier weiteren Vorstandsmitgliedern: Frauen aus Russland und der Ukraine.
Keine Stellungnahme
Auf Anfrage unserer Zeitung stellte Rudolph klar, dass er "während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens in beiderseitigem Interesse keine Stellungnahme zur Sache" geben werde.
Das einzige, was er in dieser Angelegenheit "zur Klarstellung und um einem gravierenden Missverständnis vorzubeugen" sagen könne, sei, dass "sämtliche Vorstandsmitglieder der IKG Bamberg die Beendigung der Zusammenarbeit mit Frau Deusel befürwortet und die ordentliche Kündigung unterschrieben haben". Nicht er als 1. Vorsitzender habe Frau Deusel gekündigt, so Rudolph, sondern "der von unserer Gemeindeversammlung mit sehr großer Mehrheit gewählte Vorstand, der innerhalb der Gemeinde im Übrigen auch und gerade in diesen Tagen sehr große Unterstützung findet".
"Ich stehe weiterhin für meinen Dienst in der Gemeinde zur Verfügung", betont Antje Yael Deusel, die sich wie Rudolph "von sehr vielen aus der Gemeinde getragen" weiß. So habe es in ihrem letzten Gottesdienst, den sie in der Synagoge gefeiert habe, bei der Bekanntgabe ihrer Kündigung "einen großen Tumult gegeben". Sowie Beteuerungen von zwei Vorstandsmitgliedern "unter Zeugen", "dass sie die Kündigung nicht gewollt haben". Rabbinerin Deusel vermutet, dass die kaum Deutsch sprechenden Frauen den Inhalt des Schreibens gar nicht verstanden haben.
Für die Rabbinerin, die vom früheren Vorsitzenden der IKG Heinrich Olmer wohlwollend gefördert wurde, steht fest, dass ihre Kündigung nur der vorläufige Schlusspunkt unter einer Reihe von Attacken ist, die sie durch Martin Arieh Rudolph erdulden musste. "Es ist eine reine Machtsache, eine Sache Mann gegen Frau", vermutet Deusel. So habe sie von Rudolph eine Reihe von Dienstanweisungen erhalten, die "mich in geradezu lächerlicher Weise in den Handlungsmöglichkeiten einer Rabbinerin beschränkt haben".
Verbote, Rügen
Exemplarisch für Eingriffe des 1. Vorsitzenden in Kernaufgaben des Rabbinats nennt sie die Beerdigung einer Nichtjüdin auf dem jüdischen Friedhof sowie die öffentliche Ankündigung der Anerkennung sogenannter Vaterjuden als Gemeindemitglieder ohne entsprechenden Vorstands- oder Gemeindebeschluss. Außerdem erkenne Rudolph den Übertritt zum Judentum eines von ihr unterwiesenen Mannes nicht an, obwohl dieser ordnungsgemäß vor dem "Bet Din" der Allgemeinen Rabbinerkonferenz vollzogen worden sei.
"Rudolph hat mir untersagt, den Giur-Unterricht wie bisher durchzuführen", führt die Rabbinerin weiter an. Selbst für ihr Versenden von Geburtstagskarten an Gemeindemitglieder habe er ihr eine mündliche Rüge erteilt. Dass er ihr verboten habe, auf einem der gemeindeeigenen Parkplätze ihr Auto abzustellen, ist für Antje Yael Deusel da nur noch eine Randbegebenheit. Wobei es schon fragwürdig sei, dass Rudolph trotz mehrfacher Versuche ihrerseits "jedes klärende Gespräch verweigerte". Auch Gemeindemitglieder seien mit einer Vermittlung gescheitert.
Schwerer wiegt nach ihren Worten der Umstand, dass der gegenwärtige Vorstand der IKG gar nicht befugt sei, eine Kündigung auszusprechen. Gegen die jüngste Wahl sei bereits Widerspruch ergangen und werde vor dem Schiedsgericht des Zentralrats der Juden angefochten. Überhaupt habe die Wahlbeteiligung gerade einmal bei zehn Prozent der offiziell registrierten Gemeindemitglieder gelegen, von denen jedoch nur ein Bruchteil nach Maßgabe des Vorstands zur Wahl zugelassen worden sei: nämlich etwa 195 von 900.
"Die Wahl des derzeitigen Vorstands erfolgte unter grober Verletzung demokratischer Regeln", erklärt die Rabbinerin. Durch unzulässige Fristsetzungen seien von vornherein Gegenkandidaten, "die es gegeben hätte", verhindert worden. Außerdem sei die Kandidatur Rudolphs, welcher sich in einem Angestelltenverhältnis mit der IKG befinde, nicht satzungsgemäß von der Gemeindeversammlung bestätigt worden: "Somit war diese Kandidatur unzulässig."
Kein arbeitsrechtliches Problem
Dennoch hat die Rabbinerin im Arbeitsgerichtsverfahren keine guten Karten, weil die Kultusgemeinde wegen der geringen Mitarbeiterzahl nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fällt, wie Deusels Anwalt, der Erlanger Rechtsanwalt Martin Reymann-Brauer, erläutert. Aber im Kern sei es auch kein arbeitsrechtliches Problem, sondern eine Frage des Umgangs des Vorsitzenden mit der Rabbinerin.
Inzwischen hat der 1. Vorsitzende der Gemeinde einen orthodoxen Rabbiner aus Erlangen, dessen Vertrag dort nicht verlängert wurde, als möglichen Vertreter für Deusel präsentiert. Schulen, die eine Synagogenführung durch Rabbinerin Deusel gebucht hatten, sagten nach Bekanntwerden ihrer Kündigung ab. Am augenfälligsten für eine Spaltung der jüdischen Gemeinde Bamberg ist die Tatsache, dass Pro-Deusel-Gemeindemitglieder mit der Rabbinerin einen eigenen Gottesdienstkreis gebildet haben: Zunächst freitags treffen sich zahlreiche jüdische Gläubige im Gemeindesaal der St.Stephanskirche am Schillerplatz. Die Pfarrei St. Stephan hat diesen Raum zur Verfügung gestellt und wurde dabei von Hans-Martin Lechner, Dekan des evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirks Bamberg, unterstützt. "Wir können nicht mehr mit Herrn Rudolph beten", bedauert die Rabbinerin, die in ihrem neuen Kreis eine "Erweiterung der Hauptgemeinde" sieht. Deusel strebt einen "egalitären, liberalen Ritus" an, der sich an dem der Vorkriegszeit orientiert.
Das öffentliche Verfahren am Arbeitsgericht Bamberg, Willy-Lessingstraße 13, beginnt am Mittwoch, 25. März, um 11.20 Uhr.
STANDPUNKT
von Marion Krüger-Hundrup
L ängst wird gemunkelt, dass in der jüdischen Gemeinde nicht alles koscher ist. Das interne Trauerspiel wird nun offenbar.
Die Öffentlichkeit muss feststellen, dass politische Vertretung der Juden nach außen, wie sie der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg für sich reklamiert, Integrität verlangt. Die religiöse Vertretung hat die Rabbinerin inne: Sollte sie tatsächlich mit ihrem Einser-Examen so wirken, wie ihre Kündigung suggeriert?
Als promovierte Ärztin in einer Gemeinschaftspraxis ist Antje Yael Deusel auch ohne Gemeinderabbinat nicht chancenlos. Obendrein kann sie ihren durch harte Arbeit erworbenen Titel Rabbinerin weiterhin mit Stolz tragen. Die Bamberger sollten sie dabei unterstützen.