"Judenschule" unter neuem Dach
Autor: Werner Baier
Hirschaid, Mittwoch, 20. April 2016
Der Markt Hirschaid will seinen Schandfleck an der Ortsdurchfahrt tilgen. Das historisches Gebäude erhält neue Bedeutung als museale Gedenkstätte.
Noch vor wenigen Jahren schien das Ende des abgewirtschafteten Hauses Nürnberger Straße 12 besiegelt, nun hat es ein neues Dach mit tönernen Biberschwanzziegeln als Bedeckung erhalten: ein untrügliches Zeichen, dass das letzte steinerne Zeugnis der einstigen, etwa 100 Köpfe zählenden Landjudengemeinde zu Hirschaid einer neuen Bedeutung zugeführt wird.
Der zweigeschossige Walmdachbau mit Eckpilastern erhielt seine heutige Form Anfang des 19. Jahrhunderts. Zunächst als bäuerliches Anwesen genutzt, diente es von 1887 bis 1939 der jüdischen Bevölkerung von Hirschaid als Gemeindehaus sowie als Elementar- und Religionsschule mit Lehrerwohnung. Der angestellte Lehrer wirkte meist auch als Vorbeter oder Kantor in der schräg gegenüberliegenden, 1851 errichteten Synagoge, die in der "Reichspogromnacht" 1938 durch Brandstiftung der Nazis zerstört wurde.
Das Schulhaus der Judengemeinde wurde von der NS-Ortsverwaltung beschlagnahmt und ging unter fragwürdigen Umständen ins Eigentum der Marktgemeinde über. Die Kinder der jüdischen Familien durften per Gesetz nicht mehr beschult werden. Die letzten 28 Hirschaider Juden - zwischen fünf und 82 Jahre alt - wurden im Frühjahr 1942 nach Osten, in Konzentrationslager, deportiert. Keiner von ihnen hat überlebt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude bis in die 80er Jahre für Wohnzwecke genutzt. Seitdem war es - zwischenzeitlich in Privatbesitz übergegangen - dem Verfall preisgegeben. Es wurde für Hirschaid zum Schandfleck an der vielbefahrenen Ortsdurchfahrt auf der Achse Bamberg-Forchheim.
Seit gut fünf Jahren werden Anstrengungen unternommen, das Haupthaus und seine Rückgebäude der Nachwelt zu erhalten. Wissenschaftler fanden heraus, dass das ehemalige Bauernhaus eine Vorgeschichte hatte und als ältestes Gebäude der Gemeinde betrachtet werden muss. In dem Haus wurden Balken entdeckt, die aus 1517 gefällten Bäumen gesägt worden sind. Ferner lässt sich eine Umbauphase 1697/98 nachweisen. Zum verbarg sich unter dem Schutt und Holzlager im rückwärtigen Anbau tatsächlich noch die Mikwe, jenes Reinigungsbad, von dessen Existenz ältere Hirschaider noch zu berichten wussten.
Nach jahrelangem Drängen der Unteren Denkmalschutzbehörde vergab der Bauausschuss des Marktgemeinderates den Auftrag zur Dacherneuerung zum Gesamtpreis von 104 000 Euro. Nach Informationen von Bürgermeister Klaus Homann (CSU) erhält die Gemeinde zu diesem ersten Schritt der Bestandssicherung Zuschüsse von der Oberfrankenstiftung (50 000 Euro), vom Landesamt für Denkmalpflege (10 000 Euro), von der Bayerischen Landesstiftung (9000 Euro), vom Landkreis Bamberg (5000 Euro) und von der VR Bank (2000 Euro). Mithin hat die Gemeinde nur gut 25 Prozent der Kosten selbst zu tragen.
Homann kämpft nun darum, im nächsten Schritt die Sanierung der Fassade in ähnlichem Umfang gefördert zu bekommen. Wieder setzt der Bürgermeister seine Hoffnung auf die Unterstützung des Landtagsabgeordneten Heinrich Rudrof, der das Projekt begleitet. Ziel ist es, die ehemalige Judenschule zu einer musealen Gedenkstätte zu formen. Das Konzept dafür sei noch nicht ausgereift. Zunächst ging es darum, das unter Denkmalschutz stehende Gebäude vor dem Verfall zu bewahren. Mit einem dichten, auch noch sehr aufwendigen typgerechten Dach ist ein wichtiger Abschnitt erreicht.