Jetzt zahlen sie bei jedem Ferkel noch mehr drauf
Autor: Anette Schreiber
Großbirkach, Montag, 05. Oktober 2020
Die Ferkelerzeuger Link in Großbirkach sind verzweifelt, mit Ausbruch der Schweinepest in Brandenburg ist ihr Verlust bei jedem Tier noch höher.
Corona hat die Links 40 Euro gekostet. Pro Tier. Also statt 90 gab es nur noch 50 Euro für das mastfertige Ferkel. Mit Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Brandenburg ist der Preis vor knapp drei Wochen noch einmal um zwölf Euro auf nun 38 Euro gefallen. Obwohl sich bei ihnen nichts geändert hat, sie ihre Tiere weiter regional absetzen und deren Fleisch ebenfalls regional vermarktet wird. Dass die Links pro Tier, in das sie 60 Euro investieren, derartige Einbußen haben, ist dem Weltmarkt geschuldet. Die Großbirkacher Familie lebt ständig in der Angst, dass es noch schlimmer kommt.
Doch haben Thomas und Marion Link vor Ort keine Möglichkeit, irgendetwas anzupassen. Irgendwie zu reagieren. Wenn ein Schwein gedeckt ist, werden nach 115 Tagen Ferkelgeboren, die verlassen nach 70 Tagen mit je 30 Kilo den Hof und da sind schon wieder die Ferkel im Anmarsch. Zyklen, die nicht einfach eben unterbrochen werden können.
Immer sorgt die Landwirtsfamilie dafür, dass nur ja keine Krankheit, kein Erreger, kein Virus in die drei Ställe - einen am Haus und zwei im ausgesiedelten Bereich - hineingetragen wird: Kein Fremder darf hinein. Tierarzt, Besamungstechniker, Betreuer der Erzeugergemeinschaft müssen zuvor duschen, bekommen spezielle Stalloveralls. Und auch alle am Hof ziehen sich nach jedem einzelnen Stall um. Betreten ist sowieso nur über eine Desinfektionsmatte möglich. Die Stimmung ist angespannt, leben doch hier sieben Menschen von der Erzeugung von Ferkeln.
Neuerdings hält an der alten Hofstelle ein Stoppschild jeden Betriebsfremden fern. Der ausgesiedelte Bereich ist sowieso eingezäunt. Sollte tatsächlich in der Nähe ein mit Afrikanischer Schweinepest infiziertes Wildschwein gefunden werden, würde sich die Lage noch einmal drastisch verschärfen.
Dieter Heberlein, Pressesprecher des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) Oberfranken, erklärt dazu, dass bei einem derartigen Vorkommnis innerhalb eines Radius von vier Kilometern um den Fundort - die so genannte Kernzone - "kein Tier mehr rein oder raus" darf. Das heißt zumindest nicht ohne tierärztliche Untersuchung, was im Klartext dann noch einmal weitere Kosten verursacht. "Das Hauptproblem ist der Preisverfall", sagt der BBV-Experte.
Das Problem Afrikanische Schweinepest (ASP) hat der BBV schon lange auf dem Radar und setzt seit zwei Jahren prophylaktisch, als in Tschechien und Polen die ersten ASP-Fälle auftraten, auf die Biosicherheitsmaßnahmen. Verbraucher sollen und können beruhigt weiter Schweinefleisch kaufen und essen, sagt Heberlein.
Wie erklärt sich dann der Preisverfall? "Über den Weltmarkt", wissen auch Thomas und Marion Link, deren Familien seit Generationen Landwirte sind und die 1984 in den Zuchtsauensektor eingestiegen sind.
"Eigentlich hat Deutschland mit 120 Prozent eine Überproduktion", dennoch reicht das nicht aus, erklärt Heberlein. "Weil eben nur 60 Prozent der geschlachteten Schweine in der EU vermarktet werden", merkt Marion Link an, die auch stellvertretende BBV-Kreisbäuerin ist. Die restlichen 40 Prozent kommen auf den asiatischen Markt: China, Südkorea, die Philippinen. "Fleisch, das hier keiner will", führt Landwirtschaftsmeister Thomas Link aus - "Füße, Schwänze, Rüssel, Kopf, Haut, Ohren, Fett".
All das liefern die vier Großen am Markt, darunter als bekanntester Großschlächter Tönnies, nach Asien. Mit dem ersten ASP-Fall war es aus. China und Korea importierten nicht mehr aus der Bundesrepublik. Die Folge: Plötzlich gab es Massen von Pfoten und Schwänzen etcetera, die keiner wollte oder auf die Schnelle verarbeiten konnte. Teile, die aber bezahlt waren, und im schlimmsten Fall in Tierkörperbeseitigungsanlagen kommen, was auch wieder kostet, erklärten Thomas und Marion Link. Die Zeche zahlen immer die gleichen, regional agierende Landwirte so wie sie. Obwohl ihre Tiere genauso wie bisher in der Region gemästet, geschlachtet und vermarktet werden.
An dieser Stelle erbost sich der BBV-Funktionär: "Der Preis im Supermarkt ist für den Kunden der gleiche. Die geringeren Einkaufskosten im Handel werden nicht an den Kunden weitergegeben", kritisiert er offen.
Währenddessen können Links auf ihrem Hof nichts anderes machen, als ihre 330 Muttersauen und deren Nachwuchs an sieben Tagen die Woche versorgen und sich dabei unzählige Male umziehen, waschen, desinfizieren. Die Muttertiere haben im Jahr rechnerisch 2,7 mal Ferkel. Im Schnitt zwischen zwölf und 18. Bei 14 Zitzen pro Muttertier werden die Kleinen schon mal umverteilt. Die Ferkel, die hier geboren werden und mit 30 Kilo zum Mäster kommen, werden im Alter von einem halben Jahr und mit bis zu 130 Kilo geschlachtet. Alles ist genau getaktet, läuft in Gruppen von Muttersauen und Zyklen. "Alles wird genau dokumentiert" und ist dank des Bestandsbuches somit jederzeit für jedes Tier nachvollziehbar, macht das Ehepaar deutlich. "Wir sind total gläsern."
Ob man es zumuten kann
Bei Thomas (53) und Marion (50) Link leben am Hof neben den vier Kindern noch die Auszubildende Jule Diehn und Großvater Thomas. "Je älter wir werden, desto stärker wird die psychische Belastung." Erst vor zwei Jahren haben Links eine größere sechsstellige Summe investiert. Der älteste Sohn will den Betrieb weiterführen. Aber so richtig glücklich sind seine Eltern damit nicht. "Ich weiß nicht, ob ich es ihm zumuten kann", meint sein Vater deprimiert. Die Eltern hoffen nun einerseits darauf, dass ein Zaun die ASP in Brandenburg weiter fernhält und zugleich, wie Dieter Heberlein, dass die Verbraucher weiter Schweinefleisch verzehren. Die ASP tötet zwar Schweine oft innerhalb von Stunden, ist aber nicht auf Menschen übertragbar.
Mit den Links und ihren verbliebenen Kollegen fühlt auch Konrad Schrottenloher. "Schweine haben im Landkreis Bamberg noch nie eine sehr große Rolle gespielt", weiß der Bereichsleiter Landwirtschaft am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Aber aktuell machten es Haltungsverordnung, der extrem massive Preisverfall durch Corona und nun die Afrikanische Schweinepest den hier Tätigen noch einmal schwerer. Schweinehaltung werde insgesamt nur noch in vergleichsweise wenigen Betrieben und dort in überwiegend sehr kleinen Beständen praktiziert. Aufgrund gestiegener Auflagen und angesichts der aktuellen Situation rechnet er "mit einem weiter beschleunigten Rückgang". "Essen Sie weiter Schweinefleisch und lassen Sie es sich schmecken", appelliert Dieter Heberlein.
KOMMENTAR:
Arme Schweine
Eine echt arme Sau ist nicht nur diejenige, die für unseren Verzehr ihr Leben lassen muss, sondern auch derjenige, der sich sieben Tage die Woche um sie kümmert und dafür noch Geld drauflegen muss. Kein Wunder, dass kaum noch jemand dazu bereit ist. Die Alternative? Schweinefleisch wird importiert, nicht selten von dort, wo Auflagen nicht so kontrolliert werden wie hier. Damit die wenigen heimischen Schweinebauern überleben, ist nun Solidarität vor allem des Handels gefragt.
Doch wie es scheint, interessiert sich wirklich keine Sau für die Nöte der Bauern vor Ort. Das ist eine echte Sauerei. Ganz zu schweigen von den politischen Schweinereien hinter den Kulissen.