Ist das noch mein Bamberg? Diskutieren Sie mit!
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Montag, 25. Februar 2013
Vier Menschen, vier Bamberg-Ansichten: Eine Kulturwissenschaftlerin, ein Ur-Bamberger, ein Marktkaufmann und ein Student erzählen, was "ihre" Stadt für sie ausmacht. Was denken Sie zu diesem Thema? Diskutieren Sie mit auf Facebook!
12.834. Das ist die amtliche Zahl. Sie steht für 12.834 Studierende, die irgendwo wohnen, essen, ausgehen und vor allem - studieren wollen.
Manchem Bamberger sind die jungen Menschen in der Stadt mittlerweile ein wenig zu präsent. "Die überrennen uns", "Bamberg ist nicht mehr das, was es mal war", "für die wird dauernd gebaut" oder "die sind laut und machen Dreck". Sätze wie diese hört man durchaus beim Schlendern über den Grünen Markt.
Wir haben vier Bamberger gefragt, ob sie die Befürchtung teilen, dass die Stadt durch die steigenden Studierendenzahlen der letzten Jahre ihre Identität verlieren könnte. Und, was ihr Bamberg überhaupt ausmacht.
Einer, der erst einmal lachen muss, ist Andreas Stenglein (84). "Ach, das ist doch nicht der Rede wert! Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, hat Bamberg sein Gesicht komplett gewandelt.
Da ist die Einwohnerzahl von 54 000 in den 1930er-Jahren auf über 70 000 hochgeschnellt."
Stenglein erzählt von den Kriegsheimkehrern und Flüchtlingen. "18 000 Menschen mussten in der Stadt und im Land untergebracht werden. Da braucht man heute kein großes Theater wegen der Studenten aufführen."
Sorgen verständlich
Natürlich verstehe er zum Teil die Sorgen mancher Einheimischen. Er ist selbst Ur-Gaustadter, bekommt die Wohnungsnot mit. "Aber es werden ja Wohnheime gebaut."
Er ist nicht besorgt, dass die Stadt durch die jungen Studierenden ihr Gesicht verlieren könnte. "Bamberg wird's verkraften", sagt er pragmatisch. Er redet eh lieber über Politik und seine Lieblingsplätze in Bamberg.
"Natürlich der Blick von der Terrasse auf dem Michelsberg! Oder wenn man den Wildensorger Berg runterfährt und am Rennsteig auf die Stadt schaut - bei Nacht. Da kann man sich mit Bamberg identifizieren", sagt er.
Sich mit Bamberg identifizieren, das tut auch Student Simon Dudek (25). Der gebürtige Niederbayer ist 2007 in Bamberg gelandet - und will am liebsten bleiben. "Ich wohne in der Sandstraße, mitten im Weltkulturerbe. Von der Dachterrasse kann ich auf Klein Venedig blicken. Ist das nicht herrlich?"
Überhaupt ist Dudek ein Bamberg-Liebhaber. Er sagt, dass sogar sein komplettes Franken-Bild durch Bamberg bestimmt ist. "Das ist viel fränkischer als Würzburg oder Bayreuth."
Gerade weil er Bamberg so toll findet, ärgert es ihn, "dass man immer als Student abgestempelt wird. Das bin ich nur von acht bis 18 Uhr.
Danach bin ich Bamberger."
Er spricht aber auch von derToleranz der Einheimischen und lacht: "Die ersten zwei Monate hab ich beim Metzger immer a Leberkäs-Semmel bestellt. Die haben zwar a bissl komisch geschaut, aber ich hab sie immer bekommen. Mittlerweile sag ich selber Leberkäs-Brötla."
Keine "Mauern bauen"
Er könne es verstehen, dass manche Einheimische Angst hätten, dass Studis und Touristen die Stadt "überrennen". "Aber: Die Zeiten, in denen man Mauern um eine Stadt gebaut hat, sind vorbei! Ich bin gerne da und möchte bleiben."
Gerade in Hinblick auf den umkämpften Bamberger Wohnungsmarkt ist mancher Einheimische nicht so begeistert, dass immer mehr Studierende "gerne da" sind. Leben sie doch eben nicht nur in Wohnheimen.
Verdrängen sie vielleicht gar Ur-Bamberger aus ihren Vierteln, weil die große Nachfrage die Mieten in die Höhe treibt und Studierende dies durch Wohngemeinschaften auffangen können? Kann man in Bamberg schon von "Gentrifizierung", einem Großstadt-Phänomen, sprechen?
Heidrun Alzheimer, Professorin für Europäische Ethnologie an der Otto-Friedrich-Universität, winkt ab. Die Kulturwissenschaftlerin erklärt: "Gentrifizierung heißt, dass Ärmere aus ihren angestammten Wohnverhältnissen verdrängt werden, weil diese zu Luxusobjekten saniert werden."
Auf Bamberg treffe das nicht zu. "Hier gibt es kein ehemals reines Arbeiterviertel, das nun nur noch von Betuchten bewohnt wird." Dieses Phänomen sei in Berlin, Hamburg oder München zu beobachten.
Der Begriff "Gentrifizierung" stammt aus den 1960er Jahren und wurde von der britischen Soziologin Ruth Glass geprägt.