Druckartikel: Verfahren am Landgericht Bamberg: Insasse schuldfähig oder nicht?

Verfahren am Landgericht Bamberg: Insasse schuldfähig oder nicht?


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Mittwoch, 16. August 2017

Die Wahlverteidigerin eines 21-Jährigen aus der JVA Ebrach zweifelt das medizinische Gutachten der Sachverständigen an.
Das Foto zeigt die Kammer inklusive der Schöffen, links die Sachverständigen, rechts der Angeklagte mit seiner Verteidigerin.  Foto: Barbara Herbst


Für den 21-jährigen Markus A. (Name geändert) steht mehr als die Zukunft auf dem Spiel: Gefängnis? Entziehungsanstalt? Sicherungsverwahrung? Oder Psychiatrie? Auch am dritten Verhandlungstag am Landgericht Bamberg blieb offen, was dem wegen gefährlicher Körperverletzung Angeklagten blüht. Vorsitzender Richter Manfred Schmidt fasste knapp zusammen: "Das Verfahren steht auf der Kippe."

Dafür hatte Markus A.s Wahlverteidigerin Gabriele Steck-Bromme gesorgt. Die Rechtsanwältin legte Beweisanträge vor, mit denen sie die vorgelegten medizinischen Gutachten der Sachverständigen - Psychiater Christoph Mattern und Diplom-Psychologe Jürgen Melzer - "wegen schwerwiegender Mängel" zerpflückte:

Ein neues methodenkritisches Gutachten müsse her, das auch die Vorakten berücksichtige. Und die Anwältin lieferte gleich die Namen und Adressen potenzieller Koryphäen hinterher. Denn ihrer Auffassung nach werde eine schizophrene Psychose während der Tatzeit "behauptet": "Bei meinem Mandanten ist Paragraf 63 Strafgesetzbuch nicht gegeben."

Genau zu diesem Schluss waren die Sachverständigen aber gekommen. Paragraf 63 StGB bedeutet Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wegen Schuldunfähigkeit oder verminderter Schuldfähigkeit, in der eine rechtswidrige Tat begangen worden ist.

Weitere Gefährlichkeit für die Allgemeinheit muss zu erwarten sein. Die Gutachter bescheinigten Markus A. eine krankheitsbedingte Neigung zu Gewalttätigkeit, das Krankheitsbild einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis bleibe bestehen, wenn sie nicht behandelt werde.

Tatsächlich geht auch die Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Bamberg davon aus, dass der Beschuldigte Markus A. wegen eben dieser Erkrankung nicht einsichtsfähig und das Unrecht seines Tuns und damit seine Schuldfähigkeit aufgehoben seien. So ist der Angeklagte derzeit auch nicht in U-Haft, sondern einstweilig in einer Klinik für forensische Psychiatrie untergebracht.

Zum Tatzeitpunkt am 16. August 2016 war Markus A. Insasse der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ebrach, wo er eine über dreijährige Haftstrafe absitzen sollte. Gegen 15.20 Uhr betätigte er die Notrufanlage seiner Einzelzelle, woraufhin die Beamtin Sabine A. (Name geändert) die Tür öffnete.

Unvermittelt soll Markus A. mit einem etwa zehn Zentimeter langen, messerähnlichen Bruchstück eines Kunststofftellers auf die Frau eingestochen haben. Sie erlitt tiefe Schnittwunden, die bis in die Muskulatur reichten. Die Verletzungen auf der linken Gesichtsseite am Jochbogen, am Kinn sowie an der Kinnseite im Übergang zum Hals klafften auf und bluteten stark. Konkrete Lebensgefahr bestand zwar nicht, doch die Verletzungen hätten aufgrund ihrer Nähe zu lebensnotwendigen Nerven und Gefäßen bedrohlich werden können.

Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass der 21-jährige Häftling unter einer Psychose mit Wahnerleben und akustischen Halluzinationen litt - hervorgerufen durch jahrelangen und ausgiebigen Drogen- und Alkoholmissbrauch.
Markus A. räumte an diesem dritten Verhandlungstag ein, dass er kurz vor der Tat Spice konsumiert habe, das ihm beim Hofgang zugesteckt worden sei. Ansonsten hüllte er sich in Schweigen und verfolgte die Verhandlung ohne sichtliche Reaktionen.

Der Prozess wird am Donnerstag, 24. August, um 9 Uhr fortgesetzt.