In St. Rochus steckt Geschichte
Autor: Anette Schreiber
Großgressingen, Freitag, 15. August 2014
Oberhalb des Ebracher Gemeindeteils Großgressingen gibt's ein schmuckes Kirchlein - St. Rochus. Jeder in der Gegend kennt es, doch im Grunde weiß niemand Genaueres, sagt Barbara Gülta. Dabei hätte es das Gotteshaus wirklich verdient, unterstreicht die Ebracher Volkskundlerin.
So widmete sich Barbara Gülta dem Kirchlein einmal näher. Ihr Auftrag war es, eine Festschrift zum Jubiläum 400 Jahre St. Rochus zu verfassen. Aus angedachten 30 Seiten ist ein fast 90-seitiges Opus geworden. "Spannender wie ein Krimi", waren die Entdeckungen, die Barbara Gülta bei ihren Recherchen gemacht hat.
Weil der aus dem Erbe der Zisterzienser-Mönche hervorgegangenen Marktgemeinde Ebrach ihre Geschichte wichtig ist, wurde Barbara Gülta, die auch Gemeinde-Archivarin ist, mit der Erstellung eines Jubiläumswerkes beauftragt. Auf sie war die Wahl gefallen, weil sie vor zwei Jahren bereits die Chronik der Geschichte Ebrachs II veröffentlicht hat. "Ich hab‘ mich unheimlich gefreut über die Anfrage der Gemeinde", sagt die 49-Jährige, die sich schon seit früher Jugend intensiv für die Geschichte ihres Heimatortes interessiert.
Kaum erforscht
Bass erstaunt war Barbara Gülta allerdings, dass die Kirche St. Rochus so wenig erforscht, praktisch keine Literatur vorhanden ist. Weil Ebrach heimatgeschichtlich gut erforscht ist, war die Forscherin davon ausgegangen, dass dies auch für St. Rochus gelte. Aber keiner der ausgewiesenen Fachleute hatte St. Rochus wirklich berücksichtigt. "Kulturhistorisch war St. Rochus ein weißer Fleck", sagt Gülta. Selbst habe ihr das Kirchlein immer gut gefallen, es war aber nie Zeit, sich weiter zu vertiefen. Anderen war es wohl ähnlich ergangen. Der Auftrag der Gemeinde war nun der Anlass für echte Pionierarbeit und spannende Recherchen. Freilich sind die mit der Chronik beileibe nicht abgeschlossen. "Es sind noch viele Fragen offen", erklärt die Wissenschaftlerin. Zum Beispiel die ganz grundlegende, ab wann man von Rochus spricht und damit sozusagen das Ensemble meint. Denn es ist davon auszugehen, dass die Kirche wohl auf dem Areal steht, wo nach Gültas Rückschlüssen vermutlich im 13. oder 14. Jahrhundert das Siechenhaus errichtet worden war.
Illegale Bestattungen
Das im 12. Jahrhundert errichtete Zisterzienserkloster Ebrach hatte viele Beschäftigte aus den umliegenden Orten. Für die Kranken war das Siechenhaus geschaffen worden. Im Zuge der Pest, wobei laut Gültas Aussagen aber auch alle größeren unbekannten Krankheiten als solche bezeichnet wurden, erfolgten wahrscheinlich illegale Bestattungen nahe dem Rochus-Gelände. Denn eigentlich mussten Bewohner aus den Orten Großgressingen, Kleingressingen, Kleinbirkach, Großbirkach und Winkelhof in Oberschwarzach bestattet werden, zu deren Pfarrei man gehörte. Im Zuge der Pest jedoch, so Gültas Recherchen, bürgerten sich wohl Bestattungen bei St. Rochus ein. Daraus entwickelte sich der Friedhof und das so genannte Beinhaus.
Ungemein beeindruckt zeigt sich die Ebracherin von der modernen Einstellung der Zisterzienser in Sachen Bildung schon vor Jahrhunderten. Wie sie herausfand, legte die Abtei Wert auf Schulbildung in der Bevölkerung, und zwar bei Jungen und Mädchen. In vielen zum Kloster gehörenden Dörfern gab es einen Lehrer und vermutlich ab dem 18. Jahrhundert auf dem Rochus-Areal eine öffentliche Schule. Erste Schulen werden bereits um 1700 vermutet, auf jeden Fall dürfte es sich bei der oberhalb Großgressingens um eine der ersten in der Region handeln, zeigt sich die Chronistin beeindruckt. Auch vom Weitblick der Mönche, die in der Schulordnung aus dem 18. Jahrhundert neben Unterrichtszielen auch Zeit zum Spielen vorschrieben.
Lange Lehrerwohnung
Bis zur Säkularisation jedenfalls hatte das Kloster Ebrach das Sagen in Rochus. Nach 1803 war diese Frage länger offen, schließlich übernahm die neu gegründete Kirchenstiftung St. Rochus Kirche und Friedhof, die Gemeinde Ebrach die Schule. Wobei die alte um einen Neubau ergänzt wurde, so Barbara Gülta. Das alte Schulhaus war lange Lehrerwohnung, ist nun privat vermietet, das neue dient den Steigerwaldmusikanten Ebrach-Großgressingen seit vielen Jahren als Vereinsheim, der letzte Schulunterricht fand hier in den 90ern statt. Das Genannte sei nur eine kleine Zusammenfassung dessen, was sie in ihren Recherchen zusammengetragen habe, betont die Ebracherin, wobei sie an Rochus dermaßen Gefallen gefunden hat, dass sie weitere Forschungen nicht ausschließt, zumal sich nach Fertigstellung der Chronik noch etliche wichtige Dokumente gefunden habe.
In einer Sonderausstellung
Ein Teil davon ist in der Sonderausstellung im Museum der Geschichte Ebrachs zu sehen, weiß Barbara Gülta. Denn auch in die Museums-Leitung ist sie eingebunden und hat hier diverse Dokumente zur Ausstellung komponiert. Im Museum ist die Rochus-Chronik ebenso ab sofort erhältlich wie bei der Gemeinde. Sie wurde in einer Auflage von 500 Stück gedruckt und kostet 13 Euro.
Am 17. August jedenfalls bekommt St. Rochus eine Vielzahl von Gästen: Allen voran der Bamberger Erzbischof, der um 9.30 Uhr den Festgottesdienst des Rochus-Jubiläums zelebriert. Damit sich die Jubilarin prächtig präsentiert, wurde sie renoviert, "Seit 1964/65 erstmals umfassend", weiß Gülta. Und die Gemeinde hat das Umfeld entsprechend herrichten lassen. "St. Rochus ist ein Kleinod", schwärmt die Chronistin.