In Hirschaid Energie und Kraft getankt
Autor: Werner Baier
Hirschaid, Sonntag, 25. Oktober 2015
Ministerpräsident Horst Seehofer findet bei der Kommunalpolitischen Vereinigung der CSU volle Zustimmung.
"Wenn die Asylpolitik nicht korrigiert wird, geht das an die Existenz von CDU und CSU!" Diese Warnung des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer aus einem aktuellen Lagebericht trug dem Markt Hirschaid übers Wochenende in vielen Nachrichtensendungen bundesweite Beachtung ein. Der CSU-Vorsitzende war am Samstag prominentester Besucher der Landesversammlung der Kommunalpolitischen Vereinigung der CSU im Energiepark von Hirschaid. Da holten sich die Delegierten der KPV und Gäste aus ganz Bayern nicht nur Anregungen für die regionale Energiewirtschaft. Sie schöpften auch Kraft und Mut für die Lösung anstehender Aufgaben vom Breitbandausbau bis zur Gefahr, durch das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) die kommunale Wasserversorgung an kommerzielle Betreiber zu verlieren. Das wolle verhindert werden, ist man sich einig.
Der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen war zwangsläufig das alles beherrschende Thema. Aber es blitzten auch die Alltagssorgen der in vielen Landkreisen, Städten und Gemeinden Verantwortung tragenden CSU-Politiker auf: So harrt zum Beispiel die Sanierung von Gemeindeverbindungsstraßen einer staatlichen Förderung. Oder: Der Ministerpräsident wurde gebeten, sich dafür einzusetzen, dass auch in Gemeinden mit weniger als 4000 Einwohnern wieder Einkaufsmärkte errichtet werden dürfen, wofür Seehofer durchaus Verständnis hat. Ihm passe es auch nicht, dass im heimatlichen Ingolstadt die Straßen verstopft seien, weil im Umland die Einkaufsmöglichkeiten fehlten, bekannte Seehofer.
Ausdrücklich würdigte der Ministerpräsident den Einfluss der Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) auf die Entschärfung der Krankenhausreform. Dass eine schon formulierte Gesetzesvorlage zurückgezogen werde, komme nicht alle Tage vor. Aber die Staatsregierung kämpfe nachdrücklich für den Erhalt der wohnortnahen stationären Krankenversorgung der Bevölkerung.
Dringenden Handlungsbedarf sehen die Kommunalpolitiker im Abbau von Hemmnissen im Bauordnungsrecht. Wie sollen für bedürftige Einheimische wie auch für die bald Wohnung suchenden Asylbewerber Häuser gebaut werden, wenn es schon bis zu zwei Jahre dauern kann, bis die Änderung eines Flächennutzungsplans genehmigt sei, wurde der Regierungschef bedrängt. Seehofer will diesbezüglich auf seine Administration einwirken.
Gleichzeitig peilt er Lockerungen im Baurecht an: Die Brandschutzbestimmungen möchte er zwar nicht antasten, aber andere Anforderungen an Wohnhausneubauten könnten im Interesse einer raschen Verwirklichung durchaus reduziert werden. Schließlich geht's auch um die Finanzierung und die Bereitschaft zu investieren.
Dringend warnte der Ministerpräsident seine politischen Freunde aus den Kommunen davor, die heimische Bevölkerung in ihren Bedürfnissen, vor allem beim Wohnraum und auf dem Arbeitsmarkt, zurückzusetzen. Andernfalls passiere Ähnliches wie bei den Flüchtlingswellen in den 1980er-Jahren, als die "Republikaner" starken Zulauf aus der besorgten und enttäuschten Bevölkerung bekamen. Es bedürfe freilich der gemeinsamen Anstrengungen aller für die Schutzbedürftigen, schärfte der Ministerpräsident seinen Parteifreunden ein. Dabei habe man sich an der christlich geprägten Leitkultur zu orientieren. Das Grundgesetz der Bundesrepublik und die Verfassung des Freistaates gäben den Rahmen.
Seehofer bekannte, dass er nie daran gedacht hätte, als Ministerpräsident von Bayern für die Einhaltung von Recht und Ordnung werben zu müssen. Doch als das Dublin-Abkommen in Vergessenheit geriet, sah er sich dazu veranlasst. Giftige Kommentare der Oppositionsparteien oder der veröffentlichten Meinung bringen Seehofer offensichtlich nicht von seinem Kurs in der Flüchtlingsproblematik ab, zumal er sich immer häufiger bestätigt sieht. Es sei für ihn ein "Hochgenuss" gewesen, als selbst der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, für die Änderungen des Asylrechts stimmte, strahlte Seehofer.
Bayern wird 2016 für die Aufnahme von Flüchtlingen 3,5 Milliarden Euro ausgeben, ohne Kürzungen in den Budgets der Ministerin vorzunehmen, versicherte der Regierungschef: "Wir bleiben beim ausgeglichenen Haushalt und der Schuldentilgung!" 5500 neue Stellen sollen bei der Polizei und in der Justiz, in den Sozialverwaltungen und auf dem Bildungssektor geschaffen werden, um die Herausforderungen zu meistern. Dabei sehe sich der Freistaat in einem harten Wettbewerb mit anderen Bundesländern um geeignete Kräfte. Als Erfolg wertet Seehofer den Pakt mit der bayerischen Wirtschaft zur Bereitstellung von 60 000 zusätzlichen Praktikanten- und Ausbildungsplätzen. Des Weiteren kündigte er die staatliche Förderung des Baus von 28 000 Wohnungen an.
Sein Unbehagen, die mit Milliarden Euro zur Flüchtlingsbetreuung finanzierte Türkei "über Nacht" als EU-Mitglied zu erleben, verschwieg Seehofer nicht. Gleichzeitig forderte er die Sicherung der Außengrenzen der EU, wirkungsvolle "Hot Spots" und die gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Frankreich nehme so viele Flüchtlinge auf wie hierzulande ein Landkreis, und die USA, die an so mancher Entwicklung im Nahen Osten nicht ganz unschuldig seien, hielten ihre Grenzen dicht, klagte er. Die Steuerung und Begrenzung des Zustroms, die Einführung einer Obergrenze der Aufnahmezahl, hält Seehofer für unausweichlich: "Sonst wächst uns das Thema über den Kopf!", signalisierte er Richtung Berlin. Grenznahe Transitzentren - "keine Haftanstalten" - könnten die Zuwanderung von Menschen bremsen, die sich von Deutschland kein Asyl erwarten können. Von der Einführung solcher Transitzentren verspricht sich der Ministerpräsident einen Dominoeffekt auf die anderen von der Flüchtlingswelle betroffenen Staaten.
Mit der "Basis" seiner Partei funkt der Ministerpräsident beim Asylthema offenbar auf einer Wellenlänge. Er erntete bei seinem landesväterlichen Auftritt in Hirschaid von den versammelten KPV-Delegierten ungeteilten Beifall. Das auch für seinen Auftrag, gegenüber Ausländerfeindlichkeit oder antisemitischen Erscheinungen null Toleranz zu üben.
Dem Landesvorsitzenden der KPV, Stefan Rößle, ist es eine Genugtuung, dass die am 1. September von den CSU-Kommunalpolitikern unterbreiteten Vorschläge mittlerweile "fast 1:1 übernommen" worden seien. Noch offen ist allerdings die Forderung, die Standards für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge massiv abzubauen. Monatliche Kosten von bis zu 4000 Euro pro Person und Monat werde man sich nicht mehr lange leisten können, meint die KPV.
Ähnliches gilt auch für die Mietkosten bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Deshalb mahnte der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Silberhorn (CSU) die Anwendung "marktüblicher Mietpreise" und die Abkehr von Kopfpauschalen an. Der Parlamentarier gab einen Überblick über den Beitrag des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Lösung des weltweiten Flüchtlingsproblems.
Landrat Johann Kalb (CSU) und Hirschaids Bürgermeister Klaus Homann (CSU) warben unter ihren Parteifreunden für die Region Bamberg und den "schönsten Markt" im ganzen Land.