Druckartikel: In die Schuhe des anderen steigen

In die Schuhe des anderen steigen


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Sonntag, 09. Oktober 2016

Vor der Landesversammlung des Evangelischen Arbeitskreises der CSU mahnte Wolfgang Huber einen christlichen Umgang mit Flüchtlingen an.
Professor Wolfgang Huber (mit Mikrofon) schrieb der CSU Leitlinien für christliches Handeln ins Stammbuch. Weitere Personen von links: Bundesminister Christian Schmidt, Landesvorsitzender des EAK, Bundestagsabgeordnete Silke Launert und Moderator Jürgen Henkel, Bezirksvorsitzender des EAK Oberfranken.  Foto: Marion Krüger-Hundrup


Den stärksten Beifall erntete Professor Wolfgang Huber, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), aus der linken Seite des Saales im Stephanshof. Also von dort, wo die fränkischen CSUler saßen. Ob nun zufällige oder geplante "Zusammenrottung": Dass es innerhalb der CSU nicht nur stromlinienförmige Zustimmung zum Seehofer-Kurs in Sachen Flüchtlingspolitik gibt, wurde bei der Landesversammlung des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der Christsozialen in Bamberg mehr als deutlich.
"Geistliche Orientierung" sollte diese Versammlung nach dem Willen des EAK-Landesvorsitzenden, Bundesminister Christian Schmidt, geben, um "die kulturelle Lebensanschauung in Deutschland zukunftsfest" machen zu können.

Schmidt ließ keinen Zweifel daran, welche Lebensanschauung oder - anders gesagt - welches Leitmotiv er meinte: nämlich die "abendländische jüdisch-christliche Kultur".


Auch künftig ein Leitmotiv?

Der CSU-Politiker verkniff sich jedoch, in seiner Einleitung zum Huber-Referat Horrorszenarien über Gefährdungen durch den Islam respektive muslimische Flüchtlinge zu entwerfen. Schmidt nannte das an den evangelischen Theologen Huber vermittelte Vortragsthema: "Christentum: Nur noch ein unverhältnismäßiges Angebot für Minderheiten oder auch zukünftig ein Leitmotiv?"
In freier Rede gab Huber eine eindeutige Antwort: "Leitmotiv muss sein, dass wir als Christen jeden Menschen gleich welcher Herkunft und Religion als Ebenbild Gottes sehen." Das christliche Menschenbild lasse sich eben nicht auf Christen beschränken. Durch diese Sicht ergebe sich "zwingend menschliches Mitgefühl für Flüchtlinge und Migranten": "Wir haben die Pflicht, in die Schuhe des Nächsten zu steigen nach dem Gebot: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst", erklärte Wolfgang Huber und führte die "Goldene Regel" an: "Was du nicht willst, das man dir tu, füge keinem anderen zu."
Nächstenliebe und pragmatisches Handeln in der Flüchtlingsfrage "schließen sich nicht aus, das muss deutlich sichtbarer werden", mahnte Huber. "Politische Streitereien sind dabei nicht dienlich", ergänzte er. Es müsse akzeptiert werden, dass es in einer pluralen Gesellschaft Angehörige anderer Religionen gibt, für die ebenso die Religionsfreiheit gelte. Allerdings müsse von jenen verlangt werden, dass sie die demokratischen Grundregeln und Rechtsauffassung, die Gleichberechtigung von Frau und Mann anerkennen.
Der Redner wandte sich gegen den "falschen Ausdruck Säkularisierung", der lediglich ein "vorgefasstes Bild vom angeblichen Zerfall der Kirchen" ausdrücke: "Trotz Verfolgung wächst die Zahl der Christen weltweit". Säkulare Gesellschaft bedeute eigentlich, dass "niemand mehr glaubt": "Nur der Staat ist säkular und garantiert die Religionsfreiheit", betonte der Redner. Er warb darum, "selbstbewusst als evangelische Christen in ökumenischer Haltung" in der pluralen Gesellschaft zu wirken - "als Salz der Erde und mit öffentlichem Bekenntnis", woran es vielfach mangele, so Huber. Sein Rat an die Muslime hierzulande: "Nutzt die Religionsfreiheit bei Anerkennung der Rechtsordnung der BRD."
In der anschließenden Diskussionsrunde mit EAK-Vorsitzendem Schmidt und der CSU-Bundestagsabgeordneten Silke Launert ging Wolfgang Huber unter anderem auf die Frage aus dem Plenum ein, wie es CSU-Politiker schaffen könnten, der AfD und Pegida Paroli zu bieten. "Die Frage aller Fragen", meinte Huber und lieferte denn doch ein mögliches Rezept: "Die Besorgnis der Gesellschaft aufnehmen und im unmittelbaren Gesprächsaustausch helfen." Für den einstigen EKD-Ratsvorsitzenden schlägt die "Stunde der Zivilcourage und der Zivilgesellschaft". Huber würdigte die Hunderttausende von Ehrenamtlichen, die im vergangenen Jahr "Zeit für Asylbewerber eingesetzt haben".
Eher rhetorisch klang seine Frage an die CSU-Versammlung, ob "Deutschland tatsächlich angesichts von 65 Millionen Flüchtlingen in der Welt mit seinen Flüchtlingen überfordert ist?" Huber zeigte Verständnis für die Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die den Zwängen des Machbaren in der EU ausgeliefert sei.
"Es geht nur mit der Bundeskanzlerin", erklärte Stefan Kuhn, Vorsitzender des EAK im CSU-Kreisverband Bamberg. Er wurde gemeinsam mit Gisela Schlenker, Mitglied im Bamberger EAK, als einzige oberfränkische Vertreter in den Landesvorstand gewählt. Bundesminister Christian Schmidt wurde im Amt des Landesvorsitzenden durch Wahl bestätigt.