Druckartikel: In Bambergs US-Kaserne beginnt der Dornröschenschlaf

In Bambergs US-Kaserne beginnt der Dornröschenschlaf


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Montag, 07. Juli 2014

Schon in Kürze ist die Wasserversorgung in der gesamten US-Kaserne abgestellt. Die denkmalgeschützten Häuser der Lagarde-Kaserne werden nicht einmal mehr beheizt. Die Folgen könnten massiv sein, fürchten Experten.
Mit dem Kappen der Trinkwasser- und Stromversorgung beginnt die Zeit nach den Amerikanern in Bamberg. Die Lagardekaserne soll in diesem Winter auch nicht mehr beheizt werden.


Wenn Helmut Weis daran denkt, was in den Warner-Barracks in den nächsten Monaten passiert, dann trifft ihn das. Der langjährige Mitarbeiter im US-Standort kennt jeden Winkel der Kaserne wie seine Westentasche und muss nun erleben, wie Haus für Haus leer gemacht und vom Leitungsnetz getrennt wird.

Kein Strom mehr aus der Steckdose? Gibt es ein Symbol, was den unwiderruflichen Abzug der Amerikaner deutlicher vor Augen führen könnte?

In großen Teilen der US-Kaserne bleibt es aber nicht dabei. Hier werden neben der Strom- auch die Wasserversorgung und das auf Fernwärme basierende Heizungssystem still gelegt, wie Larissa Komnick von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) bestätigt. Zum Beispiel, die Lagardekaserne westlich des Berliner Rings.

Das 22 Hektar große Gebiet zwischen Zollner- und der Pödeldorfer Straße gilt als Schmuckstück der Kaserne, weil es aus einer Vielzahl denkmalgeschützter Gebäude aus Gründer- und Wehrmachtszeit besteht. In einem der Backsteinhäuser hatte bislang auch das amerikanische "Headquarter" seinen Sitz.

Doch das ändert nichts daran, dass auch hier bald die Lichter ausgehen. "Die Bima hat den gesetzlichen Auftrag, den Gebäudebestand der Bundesrepublik zum vollen Wert zu veräußern", sagt Komnick. Was erst einmal einfach klingt, schließt einen Abwägungsprozess ein, bei dem vor allem Zeit eine Rolle spielt. Anders formuliert: Der Staat wird immer bestrebt sein, die Kosten für den Erhaltungsaufwand mit den zu erwartenden Erlösen in Einklang zu bringen.

Das hat Vor- und Nachteile: Angesichts der Engpässe auf dem Bamberger Wohnungsmarkt hat sich die Bima dazu entschlossen, bei der so genannten Pines- und Flynn-Area mit 739 Wohneinheiten, bei den Highschool-Gebäuden und den beiden Sporthallen vorerst das Strom- und Wassernetz abzustellen, die Heizung aber auf niedrigem Niveau weiter laufen zu lassen. Zumindest für ein Jahr ist damit der Erhalt der Wohngebäude gesichert.

Anders ist das bei jenen Arealen, für die "keine unmittelbare Nachnutzung in Sicht ist", wie sich Komnick ausdrückt. Hier werden neben Strom und Wasser auch die Heizungsysteme entleert und abgestellt. Das bedeutet: Die Lagardekaserne wird bereits im nächsten Winter kalt wie eine Burgruine sein.

Wie riskant ein solches Unterfangen für die betreffenden Wohnungen und Werkstätten, für Büros und Aufenthaltsräume ist, darüber bestehen unterschiedliche Meinungen. Zwar sieht man auch bei der Bima mögliche wirtschaftliche Schäden am Immobilieninventar, etwa die Gefahr einer Verkeimung der Trinkwasserleitungen. Dennoch geht der Bund davon aus, dass sich die Wohnungen mit gewissem Aufwand wieder werden reaktivieren lassen.

Bei der Stadt ist man da schon skeptischer. So schätzen die Stadtwerke die Gefahr von Folgekosten vor allem deshalb hoch ein, weil das Leitungsnetz der Kaserne sehr groß dimensioniert ist. Schon nach fünf bis sechs Monaten sei mit einer Verkeimung zu rechnen, sagt uns Jan Giersberg - ein Risiko, das auch deshalb als hoch einzuschätzen ist, weil die deutsche Trinkwasserverordnung den dauerhaften Einsatz von Chlor nicht zulässt.

Teuere Abdichtung der Leitungen

Dazu kommt die Gefahr von Korrosion und Frostschäden an den Heizungsleitungen. Zwar will die Bima die Leitungen nach eigenen Auskünften mit Druck ausblasen lassen, doch die Stadt zweifelt daran, dass dies tatsächlich bis in den letzten Winkel so erfolgt. Laut Stadtwerken drohen ernst zu nehmende Korrosionsschäden im Netz, wenn die Leitungen nicht fachmännisch entleert, abgedichtet und mit Stickstoff verfüllt werden. Und da der Stickstoff immer wieder nachgefüllt werden muss, kostet das eine sechsstellige Summe im Jahr. Freilich: Würde man die Heizung laufen lassen und die Gebäude gegen Frostschäden wappnen, wäre das noch teurer.


Dennoch weiß auch die Bima, dass längerer Leerstand für Immobilien die schlechteste Perspektive ist. Larissa Komnick hofft deshalb auf eine "schnelle Nachnutzung" des US-Gebäudeparks. Zeitdruck, den auch die Stadt nicht abstreitet: "Wir hätten es gerne gesehen, wenn die Bima die Lagardekaserne im nächsten Winter noch beheizen würde. "Aber wir sind nicht der Eigentümer", sagt Konversionsreferent Christian Hinterstein.

Was ist auf dem Gelände der Lagardekaserne eigentlich geplant? Zwar haben sich Hoffnungen zerschlagen, dass die Bayerische Bereitschaftspolizei größere zusätzliche Flächen übernimmt, dennoch sieht Hinterstein gute Chancen für eine gemischte Fläche mit Dienstleistung, Wohnen und Handel.

Wie dies gelingen kann, zeigen Häuser an der Pödeldorfer Straße, die bereits in den 90er-Jahren in die zivile Nutzung übergegangen sind. Sie werden heute unter anderem als attraktiver Wohnstandort genutzt.
Allerdings wird es eine solche Neuordnung nicht von heute auf morgen geben. Die nötigen Altlastenuntersuchungen sollen erst nach der Übergabe des US-Geländes an die Bima erfolgen, die nach derzeitigem Stand für Dezember 2014 stattfindet.

Auch die Wertermittlung der Kaserne ist nicht vor Frühling 2015 zu erwarten. Die Uhr für Bambergs Konversion beginnt zu ticken. Jeder Monat, der verstreicht, mindert den Wert der Immobilienschätze.