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In Bamberg ein echtes Problem: Urlaubslaune trifft Alltagsstress


Autor: Jutta Behr-Groh

Bamberg, Donnerstag, 20. November 2014

Schöne Städte und gute Hotels gibt es inzwischen überall. Das Salz in der Suppe aber sind die Einheimischen: Sie machen das Besondere eines Reiseziels aus. Das erkennt man auch in Bamberg und gelobt den Dialog mit den Kritikern.
Bamberg boomt als Reiseziel. Für manche Einheimischen ist die Grenze erreicht bis überschritten. Archivbild: Ronald Rinklef


"Ganz schön viel los in Bamberg", findet Sebastian Gries. Und das mitten im November. Wäre er im Sommer gekommen, hätte Gries - Mitarbeiter des Beratungsunternehmens für Tourismus und Freizeitwirtschaft Kohl & Partner - am eigenen Leib erlebt, worüber sich Einheimische zunehmend aufregen: von Touristen "verstopfte" (Rad-)Wege, zugestellte Haustüren und Einfahrten, scheinbar rücksichtslos herum stehende, wildfremde Menschen.

Die Hochsaison ist vorbei, die Besucherströme haben abgenommen. Zeit, um die "Emissionen" einer Branche zu beleuchten, die für Bamberg einerseits ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden ist, andererseits die Belastungsgrenzen erreicht zu haben scheint.

Dessen sei man sich beim städtischen Tourismus- und Kongress-Service (TKS) durchaus bewusst, sagt ihr Leiter Andreas Christel. Er betont: "Es ist uns auch nicht wurscht.

Wir wollen, dass sich die Bamberger in ihrer Stadt wohlfühlen."

Der Tourismusdirektor kündigt einen verstärkten Dialog mit den Einheimischen an. Wie er aussehen könnte, zeigte jüngst eine Veranstaltung im TKS-Haus. Referent war Sebastian Gries, anschließend moderierte Kabarettist Mac Härder eine Diskussionsrunde. Dabei ging es um Fragen wie: Was finden Sie am Schlimmsten: Junggesellenabschiede, Kreuzfahrttouristen, Studierende, Events oder Saufgelage im Sand? Möchten Sie in der Altstadt wohnen? Wie könnte man die samstäglichen Staus der Touristen zwischen Oberer Brücke und Dom in der Hochsaison entzerren?

Es hätte eine spannende Diskussion geben können - wenn mehr jener Bürger da gewesen wären, die den boomenden Tourismus vorwiegend negativ zu erleben scheinen. Es war wohl der vormittäglichen Uhrzeit geschuldet, dass vorwiegend Vertreter der Hotellerie, Gästeführer und Verwaltung teilnahmen - ein Kreis, der seinerseits die massive Tourismus-Kritik in Bamberg eher kritisch sieht und eine negative Außenwirkung fürchtet.

Stolz aktivieren

Die bereitet auch Christel Sorge. Sie könne sich mittel- und langfristig nachteilig auswirken. Dabei zeigt er sich überzeugt, dass die Grundhaltung der meisten Bamberger vom Stolz auf ihre Stadt geprägt ist.

Den müsse man nur immer wieder aktivieren, empfiehlt Experte Gries. Zum Beispiel mit Stadtführungen nur für die Einheimischen. Vor allem aber im Dialog. Denn das Hauptproblem ist aus Sicht des Beraters ein emotionales: Konflikte entstünden, weil "die Gäste in ihrem Urlaub auf unseren Alltag treffen". So entwickle sich leicht ein negatives "Bauchgefühl" den Touristen gegenüber.

Beispiel Kreuzfahrttouristen: Obwohl sie nach den aktuellsten Zahlen des TKS nur 1,4 Prozent aller 6,3 Millionen Tagesgäste ausmachen, spielen sie in der Wahrnehmung eine sehr große Rolle. Der Grund liegt auf der Hand: Sie sind einfach nicht zu übersehen, wenn hunderte von ihnen gleichzeitig durch die Altstadt geführt werden.

Riskiert Bamberg durch eine kritische Einstellung seiner Bürger Ansehen und Einnahmen aus dem Tourismus? Gries schließt das nicht aus. Umso wichtiger sei es, Konfliktpotenzial aus der Welt zu schaffen, ehe es sich wirtschaftlich niederschlägt.

Der Tourismus-Berater glaubt, dass in Zukunft die Menschen, die in einer Stadt leben, das wichtigste Kriterium dafür sein werden, ob sich der Fremdenverkehr an einem Ort auf hohem Niveau halten kann oder nicht. Sie seien quasi die individuelle "Software", während die "Hardware" wie Städte, Regionen und Hotels inzwischen überall einen vergleichbar guten Standard erreicht habe. Seine Schlussfolgerung daraus: Will eine Stadt für Besucher attraktiv bleiben, kommt sie nicht umhin, die Sorgen der Einheimischen ernst zu nehmen.

Da sieht Gries die Politik genauso in der Pflicht wie alle Gewerbetreibenden, die vom Tourismus profitieren. Das Schlimmste sind nach seinen Aussagen verhärtete Fronten und Feindbilder. Besser sei: miteinander reden, zuhören, gemeinsame Ziele entwickeln, einander ernst nehmen, Mitwirkungsmöglichkeiten schaffen.