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In Bamberg arbeiten über 6000 für Niedriglöhne


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Dienstag, 22. Oktober 2013

Auch in Bamberg arbeiten viele Menschen unter dem von der SPD geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Die Gewerkschaft hofft, dass die Koalitionsvereinbarungen dem stark gewachsenen Niedriglohnsektor in der Region den Boden entziehen. Unternehmer fürchten, dass das Gegenteil eintritt.
Was wird sich ändern, wenn in Bamberg ein gesetzlicher Mindestlohn Einzug hält?   Illustration: Carolin Höfler


Josefine Elst ist das Gesicht hinter einer Zahl. 11502 Menschen in Stadt und Landkreis Bamberg arbeiten unter der so genannten bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle von 9,54 Euro pro Stunde, knapp 20 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten. Vor allem in Handel und Gastronomie liegen die Einkommen teils deutlich darunter. Von solchen Hungerlöhnen kann niemand leben. Dennoch gibt es Tausende, die es müssen - weil sie keine Wahl haben, und weil es der Markt zulässt.

Mit 5,60 Euro nach Hause

Auch Josefine Elst ist so ein Fall, ein krasser. Die Frau, die in ihrem ursprünglichen Beruf wegen wegen einer Sprachbehinderung keine Anstellungschancen hatte, arbeitete zwei Jahre in einer Gaststätte - als Spülhilfe, als Putzkraft, als Aushilfsköchin. Die anfängliche Dankbarkeit, nach Jahren der Arbeitslosigkeit einen Job gefunden zu haben, wandelte sich schnell in Enttäuschung, als der Lohn sank statt zu steigen: von 6 Euro auf 5,60 Euro die Stunde. Ihr Monatseinkommen von 800 Euro reichte nicht aus, um davon die Kosten, unter anderem die Miete von 400 Euro, zu bestreiten.

Die Schattenseiten des "Jobwunders", Minijobs, Niedriglöhne, so genannte Werkverträge - kaum irgendwo kennt man sie besser als beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in der Herzog-Max-Straße. Jetzt, wo sich abzeichnet, dass im Rahmen einer schwarz-roten Koalition auch der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro Einzug halten könnte, hört man den Vorsitzenden Mathias Eckardt förmlich aufatmen: "Das wäre in jedem Fall ein großer Fortschritt. Viele Beschäftigte im Dienstleistungssektor müssen nach wie vor von Löhnen von fünf bis sechs Euro auskommen. Auch hier in Bamberg."

Die Zahlen, die der DGB für das "Bündnis Soziales Oberfranken" zusammen mit kirchlichen Organisationen zusammengetragen hat, sprechen den Jubelmeldungen von einer Rekordbeschäftigung in Deutschland Hohn: Da gibt es nicht nur den stark gewachsenen Niedriglohnsektor; da ist auch die Heerschar von Mini-Job-Besitzern, die maximal 450 Euro im Monat verdienen dürfen. In Bamberg hat diese Gruppe seit 2002 um 73 Prozent, im Landkreis gar um 121 Prozent zugelegt. "Ganze Bereiche der Wirtschaft haben reguläre Beschäftigung in Minijobs umgewandelt, um Kosten zu sparen" , sagt Eckardt. Die Leidtragenden sind die Beschäftigten, für der Minijob zum Hauptjob wird. Und das sind viele: In Bamberg waren es im Juni 2012 7 743 , im Landkreis 7180 Menschen, für die der Mini- kein Nebenjob war.

Verdeckte Subventionen

Schließlich die Zahl der so genannten Aufstocker. Auch in Bamberg buttert der Staat kräftig zu, um die Maschine am Laufen zu halten. Die Zahlen der Agentur für Arbeit belegen es. So erhielten im September 2012 1314 Menschen im Raum Bamberg Geld vom Staat, weil ihr Einkommen für das Nötigste nicht reicht - eine verdeckte Unternehmenssubvention.

Dennoch ist selbst der Mindestlohn von 8,50 Euro bei den Arbeitgebern umstritten. Volker Wrede, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbandes Bamberg, beschäftigt unter anderem im Liveclub 50 Mitarbeiter und er zahlt, wie er sagt, schon beim Einstieg deutlich mehr als die 8,50 Euro. Doch von "staatlicher Reglementierung" hält Wrede wie die meisten seiner Kollegen nichts. "Was wird dabei rauskommen? Die schwarzen Schafe werden wieder ein Schlupfloch finden."

Auch bei der Handwerkskammer für Oberfranken hält sich die Begeisterung in Grenzen. Zwar sieht man beim Thema Mindestlohn in erster Linie die Tarifvertragsparteien gefordert, dennoch fürchtet Hauptgeschäftsführer Thomas Koller, dass vor allem dort Arbeitsplätze wegfallen könnten, wo der Markt keine höheren Löhne hergibt, also etwa bei Aufstockern. Einen Mindestlohn ohne "Ausnahmetatbestände" hält er für nicht vertretbar.
Warnende Töne kommen auch von der Zeitarbeitsbranche, die im vergangenen Jahrzehnt eine stürmische Entwicklung hingelegt hat. Zum Beispiel die Personalvermittlung Hofmann, die von Nürnberg aus ein Heer von 15 000 Zeitarbeitern steuert. "Ein Mindestlohn berücksichtigt zu wenig die Situation einzelner Branchen und die wirtschaftliche Situation einer Region", sagt Inhaberin Ingrid Hofmann. Sie fürchtet, dass sich Dienstleistungen zu schnell verteuern könnten und dann nicht mehr so stark nachgefragt werden. Ergebnis wären Kündigungen von Mitarbeitern.
Auf dem flachen Land freilich hat sich der Wind längst gedreht. Anders als in der Stadt, wo Studentenmassen und sozial Benachteiligte den Konkurrenzdruck nach wie vor steigen lassen, sind es hier bereits Unternehmer, die händeringend nach Mitarbeitern suchen. Wie Jürgen Grimmer, der in Trabelsdorf Hotel und Gastronomie im Alten Kurhaus betreibt. Für ihn ist der Mindestlohn schon deshalb "gerechtfertigt", weil die Arbeit in der Gastronomie mit Nacht- und Feiertagsdiensten ja nicht gerade zu den einfachen gehört. Dann auch noch schlecht zu bezahlen... auf diese Weise werde man keine guten Mitarbeiter finden.








































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