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Immer mehr Hecken werden zu Hackschnitzeln


Autor: Michael Wehner

Burgwindheim, Freitag, 22. Februar 2013

Das Heizen mit Hackschnitzeln ist zum Fluch für die fränkische Heckenlandschaft geworden. Noch nie wurden im Landkreis so viele Feldgehölze abrasiert wie heuer. Macht der neue Ökovandalismus Schule? Ein Beispiel aus Burgwindheim.
Sieht so das Ergebnis einer Heckenpflege aus oder soll hier ein Jahrhunderte alter Hohlweg in Euros umgewandelt werden? Fragen, die man sich in Burgwindheim stellt.   Fotos: R. Rinklef


Winfried Zeck kennt sich aus mit der fachgerechten Pflege von Hecken. Alle zehn bis 15 Jahre sollen sie auf Stock gesetzt werden, einen Handbreit über dem Boden. "Einen Streifen von 20 Meter soll man die Büsche entnehmen", sagt er, "dann wieder 20 Meter unberührt lassen". Damit die Natur sich schnell wieder erholen kann und auch Insekten, Vögel und Nagetiere Nahrung und Schutz finden.



Mit fachgerechter Heckenpflege hat das, was Anfang des Monats rund um Burgwindheim passiert ist, nichts mehr zu tun. Winfried Zeck, früher Mitgliede eines Landschaftspflegeverbands, ist erschüttert, wenn er den Hohlweg zum Grillplatz hochfährt, im Sommer ein belieber Wanderweg nach Oberweiler. Oben wartet der Berg mit der schönsten Aussicht auf die 1800-Seelengemeinde auf.

Dort sieht seit kurzem so aus, als hätten Bomber der vereinigten Nato-Streitkräfte die Steigerwaldszenerie unter Beschuss genommen. Wo früher ein dichter Wald den Hohlweg säumte, ragen jetzt verstümmelte Eichen, Kiefern und Buchen ihre Äste traurig in die Höhe. Vor einer früheren Abholzungsaktion bestand hier sogar ein Naturdenkmal.

"Kahlschlag", sagt Zeck. "Das Gegenteil von nachhaltig. Auch ein Baum ist ein Geschöpf, das eine Würde hat." Glaubt man dem ehemaligen Lehrer und Vorstandsmitglied der Jagdgenossenschaft, wurden an vier Wegen rund um Burgwindheim und auf immerhin fünf Kilometern Länge so ziemlich alle Regeln ignoriert, die eine professionelle Heckenpflege von einem brutalem Ausholzen unterscheidet. Selbst landschaftsprägende Altbäume wurden von den großen Greifarmen der Erntemaschinen wie Zahnstocher abgezwickt. Überhaupt, was heißt hier Heckenpflege. Auf den großen Holzhalden, die sich sich seit kurzem rund um Burgwindheim türmen, finden sich Hunderte von Altbäumen, teilweise mit 60 Zentimeter Stammdurchmesser. sogar Kirsch- und Apfelbäume sind darunter. "Die intakte Natur ist das einzige Kapital, das Burgwindheim hat", sagt Zeck. Er schätzt die Masse an Stamm- und Astmaterial auf 800 bis 1000 Raummeter.

Der Kahlschlag an den Hängen ihres Tals ist den Burgwinderheimern nicht verborgen geblieben. Die Meinungen sind geteilt: Manchen Einwohner lässt das Geschehen kalt, andere wieder sind von der Rücksichtslosigkeit verärgert, mit der hier gewütet wurde. Klaus Walter Weber etwa spricht offen von "Raubbau". Die beiden Gemeinderätinnen Katharina Lehnert (Bürgerblock) und Ute Seven (Freie Wähler) sind sich einig: "Mit Heckenpflege hat das nichts mehr zu tun. Hier hat man gnadenlos zugeschlagen."

Der Vorwurf trifft den Ersten Bürgermeister der Marktgemeinde, Heinrich Thaler (CSU). Weil es sich um Gemeindewege handelte, war er es, der ein privates Forstunternehmen aus der Umgebung mit der Ausholzung beauftragt hat. Thaler, Mitglied im Vorstand des Vereins der Nationalparkgegner "Unser Steigerwald" , räumt zwar ein, dass man das Ganze "wohl etwas sensibler" hätte angehen können, stellt sich im Prinzip aber hinter die Arbeit, die hier geleistet wurde: "Wir mussten die Verkehrssicherheit herstellen und das Lichtraumprofil über dem Weg freimachen", sagt Thaler. Die von Zeck genannte Menge an geerntetem Holz hält er für übertrieben. "Das sind keine 300 Schüttraummeter."

Unumstritten ist, was mit den Holzmassen aus den Burgwindheimer Hohlwegen nun passiert: Sie wandern in eine Häckselanlage und danach in die gemeindeeigene Hackschnitzelheizung. Wärme für die Schule:. Dass mit dem Holz Geld verdient wird, bestreitet Thaler. "Dazu sind die Arbeiten viel zu aufwändig."
Über diese Aussage kann man im Bamberger Landratsamt nur schmunzeln. Für den Schüttmeter Hackschnitzel werden je nach Qualität derzeit zwischen acht und zwölf Euro bezahlt. Der Holzpreis hat sich in den vergangenen acht Jahren verdoppelt.

Klaus Then von der Unteren Naturschützbehörde kann ein Lied davon singen, wie diese Entwicklung die Landschaft im Landkreis Bamberg zu verändern droht. Burgwindheim ist kein Einzelfall. Vergleichbare Rodungen fanden in diesem Winter in nicht gekanntem Ausmaß in Hirschaid, bei Frensdorf und in Schlüsselfeld statt. Aber auch in Bamberg, Bischberg und Stegaurach und bei Gundelsheim ist man mit den Bäumen und Büschen entlang der Wege und Straßen alles andere als zimperlich. Und fast überall gehört zerfetztes Holz zum traurigen Begleitbild der mit großer Wucht und Geschwindigkeit arbeitenden Fällmaschinerie.

Die neue Radikalität im Umgang mit Natur kommt nicht von ungefähr. In den vergangenen Jahren wurden im Landkreis zahlreiche Hackschnitzelheizungen gebaut, die nun gefüttert werden wollen. "Der Druck auf die Landschaft ist enorm, seit auch die Staatforsten kaum noch Holz abgeben", sagt Klaus Then. Dabei ist es nicht einmal illegal, die Pflanzenwelt auszuschlachten wie ein altes Auto. Das Naturschutzgesetz verlangt zwar ein fachgerechtes Vorgehen, verbietet aber nicht den Kahlschlag, sondern nur das Roden der Wurzeln.

Was fachgerecht ist, das wird man im Landkreis Bamberg in Zukunft wieder verstärkt in Erinnerung rufen müssen, deutet Klaus Then an. Dem hemmungslosen Ausräumen der Kulturlandschaft mit allen Folgen für Artenschutz und auch den Menschen will man im Landratsamt jedenfalls nicht tatenlos zusehen. Für Winfried Zeck kommt dieses Bekenntnis freilich zu spät: "Die Verluste in Burgwindheim sind unwiederbringlich."