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Im Landkreis Bamberg: 60 Stunden kein Strom und Wasser


Autor: Sabine Christofzik

Gundelsheim, Freitag, 18. November 2016

Spotten über Hamsterkäufe und Tipps zur Vorratshaltung kann jeder. Wie schnell einem das Lachen vergeht, zeigt dieser Test.
Wasser schöpfen für die Toilettenspülung - im Ernstfall müsste man wohl zu dieser Methode greifen. Foto: Ronald Rinklef


Geht es all den Hamstern noch gut? Das wird man doch fragen dürfen - schließlich wurden hunderttausende dieser Tierchen vor einigen Monaten von Menschen überall in Deutschland gekauft.

Was wurde nicht alles gemutmaßt, als die Bundesregierung im August ihr neues Zivilschutzkonzept vorstellte. Keine Gelegenheit zu bissigen Bemerkungen über "Hamsterkäufe" blieb ungenutzt. So schnell schon wieder vergessen?

Nicht gackern, sondern ausprobieren. Dann kommt die Erkenntnis von selbst, was in den persönliche Notvorrat gehört. Nur wer erfahren hat, wie es ist, länger als nur ein paar Stunden ohne Elektrizität auskommen zu müssen - in Zeiten, in denen vom Strom fast alles abhängt - kann mitreden.


Staub saugen ohne Staubsauger

Die letzten zweieinhalb Tage eines Herbst-Urlaubs ließen sich amüsanter verbringen, als zu testen, wie sich im Taschenlampenlicht der nächtliche Gang zum Toiletten-Karton am besten bewerkstelligen lässt, oder verstreute feine Haferflocken vom Teppichboden restlos entfernbar sind.

Es kommt nicht darauf an, ob dieses Krisen-Szenario tatsächlich so eintreten könnte und welche Katastrophen es außerhalb der eigenen Wohnung auslösen würde. Einfach mal angenommen, es fiele für einige Tage (deutschlandweit) der Strom aus. Selbst durchzuspielen, wie der Alltag dann aussieht, ist der beste Weg zur Erkenntnis, was (noch) fehlt im Haushalt.

Was hat die Hand am Lichtschalter zu suchen, obwohl ich mir beim Aufschließen der Wohnungstür eingeschärft habe, bloß nicht zu vergessen, dass das Experiment jetzt startet? Es ist zum Glück noch dämmrig, als das Auto abends am 31. Oktober nach einem Besuch in Hessen auf den Hof rollt. Für den Weg durchs Treppenhaus reicht das Restlicht dieses strahlend schönen Tags.


Alles am Platz

Feuerzeuge in einer Küchenschublade, Streichhölzer beim Kerzenvorrat im Wohnzimmerschrank. Immer eine Taschenlampe auf dem Nachttisch und eine neben dem Telefon. Suchen muss ich nicht. Nur feststellen, dass das nie benutzte Exemplar auf dem Schreibtisch nur noch ein schwaches Blinzeln zustandebringt und nach einigen Minuten den Dienst ganz einstellt.

Bei einem echten langfristigen Stromausfall müsste ich nun, statt Fressalien einzulagern, überlegen, was ich mit den ganzen zimmerwarmen Lebensmitteln im Kühlschrank anfange. Und die schon lange nicht abgetaute Eisschicht im Gefrierfach .... au weia, die Gummidichtung hat das Wasser nicht am Rauslaufen gehindert.

Schreck lass nach! Der Gefrierschrank im Keller. Das Vergnügen hatte ich erst im vergangenen Jahr "in echt", als die Tür nicht ganz zu war und das Warn-Piepsen des Geräts erst nach dem auswärts verbrachten Wochenende auf offenen Ohren stieß. Wohin mit dem an- und aufgetauten Zeug? Die Hausmitbewohner werden mit Sicherheit schneller gewesen sein, beim Vollstopfen der Mülltonne.


Wohin damit, wohin damit?

Nun meldet sich der Wunsch nach Entsorgung des ganz persönlichen Mülls. Der Spülkasten der Toilette ist noch voll Wasser. Aber er wird sich nicht mehr füllen. Bei einem Tage andauernden großflächigen Stromausfall kommt irgendwann auch die allgemeine Trinkwasserversorgung zum Erliegen. Pumpen laufen nur mit Strom.

Drei Sechserpacks Mineralwasser (still) in 1,5-Liter-Flaschen lagern im Keller. Die werde ich nur sehr sporadisch für die Toilettenspülung einsetzen. Zum "Verdünnen". Hätte ich mir mal früher darüber Gedanken gemacht, was mit "Groß" und "Klein" passieren soll! Nicht einmal ein Eimer mit Deckel ist vorhanden. Wie dringend der gebraucht wird, stellt sich in den nächsten Tagen heraus.


Der gute alte Nachttopf ist out

Weiß jeder wohin mit seiner (pardon) Kacke, im Fall des Falles? Auch wer jetzt die Nase rümpft, sollte darüber nachdenken. Loch im Garten? Nicht jeder hat einen. In freier Natur deponieren? Nicht dabei erwischen lassen. Biotonne? Bedenklich, bei mehreren Wohnparteien im Haus.

Ein Campingklo dürften die wenigsten daheim haben. Der Nachttopf ist aus der Mode gekommen. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: schmaler Karton, mit jeweils frischer Lage Zeitungspapier, das war die Methode meiner Wahl. Für die Lagerung mussten zwei Keksdosen dran glauben. Wie wohl eine große Familie vorgehen würde?
Wie schnell 27 Liter Mineralwasservorrat zur Neige gehen, hätte ich nie geglaubt. Duschen fällt aus. Kochen auch. Aber Waschen muss sein. Und bisweilen braucht man dazu, bedingt durch frauenbetriebstechnische Gründe, mehr als nur einen nassen Waschlappen.

Über Felder zu stiefeln, um auf dem kürzesten Weg Wasser aus dem Bach zu holen, erscheint mir für das Experiment unangebracht. Hätte ich dennoch mal tun sollen - weil ich mich tatsächlich dabei ertappt habe, darüber nachzudenken, wie mühsam das sein muss. Das sind echte Erste-Welt-Probleme! Millionen von Menschen sind auf Brunnenwassser angewiesen, für das sie weite und beschwerliche in Kauf nehmen müssen.


Sicherheit geht vor

Es ist übrigens immer noch der erste Abend des Experiments. Wenn es in meinen Vorräten an etwas nicht mangelt, dann sind das Kerzen in allen Formen und Farben. In Ratgebern ist zu lesen, dass man genügend Batterien im Haus haben soll - was man freilich erst ernst nimmt, wenn sich herausstellt, dass zwei Taschenlampen jeweils einmal frisch bestückt werden könnten und für das kleine Radio in der Küche überhaupt nichts da ist.
Mit brennender Kerze (wenn auch hinter Glas) in der Wohnung herumzumarschieren, sollte zweite Wahl bleiben. Lesen bei Kerzenschein ist dagegen weniger gefährlich.

So lange es draußen hell ist, fallen die Einschränkungen weniger ins Gewicht. Handy und Laptop bleiben aus, das Auto auf dem Parkplatz stehen. Die Verwendung jeden Tropfens Benzin müsste gut überlegt sein. Kein Strom, kein Kraftstoff an den Tankstellen!

An Allerheiligen ist sowieso nicht viel zu unternehmen, und der 2. November lässt sich auch rumkriegen. Im Ernstfall säße man wahrscheinlich genau so daheim. In der Redaktion liefe kein PC, in der "Zentrale" keine Druckmaschine. Und Not-Nachrichten über soziale Netzwerke verbreiten? Auch der Mobilfunk würde bei einem längeren Stromausfall "schweigen".

Der geringste Kummer in diesen zweieinhalb Tagen ist das Essen. Haferflocken, Zucker und H-Milch, Knäckebrot, Dosenfisch, süße und würzige Brotaufstriche im Glas sind immer in größerer Menge vorrätig. Damit ließe es sich einige Wochen aushalten.


Im Keller ist's auch nicht kühler

Das Problem ist, selbst Anfang November, die Kühlung, denn die Temperaturen draußen liegen tagsüber sehr deutlich über zehn Grad. Im Keller ebenso. Wohin also mit angebrochenen Milchkartons und angefangener Auberginencreme?

Wenn alles nur ein Planspiel ist, und überdies nicht Sommer, nimmt man das nicht so wichtig, wie man sollte. Anders sähe es aus, finge man sich durch mangelhaft gekühlte Esswaren einen Durchfall ein. Womit wir wieder beim Hauptthema wären.


Alles schon wieder vergessen?

Seit dem Experiment ist geraume Zeit vergangen. Was hatte ich mir nicht alles vorgenommen anzuschaffen, nach dem Gewinn doch manch unerwarteter Erkenntnis. Man wird viel zu schnell wieder sorglos. Einen Haufen Batterien habe ich besorgt. Und einen Eimer mit Deckel. Das war's dann aber auch.

Das geht so nicht! Deshalb wird der Vorrat in Kürze aufgestockt mit viel mehr Lebensmitteln, die auch angebrochen ungekühlt haltbar sind. Wichtigste größere Anschaffung: eine mobile Toilette (mit Plastikbeutel als Auffangsystem).

Außerdem: einige große Deko-Gläser, in die man Kerzen stellen kann; zwei bis drei Kanister für Wasser, die mehr als zehn Liter fassen, dazu ein Trichter mit großer Öffnung; Aufstocken der Mineralwasservorräte auf mindestens 40 Liter.

Ganz oben auf der Einkaufsliste auch: eine weitere, leistungsstarke "Powerbank" (Akku-Strom); eine Taschenlampe mit Dynamo, der per Handmuskelkraft in Gang gesetzt wird.