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Im grünen Rückenwind radeln - Der OB-Kandidat der Grünen ganz privat


Autor: Sebastian Schanz

Bamberg, Mittwoch, 04. März 2020

Als junger Vater kennt Jonas Glüsenkamp die Hürden, die Bamberg Familien in den Weg stellt. Der OB-Kandidat der Grünen gibt in unserer Portrait-Reihe auch überraschende Einblicke in sein Privatleben.
Auf seinem Sportbike erklimmt Jonas Glüsenkamp  die Bamberger Berge. Barbara Herbst


Wenn Jonas Glüsenkamp mit seinem "SUV" durch Bamberg fährt, dann müssen Passanten schon mal Platz machen. Sein "SUV", wie er ihn nennt, ist ein Transportfahrrad mit einem breiten Korb am Lenker - und neuerdings auch mit einem großen Konterfei des grünen OB-Kandidaten darauf. Die Farbe Grün ziert auch das hippe Sportbike, mit dem Glüsenkamp durch die Region düst und den Kinderanhänger - "unseren Kombi" - für den dreieinhalbjährigen Sohn und die bald einjährige Tochter. Alles mustergültig öko.

Doch der grüne Kandidat hat eine sprichwörtliche Leiche im Keller - beziehungsweise in der Garage: Er fährt einen VW Golf Diesel! "Ein Diesel ist für lange Strecken ein effizientes Fahrzeug", macht der 32-Jährige keinen Hehl daraus, warum er wenig davon hält, zwanghaft und überstürzt funktionstüchtige Dieselautos zu verschrotten, um neue Boliden zu kaufen.

Pragmatisch zeigt sich der studierte Volkswirt auch beim Thema Wohnen: Der junge Vater hält für seine Familie auf lange Sicht Ausschau nach einem kleinen Eigenheim in Bamberg, auch wenn er der Meinung ist, dass dieser Wohnform nicht die Zukunft gehört. Neu bauen wolle er deshalb nicht. Doch Bestand sollte genutzt werden.

Wie viele Familien spüren jedoch auch die Glüsenkamps den eisigen Wind auf dem Bamberger Immobilienmarkt, der Normalverdiener kalt erwischt. Um so mehr ärgert es ihn, dass in den Sozialen Medien das Gerücht kursiert, er wohne in einem schicken Eigenheim auf der Erba-Insel. "Das würde ich vielleicht gerne", sagt er dazu, grinst und schüttelt den Kopf. In seiner Altbauwohnung am Unteren Kaulberg lässt es sich aber auch gut leben. "Wir haben lange gesucht, zahlen aber auch so viel Miete, dass wir auf größere Urlaube verzichten." Geflogen sei er das letzte Mal vor zehn Jahren: nach New York. Mit den Kindern fallen die Urlaube deutlich kleiner und umweltfreundlicher aus: "Letztes Jahr waren wir am Silbersee in Hessen", erzählt Glüsenkamp auf seiner Dachterrasse mit Blick auf die Obere Pfarre. Die Sonne scheint auf ein paar voreilige Frühlingsblümchen. Eine Rattangarnitur und ein Kasten Spezial warten auf laue Abende.

Im Gang hängt eine große Fotocollage, die das Ehepaar zur Hochzeit geschenkt bekommen hat. Neben Kinderfotos aus dem 1400-Seelen-Dorf bei Osnabrück, in dem er aufgewachsen ist, zeigt ein Bild den jugendlichen Jonas als Jesus - verkleidet für ein Musical beim Weltjugendtag. Aus diesem kirchlichen Engagement für den christlichen Eine-Welt-Gedanken sei sein politisches Interesse gewachsen, erzählt Glüsenkamp. Mit 18 Jahren saß der Sohn eines Psychotherapeuten und einer Sozialpädagogin bereits für die Grünen im Gemeinderat. Weil er sich von den älteren Gremiumsmitgliedern den Vorwurf anhören musste, er kenne sich nicht mit Kommunalfinanzen aus, studierte er Volkswirtschaft.

Verliebt in die Sandstraße

So kam der Niedersachse nach Bamberg, verliebte sich als Student erst in die Sandstraße und die Stadt, dann auf der Bergkirchweih in Erlangen in seine heutige Ehefrau, eine gebürtige Bambergerin. Die 36-Jährige arbeitet als Kinderärztin in Teilzeit und ist aktuell wie Glüsenkamp in Elternzeit. "Es ist eine Herausforderung, Familie, Beruf und politisches Engagement unter einen Hut zu bekommen", sagt Glüsenkamp ehrlich, der als Referent bei einer Öko-Firma für regenerative Energie arbeitet. Die Suche nach Kinderbetreuungsplätzen habe ihm schlaflose Nächte bereitet. Manches seiner Hobbys sei dem Terminplan zum Opfer gefallen - wie das des Fußballschiedsrichters. Auch seine Sportvorsätze hat der 32-Jährige im Wahlkampf nicht einhalten können.

Die knappe Freizeit nutzt er lieber für Familienausflüge in den Wildpark Tambach oder in die Wolfsausstellung im Naturkundemuseum, auf einen Biobauernhof oder zur Selbsternte bei der Solidarischen Landwirtschaft, wo die Glüsenkamps ihr eigenes Gemüse anbauen. "Im Sommer schaut der Papa dann auch ab und zu mal auf einen Bierkeller", sagt Glüsenkamp. Einen weiteren Lieblingsort hat er am Pfahlplätzchen gefunden, dessen jüdische Geschichte ihn fasziniert und dessen "Fahrradchaos" er sympathisch findet. Dort parkt dann auch öfter mal der "SUV" der Glüsenkamps.

Glüsenkamps Galaxie

Wohnen Die Glüsenkamps wohnen zur Miete in einer Altbauwohnung mit Dachterrasse am Unteren Kaulberg und halten nach einem eigenen (Reihen-)Häuschen Ausschau. Essen Unter der Woche ernährt sich die Familie ungezwungen fleischlos (der Junior bekommt sein Leberwurstbrot, wenn er möchte). Ihr Gemüse bauen sie selbst in der Solidarischen Landwirtschaft an. Sonntags gibt's gern mal Schäuferla.

Mobilität Der "Fuhrpark" besteht aus drei Fahrrädern - Sportbike, Modell mit Kinderanhänger und Transportrad - und einem VW Golf Diesel.