Im "Chefarzt-Prozess" werden die Richter ungeduldig
Autor: Jutta Behr-Groh
Bamberg, Dienstag, 09. August 2016
Hinweise auf eine Verschleppungsabsicht durch die Verteidigung sieht das Gericht im Bamberger "Chefarzt-Prozess". Und setzt eine Frist.
Die seit Wochen angekündigten Beweisanträge der Verteidiger im "Chefarzt-Prozess" wurden auch am Dienstag, dem 63. Verhandlungstag, nicht gestellt. Dafür machte die Zweiten Strafkammer ernst und setzte den Anwälten von Heinz W. die angedrohte Frist: Längstens bis 5. September haben sie jetzt noch für Beweisanträge Zeit.
Der Prozess geht zwar am 17. August weiter. Der 5. September ist aber der erste Verhandlungstag nach der Urlaubszeit, an dem alle drei Wahlverteidiger wieder im Verfahren erwartet werden.
Vorsitzender Richter Manfred Schmidt begründete die Fristsetzung ausführlich. Er verwies auf höchstrichterliche Entscheidungen und auf den Stand des konkreten Verfahrens: "Das gerichtliche Beweisprogramm ist vollständig abgearbeitet."
Das ist eine der Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an eine Fristsetzung knüpft.
Kritik an Verteidigern
In der Verfügung sprach der Vorsitzende Richter erstmals von Anzeichen für eine Verschleppungsabsicht. Er erinnerte daran, dass die Verteidigung vom ersten Verhandlungstag an die Wahrnehmung ihrer prozessualen Rechte weitgehend ausgeschöpft habe, indem sie zum Beispiel eine Vielzahl von Beweis- und Befangenheitsanträgen gestellt und umfangreiche Erklärungen abgegeben habe. Schmidt hielt namentlich den beiden Verteidigern Professor Klaus Bernsmann und Katharina Rausch vor, dass sie ihre Beweisanträge nicht vor Antritt ihrer Urlaubsreise gestellt haben.Auch Rechtsanwalt Dieter Widmann musste sich kritisieren lassen, weil er ebenfalls einen von ihm angekündigten Beweisantrag schuldig blieb. Seine Sekretärin sei erkrankt, lautete Widmanns Erklärung.
Seit fast zwei Jahren in U-Haft
Schmidt ging auch auf die Tatsache ein, dass der Angeklagte seit beinahe zwei Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Dieser Umstand entkräftet nach seinen Worten nicht den Verdacht der Prozessverschleppung. Im Gegenteil: Eine Untersuchungshaft biete gegenüber einer möglichen Haftstrafe auch Vorteile, wobei er "insbesondere die Heimatnähe im Vollzug" meinte. Widmann kommentierte die deutlichen Worte des Kammervorsitzenden nur knapp: Das Vorgehen der Verteidigung habe "nicht das Geringste mit Verschleppungsabsicht zu tun".
Angeklagter referierte
Verhandlungstag 63 hatte damit begonnen, dass W. erneut Sacherklärungen verlas.
Diesmal zog er die Kompetenz und Unvoreingenommenheit des Labors in Zweifel, das unter anderem die Blutprobe der Hauptbelastungszeugin untersucht hat, sowie das Gutachten des Würzburger Rechtsmediziners Professor Dieter Patzelt.Am Rand des Verhandlungstags kam zur Sprache, dass der ehemalige Chefarzt gegen seine fristlose Kündigung durch die Sozialstiftung Bamberg geklagt hat. Das Arbeitsgerichtsverfahren liegt momentan wohl auf Eis.
Am 20. August 2014 wurde W. unter dem Verdacht festgenommen, zehn Patientinnen und zwei Beschäftigte im Klinikum sexuell missbraucht zu haben. Den Tatbestand der Vergewaltigung hat er nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft wenigstens zehn Mal erfüllt, indem er seine Finger oder Gegenstände in die Scheiden der Frauen eingeführt habe. Um dabei und beim Anfertigen von Fotos ungestört zu sein, soll W. seinen mutmaßlichen Opfern ein sedierendes Mittel gespritzt haben.
W. weist jegliche sexuelle Motivation von sich. Er hält sich für das Opfer eines Justizirrtums. Zweck der "Untersuchungen" und Bilder sei die Suche nach einer neuen Diagnosemethode bei Beckenvenenthrombosen gewesen.
Das Gericht hat unterdessen fünf weitere Verhandlungstage angesetzt: Die neuen Termine sind der 27. und 28. September sowie der 4., 5. und 12. Oktober. Beginn ist jeweils um 9 Uhr.