Im Bamberger Radhaus herrscht Flaute
Autor: Michael Wehner
, Freitag, 21. Sept. 2012
Ein Renommierprojekt der Stadt entpuppt sich als Draufzahlgeschäft. Das Radhaus am Bahnhof wird kaum angenommen. Dennoch gibt es Pläne, ein zweites zu bauen.
Es war eine Woche vor der OB-Wahl im März, als die Stadtspitze auf der Ostseite des Bamberger Bahnhofs den Beginn eines neuen Zeitalters einläutete. Bei Häppchen und Getränken feierten Politiker und Bürger die Freigabe der neuen Fußgängerunterführung, eines Park-und Rideplatz sowie des ersten vollautomatischen Radhauses in ganz Bayern.
Ein halbes Jahr später ist an der Brennerstraße Ernüchterung eingekehrt. Der Grund: Die Auslastung des Radhauses liegt weit unter der angestrebten Grenze zur Wirtschaftlichkeit. Im nicht öffentlich tagenden Aufsichtsrat der Stadtwerke wurden unlängst alarmierende Zahlen genannt, die die Öffentlichkeit bislang nicht erfahren durfte. Demnach lag die durchschnittliche Nutzerquote bei den 333 Stellplätzen in den Monaten März bis Juni bei nur 16,49 Prozent. Gerechnet hatte man offenbar mit einer Auslastung von 70 Prozent.
Peter Scheuenstuhl, Chef der Verkehrs- und Park GmbH der Stadtwerke, ist trotz der niedrigen Quote weit davon entfernt, das Radhaus als Flop zu bezeichnen. "In der Fahrradparkanlage stehen an guten Tagen häufig 90 bis 100 Räder. Das ist immerhin etwas. Wir müssen uns allerdings darauf einstellen, dass wir noch viel Überzeugungsarbeit bei den Radfahrern leisten müssen."
Warum das Radhaus in Bamberg trotz eines überschaubaren Obolus von 50 Cent am Tag nicht gut angenommen wird, erklärt sich bei einem Rundgang um den Bamberger Bahnhof wie von selbst: Die große Masse der Fahrrad fahrenden Bahnkunden bevorzugt nach wie vor kostenlose Stellflächen. Davon gibt es rund um den Bahnhof jede Menge, allerdings handelt es sich meist um wenig gepflegte Flächen.
Doch genau die sind den Stadtwerken ein Dorn im Auge. Dort glaubt man, dass der bislang fehlende Anreiz zur Benutzung des Radhauses nur durch eine "konsequente Bewirtschaftung" des ruhenden Fahrradverkehrs im gesamten Bahnhofsumfeld erreicht werden kann.
Im Klartext: Damit sich das Radhaus der Stadtwerke lohnt, sollen die kostenlosen Fahrradstellflächen am Bahnhof so weit ausgedünnt werden, dass die Radfahrer keine andere Möglichkeit mehr haben als das kostenpflichtige Radhaus zu benutzen. Scheuenstuhl spricht von der "Disziplinierung" der Radfahrer. Ziel sei es, die Radfahrer zum Benutzen der kostenpflichtigen Abstellanlage zu motivieren und ein ordentliches Bahnhofsumfeld herzustellen.
Das lassen sich die Stadtwerke einiges kosten: Nachdem der Umbau eines denkmalgeschützten Bahngebäudes zum vollautomatischen Radhaus an der Brennerstraße bereits mit stolzen 1,1 Millionen Euro zu Buche geschlagen hatte, soll nun im Westen des Bahnhofs eine zweite kostenpflichtige Abstellanlage für 300 000 Euro gebaut werden. Sie soll Platz für 190 Fahrräder bieten. Nur weil es im Aufsichtsrat zu kritischen Anmerkungen kam, lässt man sich noch etwas Bedenkzeit: "Wir wollen es bauen, diskutieren aber noch darüber, wann", sagt Scheuenstuhl.
Bamberger Stadträte, die auch Aufsichtsräte sind, sehen die Entwicklung am Bahnhof mit Skepsis, zumal das Radhaus nur eines von vielen Draufzahlgeschäften ist, die man den Stadtwerken in jüngster Zeit aufgebürdet hat. Dieter Weinsheimer von den Freien Wählern hat Zweifel, dass man das Problem rund um den Bahnhof mit mehr Reglementierung und Druck auf die Radfahrer in den Griff bekommt; es würde aus seiner Sicht nur zu einer Verdrängung kommen: "Es gibt immer genug Ausweichmöglichkeiten, die man nicht so ohne weiteres auflösen kann, etwa unter den Arkaden des Atriums", sagt Weinsheimer.
Er ist nicht allein: Auch CSU-Chef Helmut Müller gehört zu jenen, die schon immer Zweifel hatten, dass das Konzept funktioniert und die Bamberger Radfahrer, unter ihnen tausende Studenten, bereit sind, für das Abstellen ihrer "Bahnhofsräder" den Geldbeutel aufzumachen. "Die Erfahrungen aus meinem Umfeld sind da eindeutig negativ. Die jungen Leute zahlen das einfach nicht."
Auch die Stadtwerke selbst haben dazu beigetragen, dass die Begeisterung für das neue Radhaus nicht eben hohe Wellen schlägt. So wurden vorschriftswidrig parkende Räder in den letzten Monaten teils unter Zuhilfenahme von roher Gewalt in Gewahrsam genommen. Die Bambergerin Iris Höfener berichtet davon, dass die Stadtwerke ihrem Sohn kurzerhand das 66 Euro teuere Abus-Schloss durchgezwickt hatten, als er auf dem Platz parkte, das für Tandems und Sonderfahrräder reserviert ist. Für sie ein klarer Fall von Sachbeschädigung: "Wenn ich mein Auto ins Halteverbot stelle und es abgeschleppt wird, schlagen die Abschlepper ja auch nicht die Scheibe ein oder stechen die Reifen auf."
