IHK kritisiert die Bamberger Politik
Autor: Michael Memmel
Bamberg, Montag, 04. Juli 2016
Die "Jahrhundertchance Konversion" werde nicht genutzt, lautet der Vorwurf der Industrie- und Handelskammer. Zwei Fraktionschefs widersprechen.
Alles im Lot. So lässt sich die Konjunkturbefragung der IHK Oberfranken im Mai 2016 auf den Punkt bringen. Und doch sorgen sich die Vertreter der Selbstverwaltung der oberfränkischen Wirtschaft um die Zukunft der Stadt Bamberg. Der Rückgang bei den Gewerbesteuereinnahmen bereitet ihnen Bauchschmerzen. "Wenn die Attraktivität des Standorts leidet, weil die Stadt wegen fehlender Einnahmen nicht mehr ihre Aufgaben erfüllen kann, dann fehlen uns die qualifizierten Arbeitskräfte, die in die Region ziehen", erklärt Matthias Kremer, stellvertretender Vorsitzender des IHK-Gremiums Bamberg, bei der Vorstellung der Befragung.
Während die Stadt Bayreuth (+128 Prozent) und der Landkreis Bamberg (+49 Prozent) bei der Gewerbesteuer in den vergangenen Jahren ordentlich zugelegt haben, schrumpfte diese Einnahmequelle in der Stadt Bamberg um 20 Prozent - so stark wie in keiner anderen oberfränkischen Gebietskörperschaft.
Ein Grund für die negative Entwicklung sei der enge Zuschnitt der Stadt Bamberg bei der Gebietsreform 1972, meint der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Wolfram Brehm. Umso wichtiger sei es, die "Jahrhundertchance Konversion" zu nutzen. Doch die Hoffnungen, das in Bundesbesitz übergegangene ehemalige US-Militärgelände rasch in Gewerbeflächen und neuen Wohnraum zu verwandeln, "wurden enttäuscht", betont Kremer.
So würden die aktuell auf dem Muna-Gelände angepeilten Gewerbeflächen nicht mal reichen, um den Bedarf von 70 Hektar für Neuansiedlung oder Erweiterung von Betrieben bis 2030 zu decken - so eine IHK-Prognose. Diese Aussichten und die fehlende Planungssicherheit würden Unternehmer abschrecken, erklärt Brehm. Schließlich sei "die Hälfte der Wirtschaft reine Psychologie". Die Ankunfts- und Rückführungs-Einrichtung (Are) und die Bundespolizei blockieren einen Großteil der Konversionsfläche. Der Zuschlag für das digitale Gründerzentrum sei gut, doch darüber hinaus würden noch die Anbindung an das Medical Valley und ein Technologietransferzentrum benötigt.
Denken wie Alice im Wunderland
"Ich vermisst da eine gründliche und ehrliche Bestandsaufnahme", kritisiert Kremer und wirft dem gesamten Bamberger Stadtrat "Alice-im-Wunderland-Denken" vor. "So kann man diese Probleme nicht lösen." Brehm schlägt in die selbe Kerbe, wenn er fordert, Diskussionen abzukürzen, schneller zuzugreifen und mit einer Stimme zu sprechen. Die Chefs der beiden größten Fraktionen CSU und SPD weisen diese Kritik von sich. "Wir haben nichts verzögert, im Gegenteil, der Prozess hätte kaum besser und schneller vonstatten gehen können", betont Klaus Stieringer (SPD). Bei der Are ging es darum, Menschen zu helfen; in der Pines-Housing-Area entstanden günstige Wohnungen; die Bundespolizei sei eine Wirtschaftsansiedlung, die 600 bis 800 neue Arbeitsplätze nach Bamberg bringe und derzeit viele Handwerker beschäftige. Und in der Lagarde-Kaserne, für deren Erwerb derzeit alle Signale auf Grün stünden, besteht die Zusage für ein digitales Gründerzentrum. "Wir haben das Optimale gemacht", fasst Stieringer zusammen und bezieht ausdrücklich alle Bamberger Stadträte mit ein. Die Bewertung der IHK sei in erster Linie "politisch", doch eine solche Einordnung stünde ihr gar nicht zu.
So klare Worte findet CSU-Kollege Helmut Müller nicht, allerdings erklärt er auch, dass den Stadtrat keine Schuld treffe. Am ehesten sei das "Chefsache", also die Angelegenheit von Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD). Einen direkten Vorwurf wollte er diesem jedoch nicht machen, schließlich sei die Verwaltung hier sehr aktiv. Das entscheidende Problem aus seiner Sicht: "Das Gelände gehört uns halt nicht." Trotzdem frage er sich gelegentlich, ob "wir eine Möglichkeit gehabt hätten, den Prozess zu beschleunigen".
Ergebnisse der Konjunkturbefragung
Stimmung: 40 Prozent der Bamberger Unternehmer bewerten die Geschäftslage als gut, 12,9 Prozent als schlecht. 22,9 Prozent der Befragten (86) rechnen mit einer sich verbessernden Lage, 14,5 Prozent mit einer Verschlechterung. Die Zahlen liegen leicht unter dem oberfränkischen Schnitt.
Wachstum: Sowohl bei den Investitionen (Saldo +16,7 Prozent) als auch bei den Beschäftigten (Saldo +12,3 Prozent) wollen deutlich mehr Bamberger Unternehmer zulegen als abspecken. Beides sind die zweitbesten Werte im Kammerbezirk und liegen deutlich über dem Durchschnitt.