"Ich habe Pubertät" - Früher war alles anders - ganz anders
Autor: Michael Busch
Herzogenaurach, Freitag, 28. April 2017
Michael und Nicola Busch - Unser Redakteur, Vater einer 13-jährigen Tochter, schreibt seine Erfahrungen in einer wöchentlichen Kolumne auf.
Es gibt eine Frage nicht nur von pubertierenden Kindern, die kann einen ernsthaft in Bedrängnis bringen. Sie wirkt so unschuldig, so naiv, ein wenig neugierig. Doch es ist eine unfaire Waffe, die dort zum Einsatz kommt. Ein geschliffenes Schwert, das mit Widerhaken an mehreren Spitzen ausgerüstet ist. Auch Nicola ist eine Meisterin darin. Erst diese Woche nutzte sie diese Frage, um mich wieder einmal in die Enge zu treiben.
"Früher war das alles wohl ganz anders?" Dies garniert mit der ebenfalls unschuldigen Bemerkung: "Du hast sowas nie gemacht?" Touché - das saß. Was war der Grund für diese Art der Diskussionsführung? Aus meiner Sicht zunächst eine Lappalie. Nicola wollte gegen 20 Uhr nochmals zu einem Freund. Der hockt auf der anderen Seite unseres Dorfes und feierte dort mit sechs anderen Jungs. Allein das ist aus väterlicher Sicht ein siebenfacher Grund das Begehr meiner Tochter abzulehnen. Sieben Knaben! Doch wesentlicher war, ich schwöre, dass ich es für nicht richtig halte, dass meine 13-Jährige um diese Uhrzeit, zu dieser dunkleren Jahreszeit, noch durch die Gassen zieht und irgendwo Party macht.
Gefühlte Tausende "Warums?" später und einer klaren Absage durch mich, bot Nicola einen Kompromiss an: "Und wenn die Jungs zu mir kommen?" Klar, sieben Jungs, ich schaue in Ruhe meinen dänischen Krimi, und alles wird gut. "NEIN!" Trotzig und murrend trollte sich Nicola in ihr Zimmer. Dann aber kam es zur Eskalation. Denn trotz einem skandinavischen Gemetzel auf dem Bildschirm nahm ich wahr, dass es aus dem Zimmer meiner Tochter verdächtig laut war. Als ob dort eine Horde Jungs eingefallen sei, um eine Party zu feiern.
Blitzschnell ging es von der Couch in den ersten Stock, um kriminalistisch für eine Aufklärung zu sorgen. Da war tatsächlich nur Nicola in ihrem Zimmer. Keine Galane, die einen Balztanz aufführten. Die standen nämlich auf dem Garagendach, das genau vor Nicolas Zimmer ist. Auf meinem Garagendach! Höflichst wies ich die drei Jungs (respektive zwei, einer flüchtete unmittelbar bei meinem Erscheinen) darauf hin, dass dies meine Garage sei und sie sich möglichst schnell trollen sollten. Weniger höflich erklärte ich Nicola, dass dieser Betrug Folgen haben werde. Und da kam diese Frage: "Früher war das alles wohl ganz anders? Du hast sowas nie gemacht?"
Darf ich meine Kinder anlügen? Geht Erziehung vor Wahrheit? Ist die Wahrheitsliebe nicht ein Teil der Erziehung? Sagen Sie, verehrter Leser, jetzt nicht leichtfertig: "Kein Problem, ich habe sowas nie gemacht!" Ich habe sowas gemacht. Ich war sogar heimlich in einem Zimmer einer Freundin. Eine ganze Nacht. Alleine mit ihr. Ihr Vater hätte mich vermutlich verprügelt, wenn er mich erwischt hätte. Doch kann ich das Nicola erzählen? Nein, es gab nur eine Antwort, die mir legitim erschien: "Ich war brav und habe immer auf meine Eltern gehört!" Ich habe vor Jahren geschworen, dass ich diesen Spruch ebenso wenig bringe wie den Satz "Solange Du Deine Füße unter meinem Tisch hast". Zu spät. Lieber einen Schwur gebrochen, statt zuzugeben, dass die Vererbungslehre offensichtlich auch vor solchen Dingen nicht Halt macht. Scheiß Pubertät!
Und was sagt Nicola?
Ich kann mir nicht helfen, aber ich glaube, dass Papa echt eine schwierige Kindheit hatte. Die muss schwierig sein, wenn man im Kloster aufwächst. Oh Mann, ist der schwierig!