Hohe Dispozinsen auch in Bamberg
Autor: Michael Wehner
Bamberg, Freitag, 19. Oktober 2012
Beim Reizthema Dispokreditzinsen ist auch Bamberg keine Insel der Seligen. Von neun Banken nehmen in einem Vergleich nur drei weniger als zehn Prozent. "Das reicht nahe an Abzocke, sagt die Verbraucherzentrale Bayern.
Die 50-jährige Karin Müller (Name geändert) ist seit vielen Jahren Kundin bei der Sparkasse Bamberg. Um die aktuelle Höhe der Dispokreditzinsen zu erfahren, musste sie lange suchen. Fehlanzeige im Internet. Erst im Kleingedruckten der Geschäftsbedingungen einer Filiale stieß sie auf die derzeit gültige Rate: 12,10 Prozent. "Ein Unding", findet die erfahrene Verbraucherin. "Auf der einen Seite sinken die Zinsen bei Sparguthaben und Festgeld ins Bodenlose. Und hier haben es langjährige Kunden mit einem zweistelligen Zinssatz zu tun."
Karin Müller ist mit ihrem Unmut nicht allein. Seit Jahren kämpfen Verbraucherschützer einen allerdings wenig erfolgreichen Kampf gegen die aus ihrer Sicht unangemessen hohen Zinsen für Überziehungen auf Girokonten. Ihr wichtigstes Argument: Der Leitzins, für den sich die Geldinstitute Geld besorgen können, ist so niedrig wie nie zu vor: Er liegt derzeit nur noch be knapp einem Prozent.
Dennoch befinden sich die Zinsen für Überziehungen auf Girokonten bei den meisten Geldhäusern im zweistelligen Bereich. Bamberg ist da natürlich keine Ausnahme, wie eine Umfrage unter neun Bankhäusern zeigt. Den höchsten Zinssatz nimmt mit 13,24 Prozent die Commerzbank von ihren Kunden. Noch teurerer wird es für den, der sich bei der Frankfurter Großbank über den Disporahmen hinaus Geld pumpt: 18,74 Prozent beträgt hier der aktuelle Zinssatz.
Doch es gibt auch das Gegenbeispiel: Die kleine PSD-Bank aus Nürnberg mit ihren neun Filialen in Franken und Thüringen verlangt für Überziehungen auf dem Girokonto 8,10 Prozent im vereinbarten Bereich. Darüber hinaus muss geliehenes Geld mit 11,10 Prozent bezahlt werden. Vergleichsweise günstige Zahlen kann auch die katholische Liga-Bank vorweisen: Mit 9,75 und 11,75 Prozent halten sich die Überziehungszinsen noch im günstigen Rahmen. Dagegen schneidet der Platzhirsch nur mittelmäßig ab. Mit 12,10 und 17,10 Prozent müssen sich die 100.000 Girokonto-Kunden der Sparkasse Bamberg abfinden.
Sofortkredit ab 3,99 Prozent
Damit ist die Sparkasse nicht nur der drittteuerste Anbieter in unserem Vergleich. Sie übertrifft auch den bundesdeutschen Durchschnitt von 11,76 Prozent, wie ihn die Stiftung Warentest diese Woche ermittelt hat. Wieso der Überziehungskredit auch in Zeiten extrem günstigen Geldes so hoch gehandelt wird, erklärt man in der Sparkasse mit den spezifischen Ausfallrisiken und den Unsicherheiten, die mit den Dispo-Überschreitungen zwangsläufig verbunden sind. "Die Banken müssen für diese Kreditarten 150 Prozent Eigenkapital vorhalten. Sie gelten als Kredit mit dem höchsten Risiko", teilt Sparkassenchef Konrad Gottschall mit.
Auch der Aufwand, den die Banken bei Girokonten im Minus treiben müssen, ist nach ihren Angaben deutlich höher. So werden bei der VR Bank Bamberg Konten im Dispo dauerhaft überwacht. Kommt es zu auffälligen Überschreitungen, wird den Kunden ein "Sofortkredit" angeboten, der ab 3,99 Prozent zu haben ist, wie Vorstandssprecher Manfred Ullrich erklärt. Den hohen Dispozinsen schreibt der Chef der Genossenschaftsbank eine "gewollt abschreckende Wirkung " zu. "Das schützt vor dauerhafter Verschuldung."
Solche Argumente sind für den Finanzexperten Sascha Straub von der Verbraucherzentrale Bayern nicht nachvollziehbar: "Die Banken sind es doch, die den Dispokredit so teuer anbieten und manchem Kunden damit den Weg in die Verschuldung ebnen." Für ihn gibt es einen einfachen Grund, weshalb sich die Institute beim Thema Dispokredit seit Jahren gegen Senkungen wehren: "Jeder sechste Deutsche befindet sich im Dispo. Die Banken machen mit diesen Überziehungszinsen guten Gewinn." Sein Vorwurf: Seit Jahren sinkt der Leitzins, doch der Rückgang bei den Dispozinsen hinkt dem hinterher: "Bei einem Leitzins von einem Prozent dürfte ein angemessener Dispokreditsatz sechs bis acht Prozent nicht überschreiten. Werte deutlich über zehn Prozent gehen klar in den Bereich von Abzocke."
Ruf nach Regulierung
Den Vorwurf, die Banken würden sich am Dispokredit "dumm und dämlich verdienen", verweist man in der VR Bank Bamberg in den Bereich der Legenden - zumindest mit Blick auf das eigene Haus. Bei der Genossenschaftsbank mit 70.000 Kunden machen die Erträge aus Girokontoüberschreitungen weniger als drei Prozent aller Zinserträge aus, sagt Bankchef Ullrich. In absoluten Zahlen waren es zuletzt 770.000 Euro. "Dagegen stehen Bearbeitungsaufwand und ein nicht unerhebliches Ausfallrisiko."
Trotz der Kritik, die den Banken entgegenschallt, glauben die Experten längst nicht mehr daran, dass sich der Markt selbst reguliert. Sie fordern wie die Verbraucherzentrale eine gesetzliche Regelung, um Absprachen der Geldhäuser zu verhindern: "Freiwillig werden die Banken nichts ändern."
Der Ruf nach mehr Regulierung findet in der Wirtschaft freilich wenig Widerhall. Heribert Trunk, Präsident der IHK für Oberfranken und Verwaltungsrat der Sparkasse Bamberg glaubt, dass man es dem Markt selbst überlassen sollte, die Zinsen festzulegen. Seine Erfahrung: Es ist die Unberechenbarkeit, die den Dispo so teuer macht: "Eine Wohnung, die man mietet, ist auch viel billiger, als ein Hotel, das man vielleicht nur einen Tag im Jahr benutzt."
Auch im Vergleich zu den Konditionen, die die Wirtschaft bekommt, hält Trunk die Kritik am Dispo für überzogen: "Wenn mittelständische Unternehmen für einen gesicherten Kontokorrentkredit zwischen sechs und zehn Prozent bezahlen, dann sind neun bis zwölf Prozent für ungesicherte Verbraucherkredite in Ordnung. "
Karin Müller lässt sich davon nicht beeindrucken: Sie glaubt daran, dass zweistellige Zinsen in einem Jahr wie diesem nicht gerechtfertigt sind: "Die Dispokreditzinsen sind an der Schmerzgrenze."
