Druckartikel: Hoffmanns fantastische Elixiere

Hoffmanns fantastische Elixiere


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Samstag, 20. August 2016

Eine Sonderausstellung beleuchtet E.T.A. Hoffmanns Oper "Undine" - und sein "Poetenstübchen unterm Dachjuchhe".
Diese Tafel am Haus Schillerplatz 26 erinnert daran, dass E.T.A.Hoffmann darin gewohnt hat.


B eginnen wir mit dem Eklat in Pommersfelden, den Ernst Theodor Amadeus Hoffmann am 6. September 1812 auslöst. Und zwar bei einem Ausflug von Bamberg aus. Mit dabei sind Freunde sowie die Familie Mark samt Tochter Julia. Und deren Verlobter Johann Gerhard Graepel. Für Hoffmann ist diese Paar-Konstellation provozierend genug, hatte er sich doch unsterblich in seine Gesangsschülerin Julia verliebt.
Der Alkohol fließt reichlich, und Hoffmann beschimpft, nachdem Graepel betrunken stürzte und Julia fast mit zu Boden riss, seinen Konkurrenten aufs Ärgste: "Sehen Sie, da liegt der Schweinehund!", entfährt es ihm laut. Familie Mark distanziert sich nach diesem Vorfall von Hoffmann, trotz eines reumütigen Entschuldigungsschreibens.
Solche Geschichten gibt es zuhauf aus dem alles andere als romantischen Leben des Romantikers E.T.A. Hoffmann zu erzählen.

Fantastisches, Verrücktes, Unheimliches bündelt sich nicht zuletzt in seinem literarischen Schaffen: Elixiere seiner blühenden Vorstellungskraft und Schreibkunst, aber auch seiner Erlebnisse in den Bürgerhäusern, Grünanlagen, Straßen und Kneipen Bambergs.
In dieser Stadt entwickelt er seine Talente immer weiter, komponiert, zeichnet, schreibt Erzählungen, Essays und Musikkritiken. Schaurig-schön alles, bisweilen skurril - und trotzdem zunächst brotlos.
Wer in diese Welt E.T.A. Hoffmanns eintauchen will, ist in seinem einstigen Wohnhaus am Schillerplatz gegenüber des nach ihm benannten Theaters bestens aufgehoben: "Das E.T.A. Hoffmann-Museum ist die einzige Gedenkstätte zu dem Romantiker bis heute", erklärt Professor Bernhard Schemmel, Vorsitzender der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft, bei einem Rundgang durch das schmale Gebäude. Schon 1930 sei das Museum eröffnet worden, das sich heute nach modernen museumsdidaktischen Gesichtspunkten präsentiere, ergänzt Schemmel mit einem gewissen Stolz auf das Erreichte.
Tatsächlich verbreitet das Konzept des Bühnenbildners Wolfgang Clausnitzer einen gewissen Charme, ein spezifisch hoffmanneskes Flair - auch wenn eine Originalausstattung nicht vorhanden ist. Doch wer seine Fantasie spielen lässt, sieht Hoffmann in seinem "Poetenstübchen" unterm Dachjuchhee am einfachen Arbeitstisch sitzen oder am Tafelklavier Kompositionen austüfteln. Einen Aha-Effekt verheißt das berühmte "Loch" im Boden des Poetenstübchens, das sich zu dem im Stockwerk darunter liegenden Zimmer öffnet. "Es soll Hoffmann zur Konversation mit seiner Frau Mischa gedient haben und zu allerlei komischen Überraschungen", schmunzelt Bernhard Schemmel. So lautet eine Legende, dass Hoffmann seine Stiefel durch dieses Loch herabgeworfen habe.
Neugierig auf Mehr gemacht, betritt der Besucher einen weiteren Raum in der Mansarde, die als Musikzimmer eingerichtet ist. Über eine interaktive Musikkommode kann jeweils eine der acht Schubladen mit den meist autographen Noten angespielt werden. Da erklingen etwa Arien aus Hoffmanns Oper "Aurora" oder das "Miserere b-Moll". Ob er darin seine leidvollen Bamberger Jahre hineinfließen ließ?
Am 24. Januar 1776 im preußischen Königsberg geboren, studiert Hoffmann Jura und arbeitet als Regierungsrat bei Gericht. Doch in seiner Freizeit schreibt er an Romanen und Schauspielen, zeichnet Karikaturen, komponiert und erteilt Musikunterricht. Die Freizeitbeschäftigung gewinnt Überhand, Hoffmann wird arbeitslos. Da erreicht ihn der rettende Brief aus Bamberg. Man verpflichtet ihn ab 1. September 1808 als Musikdirektor an das dortige Theater.
Doch schon bald muss er sich als Direktionsgehilfe, Theaterkomponist, Kulissenmaler, ja Kartenverkäufer durchschlagen und mit Gesangsstunden für höhere Töchter der Gesellschaft seinen kargen Lebensunterhalt aufbessern. Der Krankenhausdirektor Adalbert Friedrich Marcus hatte ihn in diese Kreise eingeführt.
Bebilderte Schautafeln im ersten Obergeschoss des E.T.A. Hoffmann-Hauses lassen diese Lebenszeit von Königsberg bis Bamberg Revue passieren. Faksimile-Ausgaben geben einen faszinierenden Einblick in den Entstehungsprozess verschiedener Werke. Im verwinkelten Treppenhaus, im Spiegelkabinett, in einer nachempfundenen Opernloge, in erleuchteten Scherenschnitten werden all die Wesen lebendig, die Hoffmann schuf: der sprechende Hund Berganza oder das Äpfelweib, der Kater Murr oder der Teufel höchst selbst, der Kapellmeister Johannes Kreisler oder das Fräulein Scuderi.
Hoffmann bleibt bis zum 21. April 1813 in Bamberg. Rückblickend urteilt er über diese Zeit: "Meine Lehr- und Marterjahre sind nun in Bamberg abgebüßt, jetzt kommen die Wander- und Meisterjahre." Nach einem Zwischenspiel als Musikdirektor in Dresden und Leipzig wird er an das Kammergericht in Berlin berufen. Dort erweist er sich als ausgezeichneter und aufrechter Jurist. Nebenberuflich vergrößert er rastlos sein literarisches Werk, feiert musikalische Erfolge.
So wird im August 1816 in Berlin seine bedeutende Oper "Undine" nach dem Text von Friedrich Baron de la Motte Fouqué uraufgeführt. Hoffmann hatte mit der Komposition der ersten romantischen deutschen Oper bereits in seinen Bamberger Jahren begonnen. Der Brand des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt 1817 bereitet jedoch der großen Erfolgsgeschichte ein Ende.
Aber sie findet einen Neuanfang, zumindest in der Gestalt einer Sonderausstellung im Bamberger E.T.A. Hoffmann-Haus. "Undine illustriert" titelt die Präsentation von überwiegend neu erworbenen Büchern, großformatige Prachtausgaben mit opulenten Illustrationen zu Fouqués Text - allesamt Ausdruck romantischer Sehnsüchte namhafter Künstler nach einer einzig wahren Liebesstory.
"Undine" hat aber auch im verwunschenen Zaubergarten des E.T.A. Hoffmann-Hauses einen Platz gefunden. Die Wasserfrau aus Stein, die der Vierether Bildhauer Reinhard Klesse mit einem Fischschwanz ausgestattet hat, scheint sirenengleich zum Verweilen einzuladen...


Info: Das E.T.A. Hoffmann-Haus, Schillerplatz 26, 96047 Bamberg, ist von Mai bis 1. November täglich (außer Montag) von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Die Ausstellung "Undine illustriert" ist bis zum 1. November 2016 zu sehen.