Hochstapler narrte sie alle
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Montag, 30. April 2018
Am Landgericht Bamberg ging es um 178 Fälle des Betruges und 26 Fälle des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung.
Der Schaden, den ein 76-jähriger Handelsvertreter im Ruhestand in den Jahren 2009 bis 2017 bei sechs Bauunternehmern angerichtet hatte, belief sich zuerst auf 880 000 Euro. Allerdings traten im Laufe des ersten Verhandlungstages gestern noch weitere Fälle zu Tage, die entweder bereits verjährt sind, oder für die sich die Kreditgeber keine unterschriebenen Belege geben ließen. Dementsprechend beliefe sich der Schaden auf mehr als das Doppelte der angeklagten Summe und läge bei etwa 1,6 Millionen Euro.
Wie der Vorsitzende Richter Markus Reznik bei fünf der sechs Geschädigten erfragte, ist bislang kein einziger Euro zurückgezahlt worden. Ebenso sei kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung gefallen. Auch scheint das kriminelle Geschäftsmodell bereits seit Mitte der 90er Jahre zu laufen und den vorgelegten Darlehensverträgen nach nicht nur auf den Sohn und dessen Gattin, sondern auch auf die Ehefrau des Angeklagten zu erstrecken. Stets waren gefälschte Schreiben im Spiel, die dem ominösen Vorhaben einen amtlichen Anstrich geben sollten. Mal schienen die Dokumente aus dem Nachlass-, Amts- oder Landgericht Bamberg zu stammen, bisweilen von diversen Finanzämtern, dann wieder aus renommierten Steuerkanzleien oder Notariaten in der Region, aber auch aus Italien oder Griechenland.
Er habe nicht gewusst, dass die Schreiben nicht echt seien, behauptete der Angeklagte. Während des Geständnisses seines Mandanten wirkte Rechtsanwalt Dieter Widmann (Bamberg) ein ums andere Mal ratlos. Es schien so, als ob der Angeklagte die hanebüchene Geschichte von der angeblichen Erbschaft aus Griechenland tatsächlich glaubte. Der millionenschwere Nachlass seiner Enkelin läge bereit, hätte ihm eine perfekt deutsch sprechende Anwältin aus Athen bestätigt, und müsste nur ausgelöst werden. Hintergrund war der Tod seines Schwiegersohnes, der aus dem südosteuropäischen Land stammte und Spross einer reichen Familie gewesen sein sollte.
Von einer Eigentumswohnung und mehreren Grundstücken sprach der Angeklagte. Diese Geschichte erzählte er seinen arglosen Geldgebern, übrigens allesamt erfahrene, gestandene Männer mit erfolgreichen Firmen. Diese vertrauten dem "seriösen Auftreten" des Angeklagten, den sie aus jahrzehntelanger geschäftlicher Zusammenarbeit kannten.
Die "andere Masche"
Wie mehrere ermittelnde Polizeibeamte schilderten, darunter ein Fachmann vom Betrugsdezernat Bamberg, gebe es trotz dreier Haussuchungen im Laufe des Jahres 2017 und umfangreicher Überprüfungen der verschiedenen Bankkonten keinerlei Hinweise auf eine griechische Erbschaft, und schon gar nicht auf geleistete Zahlungen ins Ausland. Der Angeklagte hatte nach Angaben eines Zeugen aber auch noch eine "andere Masche": Er appellierte an die Hilfsbereitschaft seiner langjährigen Bekannten, bei der Begleichung von Behandlungskosten für seinen an Darmkrebs erkrankten Sohn einzuspringen. Weil dessen private Krankenversicherung für die Operationen in einer Spezialklinik in München nicht aufkäme. Dabei gab es auch für diese Version bislang noch keinen Nachweis.Der Angeklagte beteuerte, "keinen einzigen Pfennig für sich selbst verbraucht zu haben." Angesichts der mit 2500 Euro üppigen Rente und monatlichen Provisionen von etwa 1000 Euro aus selbstständiger Tätigkeit durchaus glaubhaft. Wohin die enormen Summen gingen, dafür gibt es nach polizeilicher Erkenntnis Indizien. Nicht zuletzt die Bemerkung des 76-jährigen Rentners, er sei nur der "Handlanger" gewesen. So lebte der Sohn des Angeklagten viele Jahre lang ohne eine feste Arbeit oder ebensolches Einkommen auf ganz großem Fuß. Mit geräumiger Immobilie, prestigeträchtigem Sportwagen, teuren Schweizer Armbanduhren und allerlei Feinkost. Auch der normale Lebensunterhalt der dreiköpfigen Familie wurde über lange Zeit hinweg wohl durch das ergaunerte Bare bestritten, was im juristischen Sprachgebrauch "gewerbsmäßig" genannt wird.
Die angebliche 400 000-Euro-Erbschaft durch den Tod eines Großvaters aus dem Landkreis Bamberg verwies ein Kripo-Beamter aus Bamberg ebenso ins Reich der Legende wie die gut dotierte Tätigkeit des Sohnes bei einem Weltkonzern oder die Verwandtschaft mit einer wohlhabenden oberfränkischen Industriellenfamilie, mit der der Sohn sich bei seinem Vermieter beliebt zu machen suchte.
Geständnis rettete vor der Zelle
So entstand nach und nach das Bild eines gewohnheitsmäßigen Hochstaplers. Das Amtsgericht Nürnberg hatte den Sohn bereits im Jahr 2015 wegen Betruges in 57 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Vor dem Umzug ins Gefängnis rettete ihn nur ein umfangreiches Geständnis. Dem angeklagten Vater blieb zumindest die Untersuchungshaft seit Oktober 2017 in der JVA Bamberg nicht erspart. Und die Aussage eines Geschädigten, dass zwar der Sohn verurteilt worden, der Vater aber der eigentlich Schuldige sei.Auch die finanziell Geschädigten kamen als Zeugen zu Wort. Zuerst das Hauptopfer, ein 82-jähriger Bauunternehmer im Ruhestand, der zuerst sein gesamtes privates Vermögen "investierte". Danach lieh der Pensionär aus dem Landkreis Ansbach sich bei seiner Firma, nun vom eigenen Sohn betrieben, weiteres Geld. Als auch das nicht reichte, ging er im Namen des Angeklagten sogar die Kunden des Familienunternehmens an. Monatelang hätte der Angeklagte ihn mit immer neuen "Märchen" hingehalten. Und doch zahlte der Firmengründer, bis es zum Zerwürfnis mit der eigenen Familie kam. Am Ende seien rund 1,5 Millionen Euro weg gewesen.
Heute muss der einst reiche Unternehmer von der Rente seiner Frau leben, wie er unter Tränen eingestand. "Es war die größte Dummheit meines Lebens". Der zweite Geschröpfte, ein 46-jähriger Handwerksmeister aus Vilshofen, roch den Braten früher und blieb nur auf rund 30 000 Euro Schaden für seinen Betrieb sitzen. "Wir haben uns leider breitschlagen lassen." Der dritte im Bunde, ein 55-jähriger Bauingenieur aus dem Landkreis Coburg, sprang nur einmal mit 5000 Euro ein. "Ich habe wirklich geglaubt, er sei ein ehrlicher Mensch. Ich bin menschlich enttäuscht."
Mitunter wöchentlich sprach der Angeklagte bei seinen Kreditgebern vor. Die Einzelsummen rangierten zwischen 1100 Euro und 11 500 Euro, die anfangs in bar, später per Überweisung erbeutet wurden. Das gebuchte Geld wurde dann umgehend abgehoben und verschwand wie die Scheine spurlos. Selbst als die Kriminalpolizei schon gegen ihn ermittelte und er davon wusste, ging der Betrug noch weiter. Die Anklageschrift listete sechs Fälle mit insgesamt fast 40 000 Euro auf.
Finanzielles Polster
Mit etwa 375 000 Euro traf es einen Geschäftsführer einer Baufirma aus dem Landkreis Fürth. Allerdings nahm es der 77-Jährige leicht, hätte er doch finanziell so gut vorgesorgt, dass nicht nur Immobilien für den Lebensabend zur Verfügung ständen, sondern auch ein finanzielles Polster von rund 1,5 Millionen Euro. Den Verdacht, es könne sich bei den in bar übergebenen Summen um Schwarzgeld handeln, das die Bauunternehmer so "waschen" wollten, um es in den regulären Wirtschaftskreislauf einzuspeisen, wiesen diese auf Nachfrage des Verteidigers zurück. Ein Indiz dafür könnte aber sein, dass keiner der Geschädigten von sich aus Strafanzeige stellte und das Verfahren so in Gang brachte. Vielmehr war es ein Buchhalter, dem die Überweisungen vom Firmenkonto spanisch vorkamen, und der daraufhin Anzeige erstattete.
Am Freitag, 4. Mai, und am Dienstag 8. Mai, jeweils um 9 Uhr, geht es im Landgericht weiter.