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Hoch-Zeiten am Zeiler Käppele


Autor: Katja Müller

LKR Haßberge, Freitag, 09. Mai 2014

Für die einen ist es der schönste Tag im Leben, für die anderen - Arbeit. Pfarrer Michael Erhart und Mesnerin Brigitte Hamm aus Zeil begleiten Brautpaare auf ihrem Weg ins Eheleben und haben dabei teils erstaunliches beobachtet.
Eine Heirat auf dem Zeiler Käppele ist etwas ganz besonderes.


"Wer wirft, kehrt!", sagt Pfarrer Michael Erhart und schlägt schwungvoll das Terminbuch des Zeiler Käppeles zu.

Das Oberhaupt der katholische Pfarreiengemeinschaft "Am Weinstock Jesu" in Zeil ist der Hausherr der auch bei Hochzeitern beliebten Bergkapelle, und eigentlich ein sehr liberaler Zeitgenosse. Aber wenn es um den Hochzeitsbrauch des Reiswerfens geht, kennt der Pfarrer kein Pardon. Wer auf dem Zeiler Käppele heiraten will, muss auf das asiatische Fruchtbarkeits-Ritual verzichten. Das was? Erhart lächelt zufrieden über die ungläubige Reaktion. "Die meisten wissen das gar nicht!", sagt er und ergänzt: "Außerdem ist Reis ein Lebensmittel. Und denken Sie an die Vögel: Vogel frisst Reis, Vogel tot (weil der Reis im Magen aufquillt, Anm. d.Red.)."

Na gut. An diesem Thema soll der schönste Tag im Leben nicht scheitern. Zumal Michael Erhart und Mesnerin Brigitte Hamm noch viele andere Bräuche kennen, mit denen Freunde und Verwandte das Brautpaar vor der Kirche empfangen können. "Da hat sich in den Jahren nichts verändert", weiß Brigitte Hamm.
Darum müssen die Bräute von Fußballern nach wie vor mit hohen Schuhen erst den Ball und dann das Tor treffen. Handwerker dürfen Holz zersägen und viele Paare mühen sich seit Jahrzehnten damit ab, mit stumpfer Schere ein Betttuch zu zerschneiden.

Brigitte Hamm ist seit 1991 die Mesnerin des Zeiler Wahrzeichens. Sie hält dort Gruppenführungen, gießt die Blumen oder bereitet Trauungen vor. Es kam auch schon vor, dass sie nach der Braut suchen musste, weil die ihren Einsatz für den Einzug in die Kirche verpasst hatte."Drei Mal hat der Organist das Stück gespielt, bis sie endlich kam", erinnert sich die 57-Jährige lächelnd. Genau wie Pfarrer Michael Erhart hat die Mesnerin das Marienheiligtum mit seinem Charme und den einmaligen Blick ins Maintal ins Herz geschlossen. Als Trauungsort ist das Käppele so beliebt, dass Brigitte Hamm für 2015 schon sieben Eheschließungen im Terminbuch stehen hat.


Schon Reservierungen für 2015

"Wer zuerst kommt, mahlt zuerst", kommentiert Michael Erhart den Andrang. In diesem Jahr wollen sich 32 Paare das Ja-Wort geben. "Die beliebteste Uhrzeit eine Hochzeit ist 13 Uhr", erzählt der Pfarrer. "Ganztageshochzeiten sind mittlerweile sehr ungewöhnlich", ergänzt er. Eher selten sind auch die Heiraten im Wonnemonat Mai. "Das hat sich gedreht. Die meisten wollen im August heiraten", weiß Michael Erhart.

Und kennt auch die Probleme, die damit verbunden sind. "Pfarrer sind auf die Schulferien angewiesen und im August meistens verreist", erklärt er. Das führe oft zu Terminengpässen. Noch etwas ist dem 42-Jährigen aufgefallen. "Früher waren die beliebtesten weltlichen Texte für die Lesung 'Der kleine Prinz' oder 'Spuren sind Sand'. Heute wollen die Leute 'Die Insel der Gefühle', 'Die zwei Kugelhälften des Platon' und 'Der Ort, wo sich Himmel und Erde berühren' hören."

Eines möchte Erhart den Hochzeitern noch ans Herz legen: "Werft Rosenblätter. Das ist viel romantischer!" - "Aber die echten, nicht die aus Seide", beeilt sich Brigitte Hamm zu ergänzen. "Die unechten liegen hier noch Monate lang rum."


Interview mit Standesbeamten Fritz Schmitt

Ein echter Experte beim Thema Trauungen ist Fritz Schmitt. Der 64-Jährige leitet das Standesamt Eltmann und hat dort in 36 Jahren über 200 Paare getraut. In diesem Jahr wird der Eltmanner 65 Jahre alt und geht in den Ruhestand.

Herr Schmitt, 200 Trauungen in 36 Jahren sind eigentlich gar nicht so viel, oder?
Fritz Schmitt: Die Zahl ist tatsächlich relativ wenig für diesen Zeitraum, aber viele Trauungen werden von den Bürgermeistern gehalten, in Bayern eine Prestigeangelegenheit.

Was hat sich im Laufe der Zeit bei den Trauungen geändert?
Einiges! Früher erschien das Brautpaar mit den zwei Trauzeugen. Heute sind neben dem Brautpaar oft noch 20 bis 40 Angehörige und Freunde anwesend. Früher wurden im Anschluss an die Trauung ein paar Bilder aufgenommen, heute will man Kameras aufbauen, um die gesamte Trauung zu filmen. Das muss vom Standesamt jedoch nicht zugelassen werden und wird von vielen Standesbeamten abgelehnt. Als ich 1978 als Standesbeamter angefangen habe, kamen die Beteiligten ausnahmslos mit Anzug, Krawatte oder Kostüm. Heute erscheinen die Brautleute schon mal in Jeans, Pullover und offenem Hemd. Da kommt man sich als Standesbeamter im Anzug teilweise overdressed vor.

Was sind das für Leute, die sich vor Ihnen das Ja-Wort geben?
In einem kleinen Standesamt wie in Eltmann hatten wir bis vor ein paar Jahren fast immer den "Normalfall": beide deutsch, volljährig und ledig. Heute kommen die Eheleute aus aller Herren Länder: Brasilien, China, Ukraine, Kasachstan, Rußland, England, USA, Thailand, Philippinen, Kuba, Kambodscha und so weiter. Das ist mit höherem zeitlichen Aufwand verbunden, da das jeweilige Heimatrecht zu berücksichtigen ist und man aufpassen muss, das keine gefälschten Papiere vorgelegt werden.

Berührt Sie nach so vielen Jahren eine Trauung noch emotional?
Man erlebt Trauungen, die einem wirklich Freude machen. Es kommt aber auch vor, dass das Brautpaar nahezu teilnahms- und regungslos herumsitzt und man sich innerlich fragt: Wollen die eigentlich heiraten?

Was ist war Ihre schönste Hochzeit?
An eine der vielen schönen Trauungen erinnere ich mich besonders gern. Die Brautleute waren beide aus Vietnam. Es war eine größere Gesellschaft und sie war auf das Feinste in eigener Tracht und Mode gekleidet. Es hat sehr exotisch und beeindruckend gewirkt. Damals mussten wir sogar in den Sitzungssaal ausweichen. Da gab es während meiner Ansprache auch mal Beifall, bei einer "deutschen" Trauung unvorstellbar. Dann gab es noch eine Trauung, bei der die Verlobten das zweite Mal geheiratet haben. Ob es diesmal gehalten hat, kann ich nicht sagen.

Und was war die komischste Situation, an die Sie sich erinnern?
Unvergessen bleibt mir, wie eine junge Ehefrau nach dem Ja-Wort in ihren imaginären Bart gemurmelt hat: "So, jetzt habe ich nichts mehr zu sagen." Das habe ich aber überhört und bin nicht darauf eingegangen. Rückblickend kann ich sagen, dass mir meine Tätigkeit als Standesbeamter großen Spaß gemacht hat.