Druckartikel: Hirschaider Rathauschef wird zum Cheerleader

Hirschaider Rathauschef wird zum Cheerleader


Autor: Werner Baier

Hirschaid, Donnerstag, 07. Februar 2013

Die "Häschaadä Hexen" nehmen an Bürgermeister Andreas Schlund grausame Rache: Hätte er doch bloß die Prunksitzung nicht geschwänzt.
Andreas Schlund, ganz bunt. Kostümiert haben ihn die "Häschaadä Hexen".  Fotos: Michael Gründel


Ein schauriges Kreischen erfüllt das Treppenhaus. An der Weibäfosänocht, Donnerstagnachmittag, fallen die "Häschaadä Hexen e. V." im Rathaus ein. Diese Abkürzung steht für "eingetragene Verrückte", und die kommen, um den Bürgermeister zum Narren zu halten, weil der ein ums andere Mal die Prunksitzung schwänzt.



Ihre Rache ist fürchterlich: Der in Ehren Ergraute muss in ein lächerliches Cheerleader-Kostüm - Top und Röckchen - schlüpfen, mit einer knallbunten Perücke das weise Haupt bekrönen lassen und mit Pompons in den Händen den Takt angeben.

"Maßkrüge wären mir lieber", sagt der Zwangs-Maskierte, dem schon am Vormittag eine schicke Krawatte abgeschnitten worden ist.

Er hatte es prompt vergessen, was dem stolzen Manne am närrischen Donnerstag droht: "Mit der Schere schnippeschnapp..."

Wie kommt man raus aus dieser Nummer? Bürgermeister Andreas Schlund lässt Hirschaider Sekt kredenzen, was allerdings die spitzen Zungen der närrischen Weiber noch mehr lockert. Das ist aus der Sicht eines Faschingsmuffels also eher kontraproduktiv. Leckere Faschingskrapfen mampfen? Ja, das ist es dann, was für ein paar Minuten Ruhe einkehren lässt.

In den Ratssesseln Platz nehmen? "Miä sänn doch kanna Schnarchä", entgegnet die Hexe Alabastä und verweist auf die im Ratssaal zunehmende Anzahl von (leeren) Flaschen. "Do setzn miä uns net noo. Miä müssn noch ins Café und nei die Häschaadä Arcadn (heißt: ins Modekaufhaus Ri-Ra-Runkel...). Schließlich gemmä nuch zur Hilde: Miä sänn heit losgelossn!", faucht sie und stampft mit den anderen Gästen eine Polonaise durch die Flure des Rathauses, in dem niemand mehr seines Amtes waltet.

Sogar der Leiter der marktgemeindlichen Baubehörde, Bernd Feuerlein, dem es fast immer gelingt, im letzten Augenblick die Hexen seines Zuständigkeitsbereiches zu fliehen, hat diesmal keine Chance. Bernd Feuerlein schluckt tapfer und macht gute Miene zum ausgeflippten Spiel.

Wer hat bloß den Weiberfasching erfunden? Und wie tröstlich, dass es dafür ergötzende Synonyme gibt, zum Beispiel Wieverfastelovend (Köln), Fettdonnerstag (Aachen) oder Schwerdonnerstag (Koblenz). Die Lang- und Krummnasen von Hirschaid immerhin verstehen sich aufs Reimen, Singen und Tanzen. Letzteres ganz ohne Besen, frau will ja nichts übertreiben. Zur Melodie von "Hello Mary Lou" intonieren die Hexen: "Hello Andi Schlund, du bist ein Stenz/ die Prunk war schön mit ganz viel Prominenz/doch du warst nicht da, das war uns klar/ brauchst keine Wählerstimmen nächstes Jahr!"

Es schwingt ein bisschen Wehmut darüber mit, dass Andi Schlund in die letzte Runde seiner Amtszeit einbiegt, eines schnöden Richterspruches wegen, der hauptamtliche Bürgermeister schon mit Mitte 60 in Pension schickt. Dabei kann man in dem Alter gut und gerne noch Ministerpräsident werden, oder sogar Bundespräsident.
Die Hexen jammern: "Der Weiberfasching ohne Andi/ das ist für uns nicht vorstellbar./ Denn im Rathaus hier bei Andi/ da ist es immer wunderbar... In einem Jahr, da gibt es Wahlen,/ die Hexentage sind gezählt/ und der Andi weiß schon heute/ was ihm fehlt.
Weil er diesen Spuk bei hoffentlich bester Gesundheit noch mindestens einmal über sich ergehen lassen muss, verspricht Bürgermeister Schlund, bei der außerordentlichen Prunksitzung des Gemeinderates am Rosenmontag die Anschaffung von Sektschalen zur Sprache zu bringen: "Damit Ihr eura Nosn nei steckn könnt!" Sektflöten nämlich sind Hexennasen-Killer: Hörnchen könnte man ja eintunken, aber Pappnasen mit Warzen drauf und Höcker dran? Das ist dann schon zum Schießen, wenn eine Hexe die Nase rümpft und vom Perlwein nippt.