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Hirschaid zum Blühen gebracht


Autor: Werner Baier

Hirschaid, Mittwoch, 13. März 2013

Der Obst- und Gartenbauverein hat den Hirschaider Spargel weithin bekannt gemacht. Am Samstag feiert er sein 100-jähriges Bestehen. Im Herbst ist noch ein Blumenball geplant.
Die Gärtnerinnen Maria Huberth, Anna Reichelt, Katharina Kestler, Anna Friesner und Margareta Brand 1914  Foto: privat


Wenn's jetzt wieder "nauswärts" geht, kommt er so recht zur Geltung, der stets topgepflegte Blumengruß Hirschaids an die vielen, die den Hauptort an der Autobahnanschlussstelle anfahren oder verlassen: Das Blumenmeer auf dem Rondell des Kreisverkehrs ist eine Zierde der Marktgemeinde und gleichzeitig das Aushängeschild des Obst- und Gartenbauvereins Hirschaid.

Unter der Leitung der Vorsitzenden Roswitha Dirmeier und ihres Stellvertreters Richard Böhme wenden zahlreiche Aktive Hunderte von Stunden auf, um das Schmuckstück zu pflegen. Doch diese runde Rabatte ist nur ein Merkmal der seit genau 100 Jahre währenden Sorge um die Ortsverschönerung, den Obst- und Gartenbau in Hirschaid.

Der Verein, der am 16. Februar 1913 von 21 Dorfbewohnern in der Stolbinger'schen Gastwirtschaft gegründet worden ist, feiert sein rundes Jubiläum mit einem Festabend am Samstag, 16. März, und beim Herbstblumenball im September. Zudem entstand in Zusammenarbeit von Walter Bergmann, Roswitha Dirmeier und Michael Krippner eine reich bebilderte, hochwertige Vereinschronik mit 140 Seiten.

Klar, dass fürs Jubiläumsjahr schönstes Gartenwetter bestellt ist; Vorsitzende Roswitha Dirmeier strahlt schon mit ihren im Glashaus kultivierten Kamelien um die Wette. Nicht nur auf diese Pracht kann sie mit Recht stolz sein. Ihr Wirken als geprüfte Gartenpflegerin des Landesverbands der Obst- und Gartenbauvereine trägt mannigfache Früchte.

An botanische Raritäten wie Kamelien im Hausgarten haben die Gründungsväter des Vereins gewiss nicht gedacht. Dem frisch gewählten Vorsitzenden und Ökonomen Michael Schrauder und seinen Aktiven ging es vor 100 Jahren darum, die Liebe zu Nutzbäumen und -gärten in der Bevölkerung zu wecken und den "finanziell schwächer Gestellten Anlage und Pflege beider Kulturen besser zu ermöglichen".

Der Verein befasste sich mit dem gemeinschaftlichen Bezug von Obstbäumen, Spalierlatten und Fichtenstangen für Baum pfähle. Auch an die Nützlinge wurde sofort gedacht, indem Nistkästen gefertigt oder gekauft wurden. Der Vorstand des jungen Vereins lud bald zu Gartenbaukursen ein und unterwies die Frauen im Einwecken des Obstes. Gleich 1914 wurde eine fahrbare Baumspritze gekauft, um das mühsam erzeugte Obst nicht ans Ungeziefer zu verlieren.

Beitrag: 1,40 Reichsmark

Doch gab es auch diebisches Gesindel auf zwei Beinen, weshalb förmlich beschlossen wurde, "bei größerem Obst- und Baumfrevel den Polizeihund herbei zu holen". 1915 nahm der Verein eine Mostereianlage in Betrieb, 1926 kaufte er einen Krauthobel, 1929 eine Dosenverschlussmaschine und eine weitere Batterie-Baumspritze. Bei einem Jahresbeitrag von 1,40 Reichsmark pro Mitglied mussten langfristige Darlehen aufgenommen werden, um die Anschaffungen zu finanzieren. Die Kredite lösten sich dann während der Inflation gewissermaßen in Luft auf, was aus der Jahresrechnung für 1923 hervorgeht: Da ergab sich bei 15 026 Milliarden (!) Mark Einnahmen und ähnlich hohen Ausgaben ein Kassenbestand von 991 240 Mark.

1925 wurde der Verein für seine gelungene Obstausstellung geehrt, und als Nebenerwerbszweig für die Landwirtschaft wurde die Bienenzucht ins Programm aufgenommen. Außerdem verfügte der Obst- und Gartenbauverein Hirschaid über ein Brennrecht zur Erzeugung von Schnäpsen aus der Eigenproduktion von Obst. Dieses Brennrecht wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aber nicht mehr ausgeübt und - sicher zum Leidwesen vieler heutiger Mitglieder - in den 1950er-Jahren an privat verkauft.

Das Jahr 1930 war, wie der Vereinschronik weiter zu entnehmen ist, die eigentliche Geburtsstunde der Hirschaider Spargelanlagen. Bei der Flurbereinigung 1974 wurden die recht verstreuten Spargelfelder in einer Gemeinschaftsanlage mit acht Hektar Größe zusammengelegt, sodass die Pflege mit modernen Geräten erfolgen konnte.
Von 1939 bis 1946 ruhte das Vereinsleben.

Gleich nach der Wiedergründung intensivierte der vom Landwirt Matthäus Kestler geführte Verein neben dem Obstbau die Aufklärungsversammlungen und Beratungen. In den folgenden 36 Jahren bekamen Spargel und Zwetschgen aus Hirschaid einen guten Ruf.

Motorkrautschneider gekauft

Hirschaid beteiligte sich an den Dorfverschönerungswettbewerben. Bei der jährlichen Prämierung des schönsten Fensterschmucks und des gepflegtesten Gartens oder auch im "Jahr der Blumenolympiade" erhielten viele Mitglieder schöne Preise. Der Verein stellte eine motorisierte Karrenspritze, eine Motorgartenfräse, einen Motorkrautschneider und einen Rasenvertikutierer zur Verfügung. Mit Lehrfahrten zu Landes- und Bundesgartenschauen und vielen informativen wie geselligen Veranstaltungen wurde das Vereinsleben intensiviert.


Zur heutigen Blüte des Vereins trägt auch die Identität stiftende schmucke Tracht bei, in der sich die Hirschaider Obst- und Gartenbaufreunde bei Vereinsfesten gern der Öffentlichkeit präsentieren.

Das Engagement der Aktiven können die Hirschaider auch an diversen Maßnahmen der Dorfverschönerung, in der Landschaftpflege sowie im Naturschutz erkennen. Und bei Spaziergängen durch die Baugebiete von Hirschaid lohnt der Blick über die Gartenzäune: geradezu eine erholsame Parklandschaft, die da in 100 Jahren aus den vielen grünen Wohnzimmern der Hirschaider gewachsen ist. Die Arbeit daran hält gesund und macht Freude. Dafür ist die Vorsitzende Roswitha Dirmeier der beste Beweis.