Vergessene Brauerei in Bamberg: Hier floss Bier für Privilegierte
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Montag, 13. März 2017
Nur der Name einer Gasse erinnert heute noch an die Brauerei Kleebaum. Dabei ranken sich faszinierende Geschichten um die versiegte Gerstensaftquelle.
Scharf geschossen wurde, wo normalerweise Gerstensaft floss und sich die Gäste zuprosteten. So avancierte die Brauerei Kleebaum 1796 zum Schauplatz einer historischen Geiselnahme. 1833 kam's auf dem Felsenkeller der Gastwirtschaft zu einer legendären Armenspeisung, bei der 100 mittellose Bamberger zu Ehren von Königin Therese von Bayern verköstigt wurden. Auch die Geschichte eines eigenwilligen Braumeisters, der sein Bier bewusst einen Pfennig teurer als die benachbarte Konkurrenz anbot, verbindet sich mit dem Unternehmen, das einst unter der Adresse Unterer Kaulberg 7 zu finden war und ein interessantes Kapitel der Bierstadt prägte.
Ein halbes Jahrtausend
Wer erinnert sich noch an das ehemalige Gasthaus "Zum Kleebaum", das wir in der Reihe "Bambergs vergessene Brauereien" aufleben lassen? Über ein halbes Jahrtausend zurück führen die Anfänge des Hauses, das mit seiner prächtigen barocken Fassade bis 1945 das Stadtbild prägte. Wie Christian Fiedler als Autor von "Bamberg. Die wahre Hauptstadt des Bieres" recherchierte, betrieben Ulla und Anna Bischof 1504 unter der Adresse eine Büttnerei. "Erste Hinweise auf eine gastronomische Nutzung finden sich aber erst zur Mitte des 18. Jahrhunderts, als Kleebaumswirt Valentin Rudel das Anwesen besaß."
Acht Bürger entführt
Für 600 Gulden hatte Familie Rudel das Gasthaus schon weiterverkauft, als es im August 1796 zu den eingangs erwähnten historischen Ereignissen während des ersten Revolutionskrieges kam. "Nachdem die französischen Truppen vom österreichischen Erzherzog Karl bei Amberg geschlagen wurden, zogen sie sich ins Bambergische zurück", berichtet Christian Fiedler. Wobei acht angesehene Bürger offenbar als Geiseln verschleppt und in den "Kleebaum" einquartiert wurden. "Kühne kaiserliche Reiter" aber befreiten die Amberger, wie in Franz Joseph Adolph Schneidawinds Texten nachzulesen ist. Zuvor fielen noch Schüsse, "dass die Kugeln im Zimmer herumflogen", so der 1857 verstorbene Historiker. Mit "freudigem Händeklatschen und Zurufen" hätten die Bamberger die acht Amberger schließlich zum Stadttor hinaus begleitet.
Für die Bedürftigen
Von 1836 an befand sich die Brauerei in den Händen von Familie Müller. Rund 1400 Hektoliter Bier wurden Christian Fiedler zufolge in dem Bamberger Betrieb 1904 produziert. Gäste bewirteten Franz Müller und seine Frau Margarete auch im kleinen schattigen Biergarten hinter dem Brauhaus. Nicht zu vergessen: auf dem Felsenkeller am Stephansberg, wo der Bamberger Frauenverein während des ersten Theresien-Volksfestes die Armen verköstigt hatte.
Zwei Arbeiter gingen leer aus
Müller war Christian Fiedlers Recherchen zufolge ein eigenwilliger Zeitgenosse: "Sein Bier kostete stets einen Pfennig mehr als in den benachbarten Brauereien Kaiserwirt oder Röckelein." Womit im Gasthaus des "Kleebambel" genannten Brauers die bessere Gesellschaft verkehrte. Nicht jede durstige Kehle kam in den Genuss des Müllerschen Bieres. So speiste der Bamberger eines Tages offenbar zwei Arbeiter, die nach einer Maß verlangten, mit Gerstensaft von der Konkurrenz ab. Dazu schickte der Braumeister eigens seine Tochter Eva mit zwei Krügen über die Straße zum Röckeleins-Wirt, der sie laut Fiedler versorgte.
216 Menschen starben
Das letzte Kapitel der Brauerei begann im Zweiten Weltkrieg. Genauer gesagt am 22. Februar 1945, als es um die Mittagszeit zur zweiten schweren Bombardierung der Domstadt kam, bei der 216 Männer, Frauen und Kinder starben: Acht Tage nach dem "schwarzen Aschermittwoch", der 94 Menschen den Tod brachte. Sowohl die Gaststätte "Zum Kleebaum" als auch das Brauhaus wurden so schwer beschädigt, dass Wiederaufbaupläne nach dem Krieg nicht realisiert wurden. "Mit der Zerstörung verlor Bamberg nicht nur eine der angesehensten Brauereien, sondern auch eines der schönsten Bürgerhäuser", meint Christian Fiedler. Nur vergilbte Fotos, Bierfilze, Zinndeckel von Krügen und der Name einer Gasse blieben. In einem "behelfsmäßig renovierten Ersatzbau" habe Eva Müller als Tochter des letzten Eigentümers nach 1945 noch ein Gasthaus geführt. Nach einem Brand im Hinterhaus (1977) entschied man sich aber, auch die letzten Relikte der Brauerei verschwinden zu lassen, in der Rudolf Müller als letzter Braumeister 1943 letztmals Sud ansetzte. "Bei den Abrissarbeiten wurde die Historie nochmals für kurze Zeit lebendig, als man aus den Trümmern einen Gasmotor aus dem Jahr 1897 barg." Das Gerät mit einem Gesamtgewicht von rund 1,5 Tonnen "dürfte eine Leistung von sechs PS erzeugt und damit Brauereimaschinen angetrieben haben".