Druckartikel: Hexenmahnmal in Bamberg: Etwas Heilung im dunklen Kapitel

Hexenmahnmal in Bamberg: Etwas Heilung im dunklen Kapitel


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Sonntag, 02. August 2015

Das "Brandmal 2015" erinnert an die Opfer der "Hexenverfolgung" im Hochstift Bamberg. Am Sonntagnachmittag wurde es mit einem bewegenden Programms am Schloss Geyerswörth enthüllt.
Die Enthüllung des Mahnmals Foto: Matthias Hoch


Es war mucksmäuschenstill im großen Zuhörerkreis am Schloss Geyerswörth, als Schauspieler Eckhart Neuberg den berühmten Junius-Brief vortrug: "Vnschuldig bin ich in daß gefengnus kommen, vnschuldig bin ich gemarttert worden, vnschuldig muß ich sterben, dan wer in daß hauß kompt, der müß ein drutner werden oder wirdt so lang gemarttert, biß daß er etwas auß seinem kopff erdichten mus..."

Folter und Erpressung

In diesem Schreiben vom 24. Juli 1628, wenige Tage vor seiner Verbrennung als "Hexer", schilderte der Bamberger Bürgermeister Johannes Junius seiner Tochter Veronica die Grausamkeiten der Folter und die systematische Erpressung von "Geständnissen" durch Gewalt. Schauspieler Neuberg rezitierte diesen Brief in der Feierstunde am Sonntagnachmittag so eindringlich, so anrührend, dass sich einen Augenblick lang die Sonne zu verdunkeln schien. Wie passend für die Idee des "Brandmal 2015", diese bodennahe Lichtskulptur aus Cor-Ten-Stahl und Acrylglas, die das Essener Künstlerpaar Hubert Sandmann und Miriam Giessler gemeinsam mit Bürgermeister Christian Lange (CSU) und der Vorsitzenden des Bürgervereins Bamberg-Mitte, Sabine Sauer, enthüllte.

Junius war ein Opfer der herrschaftlichen "Angst vor Macht- und Kontrollverlust über die Menschen", ein Leidensgenosse von 1000 Männern, Frauen und Kindern, die allein im Hochstift Bamberg zwischen 1612 und 1631 unschuldig ihr Leben verloren. Der Historiker Professor Ulrich Knefelkamp von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder erläuterte den geschichtlichen Hintergrund der "Hexenverfolgung" im 16. und 17. Jahrhundert, bei der Bamberg unter den deutschen Territorien hinter dem protestantischen Mecklenburg und Thüringen "zu der unrühmlichen Spitzengruppe" gehörte.

"Offene Wunde"

So nannte Bürgermeister Lange dieses Kapitel der Bamberger Geschichte auch "eines der dunkelsten". Es sei "eine offene Wunde", die zur Erinnerung mahne, aber auch zum Lernen: "Wir müssen heute gegen religiöse Intoleranz, Ausgrenzung, Diskriminierung aufstehen", betonte Lange. Das "Hexenmahnmal" bringe diese zweifache zeitliche Komponente zum Ausdruck.

Der Bürgermeister verlas eine einstimmig beschlossene Resolution des Stadtrates. Dieser "legt namens der Bürgerinnen und Bürger ein eindeutiges Bekenntnis zur Unschuld der Opfer des Hexenwahns ab. (...) Die Geschichte der ,Hexenverfolgungen' zu erforschen und darzustellen, sie auch künftig im Bewusstsein der Menschen wachzuhalten, um Entwürdigung und Fanatismus künftig zu vermeiden, ist eine Aufgabe, ja eine Verpflichtung unserer Zeit", heißt es in der Stadtrats-Resolution.

Im Namen der Stadt dankte Lange dem Bürgerverein Bamberg-Mitte, dass dieser das Mahnmal initiiert habe als ein "sichtbares Signal der Auseinandersetzung mit der Geschichte Bambergs". Vorsitzende Sauer wiederum richtete ihren Dank an die Stadt, die den Platz zwischen Ludwigskanal und Rathaus Geyerswörth zur Verfügung gestellt sowie umfangreiche technische und organisatorische Hilfe bei der Aufstellung geleistet habe. Namentlich erwähnte die Rednerin Ulrike Siebenhaar, Silke Klotzek und Matthias Windfelder.

Dank an Spender

Der Dank an die großzügigen Einzelspender und institutionellen Unterstützer wie Erzbistum Bamberg, Oberfrankenstiftung, Lions-Club Michelsberg, Sparkassenstiftung fehlte nicht. Alle brachten die Gesamtsumme von 50 000 Euro für das Mahnmal "bis auf eine kleine Lücke" auf, so Sabine Sauer. Sie bat also "weiterhin um Spenden": "Jeder noch so kleine Beitrag ist ein symbolisches Zeichen Ihrer Anteilnahme", richtete sich die Bürgervereins-Vorsitzende an die Versammlung.
Sabine Sauer bezeichnete die Epoche des Hexenwahns als eine "schreckliche Narbe auf unserer Stadtgeschichte". Jedoch seien im Stadtbild keine sichtbaren Überreste der Verfolgungen geblieben. Nichts erinnere bis heute an diesen wichtigen Teil der Geschichte Bambergs.
Aus Sicht des Bürgervereins dürfe Geschichte aber nicht teilbar sein, "weil sie ein Teil der kulturellen Identität ist - auch und gerade der dunklen Seite muss man sich stellen und daraus lernen", erklärte Sabine Sauer.
Auch das Künstlerpaar Sandmann und Giessler sprach von einem "dunklen Kapitel, in das dieses Brandmal etwas Heilung, vielleicht Vergebung bringen kann". Es sei ein "abstrahiertes Bild, das Assoziationen zulässt" - von der einzelnen offenen Wunde bis hin zu einer Warnung vor der Verharmlosung bestimmter Gesinnungen, die Ausgrenzung und Fremdenhass befördern. "Das Brandmal muss nicht allen gefallen", räumten die Künstler ein. Doch es solle "zum lebendigen Austausch beitragen".
Gefallen fanden immerhin die drei Mitglieder der Bamberger Symphoniker, Holger Brust, Markus Mester und Johannes Trunk, die mit Barocktrompeten und Barockpauke Stücke aus der Suite von André D. Philidor (1685) zu Gehör brachten.