Druckartikel: "Heutiger Papst wäre wütend wie Luther"

"Heutiger Papst wäre wütend wie Luther"


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Mittwoch, 02. November 2016

Der Dekanatsgottesdienst zum Reformationstag stand im Zeichen des 500. Reformationsjubiläums - vollendet evangelisch und spürbar ökumenisch.
Dekan Hans-Martin Lechner begrüßte zum Reformationsgottesdienst in der Erlöserkirche. Foto: Barbara Herbst


Mit den Worten "Hier stehe ich, ich kann nicht anders" soll Martin Luther am 18. April 1521 seine Verteidigungsrede vor dem Reichstag in Worms beendet haben. Er zeigte sich standfest, kompromisslos. So wie es auch seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel waren, die er einige Jahre zuvor für jedermann sichtbar an die Pforte der Schlosskirche zu Wittenberg anschlug. 500 Jahre später feiert die protestantische Welt nun die von Luther angestoßene Reformation. Auch Bamberg, die katholische Bischofsstadt, feiert in evangelischer Selbstvergewisserung. So am Reformationstag, dem 31. Oktober, mit einem Gottesdienst für den ganzen evangelischen Dekanatsbezirk Bamberg in der Erlöserkirche - als Auftakt zu einem Veranstaltungsreigen bis November 2017.

Von der Unversöhnlichkeit Martin Luthers mit dem römischen Papsttum seiner Zeit war Dekan Hans-Martin Lechner allerdings weit entfernt.

In der voll besetzten Kirche würdigte er den "besonderen Abend, mit dem das Reformationsjubiläumsjahr beginnt": Im schwedischen Lund starte es ökumenisch mit Papst Franziskus und dem Präsidenten des Lutherischen Weltbundes, Munib Younan.

Dekan Lechner verwies auf die lebendige Ökumene am hiesigen Ort und begrüßte stellvertretend den katholischen Diakon Ulrich Ortner, der gemeinsam mit den Pfarrern der evangelischen Gemeinden Bambergs in die Erlöserkirche eingezogen war. "Ich bin mir sicher, dass viele Katholiken hier dabei sind!", schaute ein strahlender Dekan in die Bankreihen. Aber: "Gott sehe uns jetzt alle an mit seinem liebevollen Blick!", lenkte Lechner von irdischen Augenmerken in die himmlische Richtung.


Ganzer Mensch als "Ebenbild Gottes"

"Der ganze Mensch im Blick - Reformation heute" lautete das Motto dieses Gottesdienstes. Der "ganze Mensch als Ebenbild Gottes ist zentrales Anliegen im Diakonischen Werk", führte Anette Simojoki, Pfarrerin an der Erlöserkirche, dieses Leitwort weiter aus. So fehlten auch Statements von Mitarbeitern dieses Wohlfahrtsverbandes der evangelischen Kirche nicht. Kinder, Senioren oder Flüchtlinge: Das Diakonische Werk Bamberg-Forchheim trägt Sorge für den ganzen Menschen mit Körper, Geist und Seele, mit seinen Hoffnungen, Träumen, Chancen und Talenten, wie Veronika Schießer (Kinderhaus St. Stephan), Wolfgang Streit (Altenhilfe) und Diana Könitzer (Asylsozialarbeit) deutlich machten.


Mahnung zur Umker

In Luthers Fußstapfen als wortgewaltiger Prediger stieg schließlich Pfarrer Michael Bammessel, Präsident des Diakonischen Werkes Bayern, aus Nürnberg. Er räumte ein, dass heute wohl kaum jemand die 95 Thesen verstehen würde, die damals die Christenheit in Aufruhr versetzt hätten. Gleichwohl zitierte Bammessel die erste These Luthers als nach wie vor aktuelle: "Gott will, dass das ganze Leben des Menschen sei Buße." Prediger Bammessel übersetzte das Wort "Buße" mit "Umkehr, Sinneswandel". "Wenn von dem Jubiläumsjahr nicht der Anstoß zur Umkehr ausgeht, können wir es vergessen und hätten Martin Luther gründlich missverstanden!" Es gelte, durch die Gnade Gottes neu anzufangen auf dem Weg mit dem Ziel, ein ganzer Mensch zu werden: "Sind wir mutig, glaubwürdig und konsequent genug in der Not der Menschen? Wir können nicht nur eine tolle christliche Fassade aufbauen!", mahnte Bammessel. Zum Beispiel also Reichtum auf dem Rücken der Armen ansammeln, wie es vor 500 Jahren der Papst mit dem Verkauf von zweifelhaften Ablässen getan habe. "Der heutige Papst Franziskus wäre darüber wütend wie Luther!", erkannte Bammessel einen entscheidenden Gesinnungswandel.

In guter evangelischer Tradition war dieser Gottesdienst zum Reformationstag vorzüglich musikalisch durch den Dekanatsposaunenchor und Liturgischen Chor gestaltet sowie von einem stimmkräftigen Gemeindegesang begleitet. Auch dabei grüßte Luther: Sein Lied "Ein feste Burg ist unser Gott" erklang wie eine Hymne.