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Chefarzt-Prozess in Bamberg: Heute fällt das Urteil


Autor: Anna Lienhardt

Bamberg, Montag, 17. Oktober 2016

Der Prozess gegen Heinz W. geht zu Ende. Wer in das Gebäude des Bamberger Landgerichts will, kann sich ab 7.45 Uhr eine Platzkarte holen.
Ein Foto vom Prozessauftakt: Die Verhandlung begann am 7. April 2015 unter großem Publikums- und Medieninteresse. Auch für die Urteilsverkündung werden zahlreiche Zuhörer erwartet.  Foto: Matthias Hoch


Es war der 7. April 2015, als Heinz W. (51) das erste Mal vor der Zweiten Strafkammer des Bamberger Landgerichts stand. Heute, eineinhalb Jahre später, wird in diesem größten Prozess der Bamberger Justizgeschichte das Urteil fallen.

Insgesamt 70 Verhandlungstage dauerte die Suche nach der Wahrheit, wobei die Fronten der gegnerischen Parteien von Anfang an verhärtet waren - und es bis zum Ende blieben. Auf der einen Seite sieben Rechtsanwälte, die insgesamt zwölf junge Frauen vertraten, die sogenannten Nebenklägerinnen. Auf der anderen Seite der ehemalige Chefarzt für Gefäßchirurgie am Bamberger Klinikum. Drei Verteidiger brachte er mit, um für seine Unschuld zu kämpfen.

Heute wird sich zeigen, wie die drei Berufsrichter und zwei Schöffen entscheiden: Die Urteilsverkündung ist auf 10 Uhr terminiert. Aber Achtung: Wer im Sitzungssal am Wilhelmsplatz dabei sein möchte, braucht eine Platzkarte. Denn wie schon bei Prozessauftakt, ist mit einem großen Publikums- und Medieninteresse zu rechnen.
Gerichtssprecher Leander Brößler erklärt: Etwa 50 Platzkarten stehen für Zuhörer zur Verfügung. Die Zugangskärtchen werden direkt vor dem Jusitzgebäude verteilt, das um 7.45 Uhr seine Pforten öffnet. Das Urteil, das rund zwei Stunden später fallen soll, wird, so der aktuelle Stand am Freitag, wahrscheinlich komplett in öffentlicher Sitzung verkündet.

Während des Mammut-Prozesses hatte das Publikum immer wieder den Sitzungssaal verlassen müssen, um Persönlichkeitsrechte und Intimsphäre von Angeklagtem und Nebenklägerinnen zu schützen. Zuletzt waren auch sämtliche Plädoyers unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehalten worden.

Zum groben Inhalt und Aufbau der Schlussvorträge hatte Gerichtssprecher Brößler im Nachgang noch einige Informationen geliefert. Der Oberstaatsanwalt hatte wegen schwerer Vergewaltigung die Höchststrafe von 15 Jahren Haft gefordert, Heinz W.s Verteidiger dagegen einen Freispruch - der Angeklagte sei kein Sexualstraftäter. Sollte dem Mediziner ein Schuldspruch drohen, müsse der Strafrahmen des minderschweren Falls angewendet werden: sechs Monate bis fünf Jahre.


Etliche Anträge wurden gestellt

Bis zuletzt hatten Prozessbeobachter damit gerechnet, dass einer der drei Chefarzt-Verteidiger erneut Anträge stellt. Dass die Verteidigung ungewöhnlich viele Beweis- und vor allem Befangenheitsanträge stellte, war für dieses Verfahren genauso charakteristisch wie dessen Länge.

Doch wie viele Anträge die Verteidigung genau stellte, lasse sich laut Gerichtssprecher Brößler zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen: Zu jedem der 70 Verhandlungstage sei ein eigenes, mehrseitiges Protokoll erstellt worden. In diese umfangreichen Unterlagen, die am Ende fertig gestellt würden, habe er keine Einsicht.
Andere Zahlen liefert er dagegen: So sagten insgesamt 115 Zeugen aus, darunter die zwölf Nebenklägerinnen. Außerdem wurden elf Sachverständige im Sitzungssaal im Bamberger Landgericht gehört.

Apropos Sitzungssaal: Dort fiel so manchem Besucher auf, dass der Angeklagte, obwohl in U-Haft, der Verhandlung stets ohne Fußfesseln beiwohnte. Wie Gerichtssprecher Leander Brößler auf FT-Anfrage ausführt, sei dies mit dem "Verhältnismäßigkeitsgrundsatz" zu erklären. Der Richter entscheidet je nach Einzelfall, ob einem Angeklagten für die Dauer der Verhandlung die Fesseln abgenommen werden oder nicht.

Entscheidend sei, dass "die Ordnung und Sicherheit in der Sitzung" hergestellt ist, und "wie wahrscheinlich die Flucht des Angeklagten oder eine Gefährdung anderer" sei. Anwesend sind stets zwei sogenannte Vorführbeamte in der Nähe des Angeklagten, sowie ein Wachtmeister. Und was ist mit dem Transport? Für diesen ist die Polizei verantwortlich.

Thomas Schreiber, der neue Chef der Polizeiinspektion Bamberg-Stadt, erläutert: In seiner vorherigen Dienststelle in Bayreuth habe man sich dazu entschlossen, Gefangenen grundsätzlich Fußfesseln beim Transport anzulegen. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Häftlinge Fluchtgelegenheiten ergreifen." Nach einer "rechtlichen Prüfung" in Bamberg sei man hier auch zum generellen Transport mit Fußfesseln übergegangen und weg von der Einzelfallentscheidung.


Nur wenige Ausnahmen

Gerade, wenn Personen in der Lage seien, sich dank ihrer finanziellen Mittel und sozialen Kontakte dem Strafverfahren zu entziehen, "schauen wir besonders hin". Ausnahmen seien Menschen, die "nicht schnell gehen können". Oder, wenn sicher ein Freispruch zu erwarten sei.

Im Falle von Heinz W. spricht Schreiber von einem "Gentlemen's Agreement": Sobald sich der Angeklagte im Gerichtsgebäude befinde, seien die Fluchtmöglichkeiten eingeschränkt. Deshalb würden ihm beim Aussteigen aus dem Polizeibus die Fußfesseln aufgeschlossen.