Heinz W. will raus aus der Haft
Autor: Peter Groscurth
Bamberg, Montag, 08. Juni 2015
Der Angeklagte kündigte gegenüber der inFranken.de an, bald einen Antrag zur Haftprüfung zu stellen. Zunächst hat sein Verteidiger aber zwei weitere Befangenheitsanträge gegen das Gericht vorgelegt.
Im Missbrauchsprozess gegen Heinz W., einen ehemaligen Chefarzt des Bamberger Klinikums, gab es auch am zehnten Verhandlungstag weitere Verzögerungen. Grund hierfür sind zwei neue Anträge von Verteidiger Dieter Widmann gegen die Richter wegen Befangenheit. Bis Dienstag kommender Woche sind nun die weiteren Verhandlungstermine gestrichen worden.
Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Manfred Schmidt die Entscheidung bekannt gegeben, wonach ein erster Befangenheitsantrag gegen die Kammer des Landgerichts Bamberg abgelehnt worden ist.
Verfahren läuft seit April
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mediziner Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und gefährliche Körperverletzung vor. Im Klinikum soll er Patientinnen ruhig gestellt und sich an ihnen vergangen haben. Der Spezialist für Gefäßchirurgie dagegen beteuert, aus rein medizinischen Gründen gehandelt zu haben. Eine sexuelle Motivation weist er im Prozess zurück. In der Vorwoche hatte die Strafkammer bereits einen Befangenheitsantrag gegen einen medizinischen Gutachter abgelehnt. Daraufhin ließ der Angeklagte einen Befangenheitsantrag gegen die Kammer stellen.
Das Verfahren läuft seit Anfang April, es sind bereits Termine bis September festgelegt. Allerdings sind sich Prozessbeteiligte mittlerweile einig, dass mit einem Urteil wohl erst frühestens Ende des Jahres gerechnet werden könne. Im Falle einer Verurteilung droht dem Mediziner, der seit 20. August 2014 in U-Haft sitzt, eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren.
Der frühere Chefarzt - ein renommierter Gefäßchirurg - glaubt derweil fest an seine Unschuld. Dies wurde auch deutlich, als er gestern vor Gericht eine Behandlung einer minderjährigen Thrombose-Patientin rechtfertigte, die er im Juli 2014 außerhalb der normalen Behandlungszeiten im Klinikum wegen Beschwerden untersuchte. Dafür hatte er ihr auch ein Kontrastmittel verabreicht. Er wies Anschuldigungen von sich, wonach er ihr ein Beruhigungsmittel gegeben habe und die Frau bewusstlos gewesen sei. "Ich kann ausschließen, dass sie das Bewusstsein verloren hat", fügte er auf Nachfrage an. Er bestätigte aber, neben einem Video auch Fotos des Intimbereichs der jungen Frau gemacht zu haben. "Ich wollte so die bestmögliche Qualität einer Befunddokumentation gewährleisten", gab er als Gründe an. Allerdings blieb unklar, was mit diesem Befund passierte.
Klar wurde dagegen, welche Spuren der Prozess bei ihm hinterlässt. Während einer Verhandlungspause kündigte Heinz W. gegenüber dem Fränkischen Tag an: "Ich behalte mir das Recht vor, beim Vorsitzenden Richter einen Antrag auf Haftprüfung zu stellen." Kurz gesagt: Er hofft wohl darauf, bald schon - wenigstens vorläufig - auf freien Fuß zu kommen. Bis es allerdings soweit sein könnte, will er weiter seine Sicht der Dinge darlegen, warum er die Fotos und Videos von Patientinnen gemacht habe.
Hohe Fluchtgefahr?
Er und seine Verteidigung gehen nach eigenen Schätzungen davon aus, dass dies noch etwa drei Verhandlungstage dauern könnte. "Erst dann wird das Gericht aufgrund meiner Darlegungen eine richtige Entscheidung bezüglich meiner U-Haft treffen können", ist sich der Angeklagte sicher. Doch die Aussichten auf eine Beendigung der U-Haft stehen wohl nicht gut. Justiz-Insider betonen, dass Heinz W. im Falle einer Verurteilung eine lange Gefängnisstrafe drohe - und damit bestünde bei ihm eine hohe Fluchtgefahr. Genau die könnte ein Hauptargument für die Beibehaltung der U-Haft sein.
Es verwundert wenig, wenn die Nerven in dem zäh verlaufenden Prozess blank liegen. Der Staatsanwaltschaft warf der Angeklagte in der gestrigen Sitzung sogar Verleumdung vor. Und zwar als es um die Menge des sichergestellten Fotomaterials ging. Hier gebe es Zahlen, die viel zu hoch gegriffen seien, schimpfte der Mediziner. Und erklärte in Richtung von Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb: "Fünf Jahre würde ich Ihnen gönnen in dem Szenario da drüben, in dem ich mich befinde." Womit er seine U-Haft in der JVA Bamberg meinte. Einen Gefallen dürfte sich der Angeklagte mit seiner Äußerung allerdings nicht gemacht haben, denn nach dem Prozesstag nahm sich Oberstaatsanwalt Lieb den Verteidiger des Angeklagten zur Seite und verdeutlichte ihm in unmissverständlichen Worten, dass er sich den Vorwurf der Verleumdung künftig verbitte.
Eine Frau, die gestern als Zuhörerin der Verhandlung beiwohnte, meinte unsicher: "Wie soll man denn in diesem ganzen Hin und Her noch den Überblick behalten?" Da hat sie wohl für viele Beteiligte genau die richtige Frage gestellt.