Druckartikel: Hat die Wunderburger Kirche einen Zwilling in Amerika?

Hat die Wunderburger Kirche einen Zwilling in Amerika?


Autor: Sabine Christofzik

Bamberg, Samstag, 08. Juli 2017

Durch Zufall ist Sieglinde Richter zu einem Bild der Kirche St. Mary im deutschen Viertel von Columbus/Ohio gekommen.
Neogotik war seinerzeit wohl auch in den Staaten modern. Sieglinde Richter zeigt das Bild, das sie aus Amerika geschickt bekommen hat. St. Mary wurde 1868 und "Maria Hilf" 1892 geweiht. Fotos: Christofzik/Rinklef


Kann es sein, dass die Wunderburger Kirche "Maria Hilf" einen Zwilling in Amerika hat? Das dachte sich Sieglinde Richter, als sie eines schönen Tages im November ihre Post aufmachte. Der Briefträger hatte eine Dokumentenröhre bei ihr abgeliefert. 22,50 Dollar war dem Absender der Versand wert.

"Heraus fiel ein zusammengerolltes Poster mit dem Bild der Kirche St. Mary of the Assumption in Columbus im US-Staat Ohio", erzählt sie. "Nur das - kein Brief und kein Zettel war dabei."

Von wem die unerwartete Sendung kam, war ihr dagegen klar: vom Ehemann ihrer guten Bekannten und Hin-und-Wieder-Kollegin Betty aus dem Diözesan-Büro von Palm Beach (Florida).

"Charles, der Chuck genannt wird, wollte mir seine Heimatpfarrkirche zeigen. Er ist Nachfahre deutscher Einwanderer." Dass er damit in Hallstadt, wo Sieglinde Richter wohnt, große Verblüffung auslöste, konnte er nicht ahnen.

Wie eine große Schwester von "Maria Hilf" wirkt "St. Mary" auf den ersten Blick. Der Vergleich mit einem Zwilling hält auf den zweiten Blick dann doch nicht stand.


Etwas älter

"Aber trotzdem ist ein große Ähnlichkeit da. Und das hat mir keine Ruhe gelassen. Ich habe im Internet bestimmt noch nicht alles gefunden, was über die Kirche zu erfahren ist, aber doch so einiges. Sie ist etliche Jahre älter als die in der Wunderburg. Baubeginn war 1866 und Weihe 1868. Der 60 Meter hohe Kirchturm wurde erst 1893 fertiggestellt. Wirklich interessant ist, dass es auch in ihrer unmittelbaren Nähe einige Brauereien gibt."

Die römisch-katholische Kirche St. Mary ist das größte Gotteshaus im "German Village", der ab Mitte des 19. Jahrhunderts von deutschen Einwanderern errichteten Siedlung. Etwa ein Drittel der Bevölkerung von Columbus damals war deutscher Abstammung. Sie brachten auch ihre Brau-Traditionen mit über den Atlantik.

Sieglinde Richter hatte schon einige Zeit im Internet recherchiert, als sie auf die Meldung stieß, dass die Pfarrkirche, zu deren Sprengel etwa 500 Familien gehören, zurzeit gar nicht genutzt werden kann. Am 25. September 2016, einem Sonntag, wurde sie vom Blitz getroffen. Turm und Dachkonstruktion wurden dabei so beschädigt, dass bis auf Weiteres keine Gottesdienste mehr darin stattfinden können.


Vom Blitz getroffen

"All das hätte mein Bekannter doch wissen müssen, als er mir das Bild geschickt hat", sagt Sieglinde Richter, klärt aber dann gleich auf: "Sein Sohn, der noch in Columbus wohnt, hatte ihm nichts von diesem Ereignis erzählt. Er hat es quasi von mir, aus dem fernen Deutschland, erfahren und er deswegen entsprechend mit dem Filius geschimpft."

Wie kommt eine Hallstadterin überhaupt zu diesen Kontakten in Amerika? "Meine älteste Tochter lebt mit ihrer Familie in den USA. Die beiden Enkel sind dort. Der große ist jetzt 26. Wir sind viel hin und her gereist in den ersten Jahren. Dann haben mein Mann und ich uns ein Appartement in Boca Raton gekauft, um auch über längere Zeit mal bei diesem Teil unserer Familie sein zu können".

Die Richters waren/sind in der Erzdiözese Bamberg eine feste Größe. Georg Richter, der vor fünf Jahren verstorben ist, als Geschäftsführer der Josefstiftung und in vielen Ehrenämtern aktiv, Sieglinde über 20 Jahre als Religionslehrerin und ebenfalls in kirchlichen Ehrenämtern vielfältig engagiert (für die Pfadfinder sogar bis auf europäische Ebene).


Auch in der Wahlheimat auf Zeit in der Kirche engagiert

Deshalb lag es für sie nahe, sich auch in ihrer Wahlheimat auf Zeit (vor kurzem ist sie erst von einem viermonatigen Aufenthalt dort zurückgekommen) in der Kirche zu engagieren. So hat sie Betty McKinley kennengelernt. "Sie ist sieben Tage älter als ich, hat im gleichen Jahr geheiratet und einen Sohn im gleichen Alter. Wir haben uns sofort verstanden. Sie arbeitet im Diözesanbüro von Palm Beach. Damals hat sie sofort gesagt ,Dich können wir brauchen'".

Sieglinde Richter kümmert sich um Übersetzungsarbeiten für den Bischof, packt aber auch anderswo an, wo sie gebraucht wird. Zum Beispiel bei der Betreuung alter Menschen in der Tagespflege.


Die Kirche lässt ihr keine Ruhe

Bei allem, was sie sonst beschäftigt, lässt sie das Schicksal ihrer "Zufallsbekanntschaft", der beschädigten Kirche in Columbus, nicht los.

Bei ihren Recherchen zur Kirche und zum German Village ist sie auf Youtube unversehens auf Musik der Bamberger Don Bosco Musikanten gestoßen. "Wenn man das Video mit dem Glockengeläut von St. Mary angeklickt hat, kamen zum damaligen Zeitpunkt als weitere Empfehlungen im Zusammenhang mit dem German Village Beiträge, die mit Musik aus Bamberg unterlegt sind.

Ich hatte Chuck McKinley mal eine CD der Don Bosco Musikanten geschickt, die mein Mann Georg ,Schorsch' Richter fast 50 Jahre lang dirigiert hat. Dass das auf diese Weise ins Internet gekommen und so mit dem Gebiet, in dem die Kirche steht, verbunden ist, wusste ich nicht."


"Kann sowas Zufall sein?"

Und jetzt holt Sieglinde Richter tief Luft. "Kann sowas Zufall sein? Ich glaube das ist was anderes. Pfarrer Markus Wolf, der für die Wunderburger Pfarrei zuständig ist, ist der Vetter des jetzigen Don-Bosco-Dirigenten. Es wäre doch ganz wunderbar, wenn vielleicht aus der Wunderburg ein ganz kleines bisschen Hilfe für diese von außen so ähnliche, vom Unwetter zerstörte Kirche kommen könnte.

Sechs Millionen Dollar soll die Wiederherstellung kosten, die hauptsächlich aus Spenden zu finanzieren sind, da die Versicherung nur einen kleinen Betrag zahlt. Es muss ja nicht viel sein. Nur symbolisch. Vielleicht der Erlös eines Konzerts zur Wunderburger Kirchweih?"