Druckartikel: Hat Bamberg zu viel Schotter? Oder zu wenig?

Hat Bamberg zu viel Schotter? Oder zu wenig?


Autor: Michael Wehner

Bamberg, Donnerstag, 15. Oktober 2015

Im Kultursenat wurde über Sinn und Unsinn von Lavasteinen in Bauminseln gestritten. Vorerst scheint es keine Alternative zum praktischen, aber lebensfeindlichen Geröll in der Innenstadt zu geben. Die Grünen wünschen sich: mehr Grün.
Vor allem in der Innenstadt sind Baumscheiben mit Lavasteinen praktisch an jeder Straßenecke zu finden. Unser Bild zeigt den Busbahnhof an der Promenade.   Fotos: Ronald Rinklef


Wenn Gertrud Leumer durch die Stadt geht, dann fällt ihr Blick auch auf die Kleinigkeiten am Straßenrand. Viele würden achtlos darüber hinweglaufen, aber die grüne Stadträtin, in Bamberg auch als Kräutergärtnerin bekannt, mag sie nicht - die braunen Steininseln, die seit mehreren Jahren Hunderte von Innenstadtbäume umgeben. "Das sind lebensfeindliche Zonen, die nicht sein müssten, auch in der Stadt."

Ihre Kritik ist nicht neu: Insekten und Kleinstlebewesen finden auf nacktem Stein nunmal keine Nahrung, und auch wirtschaftlich sei diese Form der Grüngestaltung ein Rückschritt: "Nach fünf Jahren müssen die Baumscheiben von Dreck und Staub befreit werden. Das ist eine echte Sträflingsarbeit."

Gertrud Leumer packt ein Thema an, das die Menschen polarisiert, seit an Straßenrändern und in deutschen Vorgärten immer mehr Steine auftauchten: Was manche gradheraus als "a saubara Sach" bezeichnen würden, ist der grünen Fraktion im Stadtrat aber ein Dorn im Auge. Gemeinsam mit Fraktionskollegen und anderen Mitstreitern pflanzten sie kürzlich demonstrativ eine Insel der Lebensvielfalt in die aus ihrer Sicht armselige Lava-Einöde. Am Wilhelmsplatz sprießen seitdem aus kargem Kleinsteingeröll Ringelblumen, Lavendel und Fette Henne, Pflanzen, die eine Woche nach der Aktion freilich schon etwas mitgenommen wirken.

Auch Stadtrat Wolfgang Grader (GAL) nimmt kein Blatt vor den Mund. 2010 ist die Stadt dem Bündnis für biologische Artenvielfalt beigetreten, doch der Blick nach unten zeigt steinerne Einfalt in mittlerweile 1300 (!) Baumscheiben. Vieles wäre aus Graders Sicht besser als die künstliche Wüste rund um Bambergs Stadtbäume. Bodendecker oder heimische Gräser: "Wir haben als Stadt auch eine Vorbildfunktion gegenüber unseren Bürgern."

Freilich: In der Sitzung des Kultursenats wurde rasch deutlich, dass das Gartenamt das aus der Eifel stammende Granulat nicht aus Jux und Tollerei in immer mehr Baumscheiben implantiert. Es sind vor allem zwei Gründe, die Gartenamtsleiter Robert Neuberth und seine Mitarbeiter zum Lavastein greifen lässt: Der Zwang zu sparen ("immer weniger Geld, immer weniger Personal"), aber auch eine gewisse Ordnungsliebe mancher Bamberger, die "jeden vorwitzigen Sauerampferspross" in einer Pflanzinsel als störendes Unkraut identifizieren und umgehend beim Gartenamt melden.


Verdunstung ist geringer

Umgekehrt sorgt das Lavafeld für relative Ruhe auch bei anderen Störenfrieden. Hunde etwa meiden die Steine ohne Pflanzenbewuchs und lassen hier auch seltener ihre Tretminen fallen. Mindestens so wichtig ist aber die geringere Verdunstung aufgrund der durchgehenden Bodenabdeckung, die sich in einem heißen Sommer beim Gießen durchaus bemerkbar macht. In der Summe würde eine Bepflanzung bedeuten, dass das Gartenamt pro Jahr etwa vier Mal tätig werden muss, was sich kaum darstellen lässt, sagt Neuberth.

Dagegen schneidet der Bamberger Baumschotter als geradezu pflegeleicht ab, denn auch der Anflug von Samen findet auf den Steinen kaum Halt. Und von unten ist mit einem Textil-Vlies gegen Eindringlinge vorgesorgt.

Die Mehrheit im Kultursenat sah angesichts dieser Argumente und der Vorteile gerade für die Bewässerung wenig Bedarf, den ökologischen Kurswechsel zu unterstützen, wie ihn die Grünen vorgeschlagen hatten. Allenfalls zeigte man Bereitschaft, nicht noch mehr Baumscheiben in Bamberg mit den lebensfeindlichen Steinen zu bedecken und den Naturschutzbeirat um eine Stellungnahme zu bitten.

Aber vielleicht gibt es einen anderen Weg, wieder etwas mehr Grün ins Stadtbild zu bringen, ohne die Kosten gleich ins Unermessliche wachsen zu lassen? Die Grünen regen Baumpatenschaften an, bei denen interessierte Anwohner nicht nur für den Baum, sondern auch für das Drumherum sorgen könnten. "So hätten alle was davon."
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