Hat 57-Jährige 100.000 Euro aus der Stadtkasse von Scheßlitz genommen?
Autor: Sebastian Martin
Scheßlitz, Montag, 02. Mai 2016
Eine Mitarbeiterin des Scheßlitzer Rathauses wurde 2015 wegen Untreue verurteilt - und ging in Berufung. Sie beteuert ihre Unschuld.
Seit die 57-Jährige im Mai 2015 vom Amtsgericht Bamberg wegen Untreue in 39 Fällen verurteilt wurde, ist die Rathausangestellte im Krankenstand. Sie leidet unter psychischen Problemen, gibt die Frau vor Gericht an. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Bamberg gegen sie sind auch nicht gerade klein: Als Leiterin der Stadtkasse soll sie im Scheßlitzer Rathaus zwischen Dezember 2009 und Februar 2013 insgesamt 102.200 Euro veruntreut haben.
Immer wieder soll sie Geld genommen haben, dabei Buchungen so manipuliert haben, dass Differenzen auf Konten oder in Kassen nicht auffielen. Unterschrieben waren alle Vorgänge von der Beschuldigten selbst, deshalb war klar, dass eigentlich nur sie als Täterin infrage kommen könnte. Das Amtsgericht Bamberg verurteilte die Frau dann auch zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung.
Verteidigung will Freispruch
Doch bestreitet die 57-Jährige weiterhin, überhaupt Geld aus der Stadtkasse genommen zu haben. Im Berufungsprozess am Landgericht Bamberg forderte ihr Bamberger Verteidiger Thomas Drehsen am Montag Freispruch. Er legte unter anderem dar, dass weder seine Mandantin noch deren Mann Geldsorgen hatten. In dem Berufungsprozess wurden neun Zeugen gehört, unter anderem Altbürgermeister Franz Zenk und sein Nachfolger Roland Kauper (beide CSU), der damals Zweiter Bürgermeister war.
Mangelhafte Sorgfalt
Was sich in der Verhandlung offenbarte, waren erhebliche Mängel in der Sorgfalt der Kassenführung. Die Angeklagte hatte offenbar nur unzulänglich die Tagesabschlüsse geprüft, die einzelnen Buchungsposten kaum oder gar nicht kontrolliert.
Diesen Umstand legte die Beschuldigte vor Gericht zu ihrem Vorteil aus: Dadurch habe sie von den Manipulationen gar nichts mitbekommen, denn unter dem Strich hätten Kassen- und Kontostand übereingestimmt. Ihr Verteidiger betonte: "Meine Mandantin hatte gar nicht die Zeit, sämtliche Tagesabschlüsse zu kontrollieren!" Sie habe viele Buchungen durchzuführen gehabt und sei ständig durch Publikumsverkehr abgelenkt worden. Der Vorsitzende Richter sprach zwar von einer katastrophalen Kassenführung, dennoch befand das Gericht, dass die Frau sehr wohl die Buchungen eines Tages hätte überblicken können. Was zumindest einen anderen Täter wahrscheinlich macht, hat mit dem elektronischen Buchungssystem der Stadt zu tun. Denn den Zugang zu dem Programm hatte die Beschuldigte zwar. Doch konnten weitere fünf Mitarbeiter mit der selben Benutzerkennung darauf zugreifen. Ein Passwort gab es nicht. So hätten also auch noch andere Personen mit dem Zugang der Angeklagten Manipulationen vornehmen können. Geprüft werden soll nun noch auf Antrag der Verteidigung, ob Bewegungen zwischen Barkasse und Konto ohne Wissen der Angeklagten gefälscht worden sein könnten.
Ex-Standesamtsleiterin im Visier
Die Verteidigung verdächtigt vor allem die Ex-Leiterin des Standesamtes der Stadt. Diese wurde bereits wegen Untreue verurteilt. Die Frau hatte über einen längeren Zeitraum gut 12.000 Euro aus der Kasse des Standesamts genommen. Durch eine unangemeldete Kontrolle des Kommunalen Prüfungsverbands hatte die Ex-Mitarbeiterin gestanden, das öffentliche Geld gestohlen zu haben. Im Zuge der Prüfung traten auch die Unregelmäßigkeiten der Hauptkasse zutage. Im Prozess sprach eine Prüferin von "gravierenden Defiziten", die die Kontrolleure bei der Stadtkasse feststellten: "Vieles, das gelaufen ist, hätte gar nicht so laufen dürfen." So gab es neben der Hauptkasse mehrere Handkassen, die intern nur selten geprüft wurden: Die Kasse des Standesamtes damals sogar nur ein Mal im Jahr. Ein Vieraugenprinzip bestand ebenso nicht. Die Stadtverwaltung hat inzwischen nachgebessert und den Kassenbereich umstrukturiert.
Ein erneutes Urteil ist in zwei Wochen zu erwarten.