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Happy Birthday, Lichtspiel! Bamberger Kino wird 20


Autor: Petra Mayer

Bamberg, Dienstag, 26. Mai 2015

Rückblende zum Zwanzigsten: Das Lichtspiel feiert ab 31. Mai drei Tage lang und lässt mit Filmklassikern für Cineasten die Vergangenheit aufleben. Ein Anlass für uns, ein Kapitel Bamberger Kinogeschichte zu beleuchten, das mit Namen wie Claude Sautet oder etwa Jim Avignon verbunden ist.
"Bestes Kino Deutschlands"


"Bestes Dokumentarfilmkino Deutschlands", "Bestes Kino Bayerns", "Bestes Kinoprogramm Deutschlands": Nur drei von diversen Auszeichnungen, die das Lichtspiel in den vergangenen zwei Jahrzehnten einheimste. Mit Filmkunst jenseits des Mainstreams profilierte sich das Bamberger Programmkino. Zum runden Geburtstag am 31. Mai bescheren die Betreiber Cineasten Klassiker bis zurück in die Stummfilmära. Während wir ein Kapitel Kinogeschichte aufleben lassen, das im Grunde noch viel weiter zurückreicht.

"Jung sein - jung werden!" in den 50er Jahren
Schon in den Wirtschaftswunderjahren gab es in der Unteren Königstraße 34 ein Kino, bekannt unter dem Namen "Rex - Lichtspiele". Daran erinnert Gerrit Zachrich als Cineast und Geschäftsführer des heutigen Programmkinos in seiner Chronik. "Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt" hieß der Heimatfilm, der Bamberger in die Eröffnungsvorstellung am 30. Juli 1954 ziehen sollte: Ein Werk, das "den Alltag vergessen lässt nach dem Motto: ,Jung sein - jung werden!", wie die Anzeige der Kinogründer versprach.

Als "Rex Erotica"
Zehn Lichtspieltheater gab es zu dieser Zeit noch in Bamberg. Dann entwickelte sich das Fernsehen zum Massenmedium und beendete die goldenen Zeiten. Nach dem Motto "Sex sells" erlebten die "Rex Lichtspiele" in den 70ern als "Rex Erotica" zwar noch eine zweite Hochphase. Bald aber war auch dieses schlüpfrige Intermezzo Geschichte und die zweite Karriere des Lichtspiels als Programmkino begann.

Dafür sorgten 1993 zwei Berliner Cineasten, die aus dem "Rex" das "Residenz" machten, so Zachrich. Von ihnen übernahm der heutige Betreiber 1995 das Kino, das er mittlerweile zusammen mit Diana Linz führt. Schon zu Studentenzeiten hatte der Unternehmer die Bamberger Kurzfilmtage als ältestes bayerisches Kurzfilmfestival mitbegründet, einen studentischen Filmclub initiiert und die ersten Bamberger Dokumentarfilmtage organisiert. Mit dem Lichtspiel begnügten sich die Programmkinomacher in Bamberg auch nicht allzu lange und eröffneten daneben 2002 noch das Odeon als Haus für breiter angelegte Arthousefilme.

"Muriels Hochzeit" zur Eröffnung
Doch zurück zum Lichtspiel, wo zur Eröffnung am 31. Mai 1995 "Muriels Hochzeit" über die Leinwand lief. In den Jahren darauf standen neben Erfolgen, die das Programmkino feierte, Krisenzeiten: "Lange Jahre war nicht klar, ob das Kino dieses auserlesene Programm überhaupt überleben würde", meint Zachrich. So bedanken sich die Betreiber seit Januar zum runden Geburtstag beim Publikum auch mit einer Klassikerreihe (20 Kultfilme, die im zweiwöchentlichen Rhythmus mittwochs gezeigt werden) für ihre Treue. "Außerdem konnten wir 20 kreative und kinonahe Kunstschaffende dazu gewinnen, eine Postkartenedition zu ,20 Jahren Lichtspiel' zu gestalten. Jede der Postkarten verschenken wir 2000-fach an unsere Gäste."

Fast 580.000 Besucher
Fast 580.000 Besucher zählte das Programmkino seit 1995: "8000 waren es noch im ersten Jahr. Es dauerte etwas, bis die Leute kamen", meint Diana Linz. Das beste Jahr in der Lichtspielgeschichte war 2001 mit über 51.000 Besuchern. "Seither geht es leider kontinuierlich bergab auf inzwischen konstante 21.000 Besucher", was die Betreiber auf die Konkurrenz via Internet und DVD zurückführen.

Mehr als 1000 Filmschaffende stellten in dem Programmkino ihre Werke vor oder lieferten thematische Hintergründe: darunter Claude Sautet als Chronist der französischen Gesellschaft der Nachkriegszeit. Er dankte den Betreibern bei einem Eintrag ins Gästebuch. Lars Kraume, Jörg Buttgereit, Dominik Graf, Künstler wie Jim Avignon und Anke Armandi, berühmte Produzenten wie Karl Baumgartner, Peter Rommel und Ingo Fliess, Schauspieler wie August Diehl, Steffi Kühnert, Florian Stetter, Thomas Schmauser oder Thilo Gose-Johann: Sie alle widmeten sich dem Bamberger Publikum.

"Who's afraid of Kathy Acker?" als größter Flop

Der erfolgreichste Film in 20 Jahren, obwohl er relativ kurz lief: "Die fabelhafte Welt der Amélie" mit 5735 Besuchern. Der unbeliebteste Streifen: "Who's afraid of Kathy Acker?" (in drei Tagen 0 Besucher). Rund 250 Filme sind pro Jahr im Saal des Lichtspiels in 1700 Vorstellungen zu erleben. Länderschwerpunkte, Werkschauen, Themenreihen, Originalfassungen, Dokumentarfilme und Kurzfilme vor dem Hauptfilm zeichnen das Programm aus.

Der "Kino-Oscar"
Das schönste Erlebnis war für die Betreiber unter "unendlich vielen bewegenden Momenten, Begegnungen und Liveauftritten: Einmal sozusagen den Kino-Oscar zu bekommen und für das ,Beste Kinoprogramm Deutschlands' 2011 vom Bundeskulturministerium ausgezeichnet zu werden." Es sichere schließlich die Existenz des Lichtspiels, wenn man sich bei der Vergabe der Kinoprogrammpreise regelmäßig im Spitzenfeld wiederfinde. "Denn allein die Kinobesucher könnten die Kosten nicht tragen."

Preise erhält das Programmkino auch als Bühne für Musik, Kunst und Kultur. "Nicht nur im Saal, auch in den anschließenden Kinobars finden monatlich ja Veranstaltungen statt." Alle acht Wochen beginnt eine neue Ausstellungen, es gibt DJ-Abende, Konzerte und manches mehr.

Das nächste Highlight wird natürlich die dreitägige Geburtstagsfeier vom 31. Mai bis zum 2. Juni sein. Happy Birthday, Lichtspiel!


Zum 20. Geburtstag des Lichtspiels
31. Mai ab 18.30 Uhr Kurzfilm-Impro mit "Querformance": Diverse Kurzfilme synchronisieren Harald Rink und Klaus Katscher live, in Farbe und vor allem ganz spontan. Ab 20.15 Uhr wird mit Live-Musik der Stummfilm "Die Büchse der Pandora" gezeigt.

1. Juni: ab 20.15 Uhr Marokko-Abend mit dem Film "Desert Inspiration". Die Vorführung der Entdeckungsreise in den Süden Marokkos ist verbunden mit einem Live-Konzert der Musiker aus dem Streifen.

2. Juni ab 20.15 Uhr Preview zu "Victoria" (Berlinale) exklusiv vor dem Bundesstart

Klassiker-Filmreihe (bis November): Als nächste Filme stehen das Fassbinder-Melodram "Angst essen Seele auf" (27. Mai, 19 Uhr), "Die durch die Hölle gehen" (10. 6.), Volker Schlöndorffs "Die Blechtrommel" (24. 6.) und David Lynchs "Der Elefantenmensch" (8. Juli) an.