Hans W. Geißendörfer im Gespräch
Autor: Petra Mayer
Bamberg, Dienstag, 22. Januar 2013
Zeitkritischere und politischere Filme wünscht sich Hans W. Geißendörfer. Die Bedeutung des Bamberger Kurzfilm-Festivals betont der künstlerische Pate auch angesichts der Probleme des Arthouse-Kinos.
Scott McKenzie veröffentlichte "San Francisco". Das Monterey Pop Festival begann, der "Summer of Love". Währenddessen widmete sich ein junger Filmemacher 1967 in seinem Debüt einer Literatin, die der unmenschlichen Gesellschaft ihrer Zeit zum Opfer fiel: "Der Fall Lena Christ" steht für die Anfänge der Karriere Hans W. Geißendörfers - einem "Unikat in der deutschen Produzenten-Landschaft", wie die Jury zur Verleihung des Adolf Grimme Preis in Gold 2001 schrieb. Jetzt ist der Filmemacher und Vater der "Lindenstraße" bei den Bamberger Kurzfilmtagen, als künstlerischer Pate, mit dem wir gleich zur Eröffnung sprachen.
Für viele junge Filmemacher sind die Bamberger Kurzfilmtage ein Sprungbrett. Erinnert Sie das an die Zeit, als Sie selbst noch als Student 16-mm-Underground-Streifen drehten?
Hans W. Geißendörfer: Ja.
"Der Kurzfilm ist wie ein Gedicht"
Was reizte Sie persönlich am short subject im Gegensatz zum Langfilm?
Der Kurzfilm ist wie ein Gedicht: Man ist als Autor freier als bei Langfilmen, die immer auch kommerziell erfolgreich sein sollten. Man hat ganz andere Ausdrucksmöglichkeiten, weniger Zwänge. Du kannst mehr riskieren, musst allerdings auch schneller auf den Punkt kommen. Ich denke, der Kurzfilm ist eine gute Schule, um den Umgang mit dem Medium Film zu lernen.
Die Sixties waren eine Blütezeit des experimentellen Kurzfilms. Glauben Sie, dass das Genre in der Mediengesellschaft des 21. Jahrhunderts noch den gleichen Stellenwert besitzt?
Nein, früher war der Kurzfilm viel präsenter. Beispielsweise konnten sich Kinobetreiber Vergnügungssteuern sparen, wenn sie Kurzfilme mit dem Prädikat "wertvoll" oder "besonders wertvoll" ins Programm nahmen. Auch gab's im Fernsehen weitaus mehr Sendungen, die sich dem Format widmeten. Darum sind Festivals heute so wichtig, die die Aufmerksamkeit wieder auf den Kurzfilm lenken - wie eben in Bamberg.
Schätze des deutschen Films heben
"Schätze des deutschen Films" nennt sich Ihre neueste Initiative. Glauben Sie, dass uns das filmische Erbe trotz Recylings und Dauer-Rotation via TV verloren geht?
Zu sehen ist immer nur ein kleiner Ausschnitt. Uns liegt daran, über ein Video-on-demand-Portal, www.alleskino.de , den Zugriff jedes Interessenten von zu Hause aus auf das gesamte Spektrum der Spiel- und Dokumentarfilme zu ermöglichen. Es gilt, alle Facetten des filmischen Erbes jenseits aktueller Trends zu beleuchten. Was bislang allein schon daran scheitern musste, dass nur ein Teil der gesamten deutschen Kinoproduktionen überhaupt digitalisiert und somit als Digital-Download oder DVD erhältlich war. Übrigens geht es nicht nur darum, die Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern auch derzeitige Produktionen junger Filmemacher für die Zukunft zu bewahren.
Vergleichen Sie die heutige Film- und Fernsehbranche mit Ihren Anfangsjahren: Was ging uns trotz technischer Entwicklungssprünge verloren?
Im Augenblick verlieren wir das Publikum für den künstlerisch hochwertigen Film und somit die entsprechenden Filmemacher. Das Arthouse hat schwer zu kämpfen. Wenn man sieht, welche Erfolge Komödien wie "Schlussmacher" feiern, macht einen das doch nachdenklich. Schließlich handelt es sich dabei um exakt die Filme, die wir in den 60er Jahren für tot erklärten.
Radikale neue Sprache
Fehlen der Branche Visionen, eine neue Aufbruchsstimmung wie 1962, als eine Gruppe junger Filmemacher das "Oberhausener Manifest" verfasste?
Ja, damals wurde "Papas Kino" zu Grabe getragen, eine radikal neue Sprache entwickelt, wie sie junge Leute heute auf ihre Weise finden sollten. Aber die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Gegenwart fehlt zunehmend. So verliert das Kino seine zeitkritische und ebenso politische Ebene.
Umso mehr kann man auf experimentelle Formate wie den Kurzfilm hoffen, in denen Autoren (ich zitiere Sie) mehr wagen und riskieren können. Worauf freuen Sie sich noch in Bamberg?
Es gibt da eine kleine Metzgerei (ohne an dieser Stelle Schleichwerbung zu machen), die ihren Leberkäs in alle Welt exportiert: Ihr werde sie so bald wie möglich aufsuchen.
Ein Bamberg-Kenner spricht: Ich hoffe aber, Sie wissen als Teil-Franke (Jugendjahre und Studienzeit) noch andere Seiten von Bamberg zu schätzen?
Natürlich. Ich finde sogar, dass Bamberg auf besondere Weise für die Schönheit Frankens steht. Die Altstadt, der Bamberger Dom - da weiß man, wo man hingehört.
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