Hallstadter Stadtrat stoppt SVH-Vollstreckung
Autor: Anette Schreiber
Hallstadt, Freitag, 27. November 2015
Dem Hallstadter Traditionsverein steht das Wasser bis zum Kopf. Ein Immobilienverkauf soll für Entlastung sorgen. Nun fordert die Stadt Außenstände ein. Das Stadtparlament ist empört, der Bürgermeister sieht sich im Recht.
Am Tag nach der Stadtratsitzung wäre die Gerichtsvollzieherin beim SVH aufgekreuzt, um die Zwangsvollstreckung vorzunehmen. Es geht um einen Betrag von knapp 63 000 Euro, den die Stadt vom Traditionsverein einfordert. Die Summe setzt sich zusammen aus ausstehenden Gebühren und einem Darlehen.
Auf Drängen von SPD und Bürgerblock wurde das Thema SV nachträglich in die Tagesordnung aufgenommen. Resultat: Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist ausgesetzt, per 17:2-Votum. Erst einmal. Denn für Bürgermeister Thomas Söder (CSU) ist das ein rechtswidriger Beschluss. Das Ganze hat er umgehend an die Rechtsaufsicht, also das Landratsamt zur Überprüfung weitergegeben.
Dem SV Hallstadt steht das Wasser finanziell seit längerem bis zum Hals. Neben den genannten 62 542 Euro ist da beispielsweise noch eine Bankverpflichtung in der Höhe von etwa 375 000 Euro, die aus Bauprojekten stammen. Der Verein möchte sich von einem Teil seiner Immobilien trennen - dem Anbau mit der Physiopraxis - wofür er 375 000 Euro bekommen könnte. Allerdings hat die Stadt hier ein Mitspracherecht, weil neben dem Immobilienteil der 100-prozentigen SVH-Tochter, der WSV GmbH, ein Gebäudeteil (mit Sauna und Swimmingpool) betroffen ist, der auf Erbpacht-Grund steht.
Stefan Endres von der SVH-Vorstandschaft moniert gegenüber dem FT unter anderem, dass der Stadtrat bereits im Sommer dem Verkauf zugestimmt habe, der Verein davon offiziell nicht in Kenntnis gesetzt wurde.
In der aktuellen Stadtratsitzung wiederum wunderten sich einige Räte, dass man nichts von dem Vollstreckungsverfahren der Stadt gegenüber dem Verein mitbekommen habe. Die SPD beantragte, dieses Thema ebenso öffentlich zu behandeln, wie den zweiten Antrag. Laut diesem sollen Vereinsführung, Bürgermeister und Fraktionsvorsitzende vor dem Vollzug der Vollstreckung zu einem Gespräch zusammenkommen. Acht Mitglieder wollten eine nichtöffentliche Behandlung der Anträge, zehn eine öffentliche.
SPD-Fraktionssprecher Hans-Jürgen Wich erklärte, wenn die Vollstreckung für die 63 000 Euro vollzogen würde, müsse der Verein Insolvenz anmelden. Sei dies der Fall, gefährde dies den Verkauf der Immobilie, denn "wir stecken nicht in dem Insolvenzverwalter drin". Für den Bürgerblock führte Zweiter Bürgermeister Ludwig Wolf aus, dass es darum gehe, mit der Aussetzung des Vollstreckungsvollzuges (für etwa acht Wochen) Raum zu schaffen, um mit ganz offenen Karten zu spielen und eine Lösung herbeizuführen. "Wir müssen da irgendwie aus der Sache rauskommen", fand auch Veit Popp und: "Das Verhältnis SVH und Bürgermeister ist der Schlüssel zu dem Ganzen." Vielleicht mache es Sinn, den Verkauf abzuwarten und dann die Gebühren einzufordern, schlug Klaus Hittinger (CSU) dazu vor.
Gefahr fürs Vermögen
Die Antwort der Verwaltung zu den Anträgen verlas Kämmerer Markus Pflaum in der Sitzung. Unter anderem wird das Vorgehen damit begründet, dass durch einen weiteren Aufschub der Stadt eine Vermögensgefährdung drohen könnte und eine Aussetzung der Vollstreckung den Grundsätzen der kommunalen Haushaltsführung widerspreche. Man sei verpflichtet diese Gelder - wie von jedem Bürger - einzufordern.Per 17:2 Votum entschied das Gremium, die Vollstreckung auszusetzen, per 18:1 Votum ein Gespräch mit dem SVH zu führen. Dazu machte der Bürgermeister umgehend klar, dass er seitens der Rechtsaufsicht prüfen lassen werde, ob die Beschlüsse rechtmäßig sind.
Damit war der SVH am Tag nach der Sitzung freilich noch nicht aus dem Schneider. Die Gerichtsvollzieherin hatte dem Verein laut Endres für diesen Tag Luft gegeben und signalisiert, dies für weitere 14 zu tun. "Es ist eigentlich viel gefährlicher für die Stadt, die Insolvenz in Kauf zu nehmen." Zu den Ausständen sagt Endres, "wir wollen die 63 000 Euro ja nicht geschenkt bekommen."
Dagegen sieht Bürgermeister Söder, wie er im Gespräch mit dem Fränkischen Tag äußerte kaum eine Chance, dass die Stadt ihre Ausstände vom SVH wiederbekommt. Ein Knackpunkt, an dem die bisherigen Gespräche mit dem SVH immer gescheitert seien, sei das fehlende Finanzierungskonzept des Vereins.
Denn selbst wenn die 375 000 Euro aus dem Verkauf des Reha-Traktes fließen, seien damit die finanziellen Verpflichtungen des Vereins noch nicht auf Null. Söder summiert die weiteren Verbindlichkeiten - "laut Angaben des Vereins" - auf etwa 320 000 Euro. Dieses Geld, solle die Stadt dem Verein geben, fasst er zusammen. Das hatte der Stadtrat aber abgelehnt.
Wie der Verein dann das erforderliche Geld aufbringen will, um seinen Betrieb aufrecht zu erhalten, so Söder, sei nicht ersichtlich. Außerdem habe der Verein bislang überhaupt keine Anstalten gemacht, auf die finanziellen Ansprüche der Stadt zu reagieren. Die Vollstreckung hatte eine lange Vorlaufzeit, "man hätte irgendwann auch mal was zahlen können, um den guten Willen zu zeigen." Man habe dem SVH immer wieder geholfen mit Bürgschaften, Darlehen, Stundung. Mittlerweile sieht man es im Rathaus so: "Die Gefahr des finanziellen Totalausfalls wächst jeden Tag." Es gehe hier schließlich um Steuergelder.
Noch nichts entschieden
Seitens der Kommunalaufsicht wurde mitgeteilt, dass förmliche Aufhebungen eines Gemeinderatsbeschlusses eher selten vorkommen. "Der Beschluss eines Stadtrates muss sich im Rahmen der geltenden Gesetze bewegen. Ist dies nicht der Fall, ist er als rechtswidrig einzustufen." Die jeweiligen Konsequenzen hängen vom Einzelfall ab, so Kreisjurist Steffen Nickel. Am gestrigen Freitag jedenfalls war am Landratsamt in dieser Sache noch nichts entschieden.EIN KOMMENTAR ZUM THEMA:
Wenn in dieser Angelegenheit eines unstrittig ist, dann die Tatsache, dass es sich um ein Konglomerat verschiedenster komplizierter Sachverhalte handelt. Klar ist vor allem auch, diejenigen, die beim SVH nun die Suppe auslöffeln sollen, sind nicht diejenigen, die sich das Ganze eingebrockt haben. Aus der Leidenschaft für den Sport und für ihren Verein schöpfen sie die Kraft für ihr enormes Engagement. Dafür gebührt ihnen zweifelsohne Respekt.
Nur haben es die heutigen Zeiten mit sich gebracht, dass für die Führung eines größeren Vereins mit entsprechenden Gebäudlichkeiten eigentlich ein Expertenstab aus Betriebswirtschaftlern, Marketing- und Baufachleuten erforderlich wird. Fakt ist, der SVH hat sich finanziell vergaloppiert und das schon lange. Der Verein hat immer wieder versucht, auf die Beine zu kommen, auch mit Hilfe der Stadt. Hallstadt ist bekanntlich eine prosperierende Kommune. Deren originäre Aufgaben haben aber nicht dem Erhalt der Vereine zu gelten. Die sind ihrerseits in profanen Dingen wie Gebühren mit dem ganz normalen Verbraucher gleich zu setzen: Ein Verein nutzt Einrichtungen der Gemeinde und muss dafür auch bezahlen. Wenn er Kredite in Anspruch nimmt, muss er sie tilgen.
Fakt ist leider auch, dass es zwischen Bürgermeister und Verein hakt. Wenn dem Bürgermeister ein Vorwurf zu machen ist, dann der, dass er es nicht geschafft hat, die komplexen juristischen und anderen Zusammenhänge erfolgreich zu erklären und zu kommunizieren. Nicht an den Verein, nicht an den Stadtrat, nicht an die Bürger.
Und jetzt? Sollte es beim Beschluss bleiben, zwingt der Stadtrat Bürgermeister und SVH-Vorstände an einen Tisch. Ob das allein schon Erfolg garantiert? Wohl kaum. Denn letztlich geht es um mehr als die drohende Vollstreckung.