Wir benutzen extra nicht den Heimatbegriff, denn der ist negativ belegt. Wenn ich an Heimat denke, assoziiere ich damit Heimatministerium und Leitkultur und irgendwelche Vorschriften, die besagen, wann Menschen zu Deutschland gehören und wann nicht. Da ist man schnell bei Ausgrenzung dabei, wenn man Heimat sagt. Deswegen haben wir das Zuhause genannt.
Wenn du nach Mecklenburg-Vorpommern fragst, wo ich herkomme und immer gelebt habe, sind das sehr gemischte Gefühle, die wir als Band ja auch thematisieren. Wir wissen sehr gut was es heißt, in der ostdeutschen Provinz aufzuwachsen, wo Nazisein in der Jugendkultur einen gewissen Schick hatte. Als ich klein war, gehörte das dazu wie eine Mode. Und wenn man Dreadlocks hatte oder Punker oder Ausländer war, wurde man zum Angriffsziel. Wir hatten damit zu kämpfen und haben auch auf die Fresse bekommen. Das sind Sachen, die heute mitschwingen, wenn ich an Mecklenburg-Vorpommern denke. Gleichzeitig weiß ich aber darum, wie viele tolle Leute es dort gibt, die viele tolle Initiativen ins Leben gerufen haben, um sich für ein lebenswertes Umfeld und eine gerechte Gesellschaften einzusetzen. Als Band wollen wir lieber darauf auf einen Fokus setzen, als zu sagen, hier ist alles scheiße.
Mindestens bis 2015 wurdet ihr vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie beobachtet fühlt ihr euch heute?
Ich fühle mich sehr beobachtet. Es ist richtig, dass wir im Bericht des Verfassungsschutzes nicht mehr erwähnt werden. Im letzten waren wir noch eine Randnotiz wegen einer Gegenveranstaltung zu einem Naziaufmarsch. Aber ich bin mir dessen schon sehr bewusst, dass ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob zum Beispiel mein Telefon abgehört wird. Das kommt natürlich auch durch die Aufmerksamkeit, die wir jetzt als Band haben. Meinen Alltag beeinträchtigt das aber nicht.
Ihr spielt vor tausenden auf Demos für eine offene, freie Gesellschaft. Gleichzeitig kennt man die AfD Wahlergebnisse, gerade im Osten. Seid ihr eher hoffnungsvoll oder pessimistisch?
Ich glaube, man muss sich die Hoffnung bewahren. Dass die AfD-Ergebnisse in Sachsen und Brandenburg nun so waren, war ja auch keine Überraschung mehr, das ist abzusehen gewesen. Es ist klar, dass das, was auf der Straße in Sachen Rechtsruck seit Jahren passiert, sich dann auch auf parlamentarischer Ebene äußert. Andererseits sehe ich die Leute bei "Wir sind mehr" oder bei unseren Konzerten und das macht wiederum Hoffnung. Und wir als erfolgreiche Band haben ja eh sehr viele Privilegien. Aber wenn ich nach Sachsen schaue, in die Kleinstädte oder aufs Land, wo es auch Leute gibt, die demokratiefördernde Projekte machen und linke Kulturzentren betreiben - ich hoffe, dass die nicht die Hoffnung verlieren, sondern durchhalten und stabil bleiben.
Ein Konzert und eine Filmvorführung von euch mussten bereits wegen Sprengstoff- und Bombendrohungen abgesagt werden. Wie nah geht euch das?
Das geht sehr nah wenn. Die eine Sache war eine Kinovorführung von "Wildes Herz" und nochmal umso schlimmer, weil es eine Schulvorführung war. Da hat jemand Schüler bedroht.
In solchen Momenten merkt man: Die Nazis verstecken sich hinter verklausulierten Schwurbeleien, im Endeffekt geht es denen aber um Vernichtung. Das andere war ein Konzert in Chemnitz, da musste alles geräumt werden. Wir haben dann aber trotzdem noch gespielt, mit Verzögerung. Wir wollen dem aber lieber nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Letztendlich zeigt es nur, wie weit manche Leute gehen.
FSF befindet sich auf der letzten Tour vor einer längeren Pause. Warum jetzt und wie lange heißt länger?
Wir waren jetzt zwei Jahre mit dem Album unterwegs und haben uns davor nie eine längere Pause gegönnt. Jetzt auf dieser Tour spielen wir auch noch in sehr großen Hallen, in Bamberg in der Brose Arena. Das wäre vor zwei Jahren noch unvorstellbar gewesen. Wir denken, jetzt haben uns so viele Leute live gesehen, dass wir eine Pause machen können. Im nächsten Jahr wird es also keine Tour, keine Auftritte, keine Festivals geben. Was bei uns zuletzt zu kurz kam, war die Zeit im Proberaum, die nehmen wir uns jetzt. Wann und wie es danach weitergeht, da haben wir noch gar keinen Plan.
Das Interview führte Andreas Thamm.