Gutachter zu Chefarzt-Methoden: Keine neuen Erkenntnisse
Autor: Anna Lienhardt
Bamberg, Mittwoch, 15. Juni 2016
Ein Gynäkologe erkennt in den Methoden von Heinz W. keinen medizinischen Erkenntnisgewinn. Dagegen sieht sich der Angeklagte teilweise sogar bestätigt.
Am Ende wurde es grotesk, stellenweise gar hässlich: Diskussionen über die größte Größe von Tampons, die Frage, ob der Oberstaatsanwalt "ausschließlich" oder "insbesondere" gesagt hatte, angebliche Beschimpfungen auf dem Flur des Landgerichts - und ein Angeklagter, der Oberstaatsanwalt Bernhard Lieb entgegenschleuderte: "Ich könnte mich auf den Boden setzen, um auf Ihr Niveau herabzukommen."
Überhaupt machte Heinz W. (50) am Mittwoch keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen diejenigen, die seiner Meinung nach inkompetent oder befangen sind. Über den Gutachter sagte W.: "Er erzählt zum wiederholten Mal baren Unsinn." Chefarzt-Verteidiger Klaus Bernsmann drückte es mit einem bildhaften Vergleich aus: "Wir fragen einen Handballer zur Schusstechnik im Fußball."
Woher die aufgeheizte Stimmung? Geladen war - erneut - Professor Johannes Dietl, seines Zeichens Gynäkologie-Professor aus Würzburg. Schon einmal hatte er sein Gutachten vortragen sollen, war dann aber wegen eines Befangenheitsantrags durch die Verteidigung unterbrochen worden. Gestern wurde die Befragung - mit Gegenwind von W.s Seite - fortgesetzt.
Der Sachverständige hatte vom Gericht den Auftrag bekommen, sich mit den Untersuchungsmethoden des ehemaligen Chefarztes der Gefäßchirurgie am Klinikum Bamberg auseinander zu setzen. Dietl kommt, vereinfacht formuliert, zu folgenden Schlüssen: Der vaginale Ultraschall, den der Angeklagte bei Patientinnen durchgeführt haben will, habe "keine zusätzlichen medizinischen Erkenntnisse erbracht".
"Buttplugs" seien ungeeignet
Zu sogenannten Buttplugs, zu deutsch "Analstöpseln", die Heinz W. als Widerlager verwendet haben will, um Venen besser sichtbar zu machen, sagte der Gutachter: "Sie sind völlig ungeeignet, um eine Kompression der Venen zu erzielen." Dies sei anatomisch nicht vorstellbar.Bei den intimen Lichtbildern und teilweise Videoaufzeichnungen, die der Angeklagte von zwölf Frauen gemacht haben soll, erkennt der Sachverständige "keinen Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Beckenvenen". Der Einsatz von Plugs sei für eine klinisch-wissenschaftliche Fragestellung "bedeutungslos", Bilder- und Videos würden allesamt Normalbefunde zeigen.
W. dagegen bleibt bei seiner Haltung, er habe neue wissenschaftliche Methoden austesten wollen. Die Fotos hätte er angefertigt, um eine zweite Meinung einzuholen. Verteidiger Klaus Bernsmann präzisierte: "Es geht um den möglichen wissenschaftlichen Ansatz von Herrn W., nicht um den klinischen."
Vor allem an einem Punkt entfachte sich eine Diskussion: Laut Professor Dietl sei es möglich, mit Hilfe eines bestimmten Modells einer vaginalen Ultraschallsonde den Blutfluss in gewissen Beckenvenen darzustellen. Allgemeinen erlaube diese Methode nur eine eingeschränkte Visualisierung.
Heinz W. sah sich jedoch in seiner Arbeit bestätigt - "Das ist ja genau die zusätzliche medizinische Erkenntnis!" Dieter Widmann, ebenfalls Chefarzt-Anwalt, warf Dietl vor, dieses Wissen unterschlagen zu haben.
Mehr noch: "Der Sachverständige hat keinerlei eigene Erfahrungen über die Duplexsonografie im Vaginalbereich", warf Heinz W. ein. Verteidiger Bernsmann: "Zu fachlichen Fragestellungen kann der Gynäkologe überhaupt nichts sagen. Das ist bloße, tendenziöse, kampagnienartige Propaganda gegen Doktor W.!" Jürgen Scholl, der die Hauptzeugin in dem Verfahren vertritt, stellte dagegen, dass Dietl klar gemacht habe, dass und auf welchen Gebieten er Sachverstand habe.
Besonders deutlich wurden die unterschiedlichen Auffassungen von Gutachter und Angeklagtem, als es um die Lagerung von Patientinnen ging. Dietl: "In dieser Lage habe ich keine Untersuchungen gemacht, weil es nicht geht" - Angeklagter: "Nein, weil Sie es nicht gemacht haben!"