Druckartikel: "Gut gemeint, aber wirklichkeitsfremd"

"Gut gemeint, aber wirklichkeitsfremd"


Autor: Marion Krüger-Hundrup

Bamberg, Sonntag, 12. Februar 2017

Die Deutsche Bischofskonferenz reagierte jetzt auf das päpstliche Schreiben über Ehe und Familie "Amoris laetitia". Was sagen Bamberger Pfarrer dazu?
Selbst wer sich kirchlich trauen lässt, weiß oft nur wenig oder gar nichts von der Unauflöslichkeit der Ehe. Foto: Archiv


Vor kurzem hatte ein Paar einen Gesprächstermin mit Matthias Bambynek, Pfarrer der Oberen Pfarre, vereinbart. Die Unterhaltung wurde von den Beiden so eröffnet: "Wir sind eines der Paare, die die Kirche abgeschrieben hat. Wir sind beide seit Jahren geschieden, dann haben wir uns gefunden, sind mittlerweile standesamtlich verheiratet - und nun sind wir bei Ihnen, unserem Pfarrer."

Der zuckte bei den Worten "Ein Paar, das die Kirche abgeschrieben hat" zusammen. "Im Namen Jesu Christi darf kein Mensch abgeschrieben werden", ist Pfarrer Bambynek überzeugt. Er sei froh, so sagt er gegenüber unserer Zeitung, dass "sich Papst und Bischöfe dieses Themas annehmen, das seit vielen Jahren drängend in der Luft liegt". Die Erwartungen, aber auch Enttäuschungen, die betroffene Frauen und Männer in der Kirche erfahren würden, "sind groß".

Papst Franziskus hatte im vergangenen Jahr mit seinem Schreiben über Ehe und Familie "Amoris laetitia" Erwartungen auf Barmherzigkeit insbesondere für wiederverheiratete Geschiedene geweckt. Die Deutsche Bischofskonferenz hat jetzt darauf reagiert und ein gemeinsames Hirtenwort veröffentlicht mit dem Titel "Die Freude der Liebe, die in den Familien gelebt wird, ist auch die Freude der Kirche - Einladung zu einer erneuerten Ehe- und Familienpastoral im Licht von Amoris laetitia".

Dekan Günter Höfer, Leitender Pfarrer von St. Heinrich, St. Anna und St. Kunigund, hat zu beiden Papieren eine klare Meinung: "Herr Papst und die Bischöfe meinen es gut, sind aber wirklichkeitsfremd." Natürlich entspreche deren Sicht von der Unauflöslichkeit der sakramental geschlossenen Ehe der Lehre der Kirche und der Heiligen Schrift, räumt der Dekan ein. Die Erfahrungen aus der seelsorglichen Praxis in einer Pfarrei seien jedoch andere als in den Schreiben vorausgesetzt. "Die Bischöfe sollen mir mal die wiederverheirateten Geschiedenen zeigen, die sich nach dem Empfang des Bußsakraments und der Eucharistie sehnen, wie sie schreiben", fordert Dekan Höfer eher rhetorisch. In seinen nunmehr 38 Priesterjahren habe er es nur höchst selten erlebt - und das auch nur in seiner früheren Landpfarrei, wo jeder jeden kenne -, dass wiederverheiratete Geschiedene "auf mich mit entsprechenden Bitten zugekommen sind".


Kirche den Rücken zugekehrt

Auch Pfarrer Bambynek nennt eine solche Begegnung "sehr selten oder mehr zufällig". Er habe den Eindruck, dass Paare längst ihren Weg gesucht und gefunden haben: "Manche von ihnen haben der Kirche schlicht den Rücken zugekehrt, auch in Verbitterung", weiß der Pfarrer. Andererseits werde nun durch die Schreiben des Papstes und der Bischöfe "manche längst geübte Praxis nun offiziell für gut befunden". Die Praxis nämlich, den Kommunionempfang, der eigentlich Geschiedenen nach einer neuen Heirat untersagt ist, von einer Gewissensentscheidung abhängig zu machen.

"Amoris laetitia" unterstreicht bereits die Bedeutung des persönlichen Gewissens. Die Bischöfe gehen darauf ein und betonen, dass der Kommuniongang "in Einzelfällen" möglich ist, nachdem die Betroffenen von einem Seelsorger begleitet wurden und ihr "gebildetes Gewissen" erforscht haben. Erzbischof Ludwig Schick formuliert das in seiner Stellungnahme so: "Es kann keine Zulassung zur Absolution oder Kommunion geben, sondern die Kirche, Gläubige und Priester, können und sollen die Gewissensentscheidung der Katholiken, die in irregulären Situationen leben, annehmen. Es darf keine Verurteilung durch Mitchristen geben!"

Kurz gesagt: Weder "Amoris laetitia" noch die Bischöfe erteilen eine pauschale Erlaubnis zum Kommunionempfang - "auch wenn das so interpretiert werden kann", erklärt Anton Heinz, Pfarrer von St. Martin. Es gebe keinen Automatismus in Richtung genereller Zulassung, und er sehe sich als Pfarrer in der Verantwortung, bei der Gewissensbildung zu helfen. Und zwar schon im Zuge der notwendigen Paargespräche vor einer kirchlichen Trauung. Denn heutzutage seien "nur wenige über das katholische Eheverständnis richtig informiert". So beklagt auch Dekan Höfer "ein Defizit an religiösem Wissen": Brautpaare wüssten genau, welchen Blumenschmuck und welche Musik sie bei der Trauung in der Kirche wollten, kaum aber oder gar nichts über der Sinngehalt der Ehe.


"Realität ist eine andere"

Erzbischof Schick wünscht ohnehin eine Stärkung der Ehevorbereitung und Familienpastoral insgesamt. Denn Ehe und Familie als "Lernort des Glaubens" seien alles andere als ein Auslaufmodell: "Die Einehe von Frau und Mann sowie die Familie sind die Quellen des Glücks, des Friedens, der Freude und des Wohlergehens sowohl für die einzelnen Menschen als auch für das Gemeinwohl in der Gesellschaft", erklärt Schick. Auch hier entgegnet Pfarrer Heinz, dass "die Realität eine andere ist". Und dass man sich nicht einzubilden brauche, dass katholische Eheleute massenhaft Rat beim Pfarrer suchen - "auch wenn ich es mir wünschen würde. Die Kirche will ihnen Hort sein!"


Seelsorge braucht Zeit

Auch Pfarrer Bambynek spricht von "guten Rahmenbedingungen", die Seelsorge für Ehepaare, für wiederverheiratete Geschiedene benötige: "Hilfreiche Seelsorge braucht Zeit, in der Vertrauen wächst. Vertrauen schafft längst nicht mehr das Amt, das jemand innehat" befürchtet Bambynek und ergänzt: "Insofern meldet sich in mir auch Skepsis beim Blick in die Zukunft."

Ähnlich ergeht es Dekan Höfer in einer grundsätzlichen Frage, die im Zusammenhang mit dem Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen aufleuchtet: "Wer erkennt noch den Lebenszusammenhang der Eucharistie? Wem ist die Eucharistie als Kostbarkeit noch präsent?" Denn der Umkehrschluss aus der "Kommuniondiskussion": "Jeder, der nicht wiederverheiratet ist, darf zur Kommunion, ist Unfug!" Er erlebe es immer wieder, dass Leute, die etwa anlässlich eines Requiems zur Kommunion gehen, obwohl sie mit Kirche nichts am Hut haben, "mit dem Stückerl Brot nichts anfangen können".