"Grabenhexe" schlägt den Bagger
Autor: Christina Lotter
Rattelsdorf, Donnerstag, 14. März 2013
Bereits in der zweiten Generation "buddelt" das Unternehmen Telekommunikationsbau Seibold aus Rattelsdorf.
Damals, als er bei seinem Vater Josef in die Lehre ging, war ein Auftrag in Hirschaid schon außergewöhnlich: "Bis nach Hirschaid 'naus?!" staunten sowohl Vater Seibold als auch sein Sohn Gerhard, wenn die Hoch- und Tiefbaufirma einen dementsprechenden Auftrag an Land gezogen hatte. Heute ist der Sohn nicht mehr Lehrling, sondern Chef. Und wenn die Baustellen weit weg stehen, stehen sie nicht mehr in Hirschaid, sondern in Frankfurt, Stuttgart oder Wiesbaden.
Jeden Samstag schaufeln
Nicht nur der Aktionsradius, auch der Fuhrpark hat sich entscheidend vergrößert: Von drei kleinen Baggern ist er auf 50 Baufahrzeuge angewachsen. Und auch technisch hat sich einiges getan. Musste Gerhard Seibold früher jeden Samstag antreten, um den Aushub der Bagger von der Ladefläche eines Lastwagens zu schaufeln, gibt es heute moderne Kipp-Lkw, deren Ladefläche ruckzuck leer ist.
Auch das Unternehmensprofil hat sich gewandelt: Während sein Vater, der das Unternehmen 1953 gründete, auch "Häuslebauer" war, hat sich das Unternehmen Seibold seit 1980 auf Tiefbauarbeiten spezialisiert. Hauptauftraggeber ist dabei die Telekom: Bei 90 Prozent aller Aufträge geht es darum, Kabel für den flächendeckenden Ausbau des Breitbandnetzes zu legen. Das bedeutet laut Geschäftsführer Gerhard Seibold: "Im Endeffekt haben wir vor 30 Jahren Gräben gegraben und wieder zugebuddelt, und das machen wir heute immer noch."
Nur, dass dafür kürzlich sogar extra eine neue Maschine angeschafft wurde. Eine "DitchWitch", wörtlich aus dem Englischen übersetzt: Grabenhexe. Das, wofür ein Bagger den ganzen Tag braucht, schafft die Grabenhexe in einem Fünftel der Zeit - und arbeitet dabei auch noch wesentlich präziser als ein Bagger.
Wie eine Kettensäge
Der Ausleger, der dabei an der Zugmaschine der "Hexe" hängt, ähnelt einer Kettensäge. Das Prinzip ist das Gleiche: Der Ausleger fräst sich in den Boden und zieht einen schnurgeraden, etwa eine Hand breiten und über einen Meter tiefen Graben, in dem Kabel verlegt werden können. Der Aushub ist dabei feiner als der eines Baggers, außerdem kann die "DitchWitch" auch in schrägem Gelände gut stehen, da die leicht dreieckigen Räder mit Ketten einzeln ansteuerbar sind. Durch die Form der Räder entsteht weniger Bodendruck und somit auch ein geringerer Flurschaden als beim Einsatz von Baggern.
Die Maschine ist noch ein ziemliches Novum - "erst drei davon gibt es in ganz Deutschland", so Seibold - und dementsprechend neugierig stehen die Vorarbeiter und Maschinisten auf dem Rattelsdorfer Feldweg, auf dem die "DitchWitch" das erste Mal in Aktion ist. Fachmännisch beugen sie sich über den Graben, messen dessen Tiefe und begutachten den Aushub. Praktische Detailfragen gehen an den Vertreter der Vertriebsfirma, anerkennendes Nicken begleitet die Einweisung.
Geschäftsführer Gerhard Seibold weiß, wie wichtig das ist: "Die eigenen Leute müssen auch überzeugt sein von neuen Geräten!" Sonst, so Seibold, gehe es wie mit einem Bagger, den er vor einigen Jahren angeschafft hat: "Der konnte seine Anbaugeräte selbst wechseln - aber die Technik war hochempfindlich. Die Männer haben ständig geschimpft, weil das Ding ausgefallen ist, und jetzt steht es eigentlich nur in der Halle."
Der "Grabenhexe" wird es wohl anders ergehen: Seibold schätzt, dass die Investition in das Gerät inklusive der Ausleger "in ungefähr zwei bis drei Jahren" wieder drin ist. Die Geschäfte des Unternehmens liefen jedoch nicht immer so gut: "Ab 1995 hatten wir eine Tiefphase, weil sich der Markt gewandelt hat." Damals, so Seibold, habe noch niemand daran geglaubt, dass einmal Glasfaserkabel von Haustür zu Haustür verlegt werden würden.
Umzug von Ebing nach Rattelsdorf
Der gelernte Baumaschinenmechaniker schaffte es aber, die Firma über diese Tiefphase zu bringen und konnte sie sogar erweitern, wofür ein Umzug von Ebing nach Rattelsdorf nötig wurde: Die doppelte Lagerfläche steht dort am Ortsrand zur Verfügung und auch ein größeres Büro gönnte der Geschäftsführer sich nach zwanzig Jahren einmal. Heute liegt der Umsatz bei etwa acht Millionen Euro im Jahr.
Die Zahl der Mitarbeiter liegt bei 50 im Gegensatz zu den 15 bis 20 Mitarbeitern, als Seibold mit gerade einmal 19 Jahren die Firma übernahm. Für ihn stand das damals außer Frage, war er doch "schon immer ein Technik-Freak" und "fasziniert von Baumaschinen". Noch heute ist er "immer noch viel draußen und baggert selbst". Dass diese Faszination auch Nicht-Bauunternehmer ausleben können, dafür sorgt er ebenfalls: Im Monsterpark, der direkt gegenüber vom Firmengelände liegt, dürfen auch Laien nach Herzenslust baggern.