Druckartikel: Gott sei Dank war Margit Schmidt im Kloster

Gott sei Dank war Margit Schmidt im Kloster


Autor: Anette Schreiber

Zapfendorf, Sonntag, 30. August 2020

Beim Kloster in Kirchschletten erfuhr das FT-Team die Lebensgeschichte der Protestantin Margit Schmidt, die Klöster mag.
Enkelin Mia war brav und bekommt zusammen mit ihrer Oma Andenken an den FT-Termin. Foto: Marcel Terillo


Margit Schmidt hat uns der Himmel geschickt! Kein Wunder, treffen wir sie doch genau vor der Abtei Maria Frieden, also dem Kloster im Zapfendorfer Gemeindeteil Kirchschletten. "Kirschletten" im Volksmund gesprochen. Das hat der 54-Jährigen die Anreise nicht unbedingt erleichtert. Und Fotograf Marcel Terillo besucht den Ort zum ersten Mal in seinem Leben, um festzustellen, dass sich der Namen nur äußerst schwer korrekt sprechen lässt. Auf jeden Fall rettet Margit Schmidt den verflixten siebten Teil der Sommerserie und damit das FT-Team.

Über eine Stunde lang hatten wir unsere Redaktionsstühle vorher in Zapfendorf zwischen Rathaus und St. Peter und Paul postiert. An einer viel genutzten Route, mit Fußgängern, Radfahrern und Autos. Zuerst sichten wir jemanden beim Pfarrhaus, wohl der Pfarrer, aber der hastet raschen Schrittes davon. Dafür biegt Dritter Bürgermeister Andreas Schonath auf die Herrngasse ein, um freundlich aus dem Wagen zu winken. Ein Bauhofmitarbeiter kehrt aus der Mittagspause zurück und hat natürlich keine Zeit mehr selbst für ein verkürztes Interview. "Ach Gott, nein, das ist nichts für mich", läuft eine ältere Frau weiter. Der Mann im Dachgeschossfenster an der Hauptstraße, er blickt interessiert zu den zwei einsamen Stühlen. Fotograf Marcel geht hin, fragt: Nein ,er koche und mache nur eine kleine Pause, die Antwort. Na Mahlzeit auch.

Ein Radler nickt höflich und radelt von dannen, ein Teenager sagt freundlich Hallo. Ob er Zeit für ein Interview habe? Die Frage erreicht ihn nicht, denn in den Ohren stecken Kopfhörerteile. Dann naht ein Mann mit Rucksack: "Keine Zeit", entschuldigt er sich, er wolle nach München und habe noch einige Kilometer vor sich.

"Wenn wir für jeden, der vorbeikommt und herschaut, einen Euro bekommen würden, wären meine Leberkäsbrötchen bis ans Ende des Praktikums gesichert", stellt der Fotograf nüchtern fest.

Es reicht! Nachdem wir an der Kreuzung dauernd auf das Schild nach Kirchschletten geguckt haben, beschließen wir, unser Glück dort zu versuchen. Hier herrscht freilich deutlich weniger Betriebsamkeit als in Zapfendorfs Ortsmitte. De facto fast gleich null.

Dann, endlich, erspähen wir eine Frau auf dem Balkon. Die verfolgt die Serie mit den Stühlen mit großem Interesse, aber selbst will sie dann doch nicht und schickt uns zum Nachbarn. Der sagt gleich, dass er keine Lust und seine Frau viel mehr zu erzählen habe. Doch die arbeitet gerade im Kloster.

Ein verzweifelter Blick und Seufzer zum Himmel, dann fahren wir zur Abtei Maria Frieden.

Auf dem Parkplatz holt eine Frau Sachen aus dem Auto. Ob sie Zeit hat für unser Interview? "Ja, ausnahmsweise habe ich mal Zeit." Das Wunder dieses, unseres Tags. Margit Schmidt macht hier Urlaub. Drei Tage, der Stille und der Ruhe wegen. Und wegen Corona. Denn normalerweise wäre die 54-Jährige in den Bergen, "aber da sind jetzt alle".

Als Leiterin einer Senioreneinrichtung mit 84 Bewohnern und 90 Mitarbeitern und einem schwer herzkranken Mann daheim kann und will die aus dem Markt Berolzheim (Mittelfranken) stammende Frau kein Risiko eingehen. Verständlich.

Und wie kam sie ausgerechnet auf Kirchschletten? Sie war hier vor 19 Jahren zu einer Taufe in der Klosterkirche und die Leiterin des Klosters, Äbtissin Mechthild, gehört zur Verwandtschaft - sie ist die Schwester ihrer Schwägerin. Aber Kloster gefalle ihr auch ganz allgemein, sagt die Protestantin, die daheim im Posaunenchor Tenorhorn spielt. Konfession spielt für sie keine Rolle, eher Spiritualität.

In Kirchschletten möchte sie Ruhe finden und gemeinsam mit Enkelin Mia (8) wandern, einfach leben, sich aufs Wesentliche beschränken, es schätzen. So, wie sie es bei ihren Pilgerwanderungen erfahren hat. Per Zufall hatte sie einmal zugesagt und ist inzwischen schon zweimal den Jakobsweg gelaufen.

In Kirchschletten verbringt sie nun ihren Urlaub. Donnerstag bis Samstag, das muss genügen, um abseits von daheim Kraft zu tanken, durchzuatmen und sich zu bewegen. Das ist wohl nötig, denn wenn sie eins im Leben schon früh gelernt hat, dann ist es das, dass es nichts umsonst gibt. In dem kleinen Bauernhof der Eltern in Dittenheim (zwischen Weißenburg und Gunzenhausen), wo so was ein "Sächla" genannt wird, musste sie als mittleres von drei Kindern früh mit anpacken.

Nach dem Hauptschulquali hat sie Hauswirtschafterin gelernt, danach lange in der Fabrik gearbeitet, ihren Karl geheiratet, zwei Töchter bekommen. Das war das schönste Ereignis in ihrem Leben, gefolgt von den mittlerweile vier Enkelkindern.

Die Mittelfränkin blieb aber auch von Schicksalsschlägen nicht verschont. Dazu zählt sie die schwere Erkrankung einer Tochter, als die noch recht klein war. Ein weiterer gravierender Einschnitt in das Familienleben war der Herzinfarkt von Ehemann Karl mit 36. Der Hauptverdiener brach auf einmal weg.

Damals hatte sich Margit Schmidt mit der Arbeit in der Fabrik unterfordert gefühlt, wollte was mit Altenpflege machen. "Dann mach's", habe ihr kranker Mann sie ermutigt. Also erlernte sie mit 35 den neuen Beruf, hat sich hier Stück für Stück weiterqualifiziert. Inzwischen ist sie Einrichtungsleiterin und zudem in der Öffentlichkeitsarbeit engagiert. Einmal mehr hat sie erlebt: "Es geht alles, aber es ist nicht umsonst. Und: Gesundheit ist das höchste Gut."

Dass ihre Tätigkeit Kraft kostet, liegt auf der Hand. Die 38,5-Stunden-Arbeitswoche steht wohl nur auf dem Papier. Und so ist die Auszeit in der Abtei Maria Frieden nachvollziehbar. Jetzt ist Ruhe angesagt, Wandern mit Mia, die schöne Gegend genießen. Durchschnaufen.Natürlich hat die Oma auch Spiele eingepackt für Mia, die während des Interviews ganz brav zugehört hat.

Dann packen wir unsere Sitzmöbel wieder ein. "Zwei Stühle? Hier hätte ich sie nicht erwartet", kommentiert eine Besucherin die Szene erheitert. Wir hatten das an diesem Morgen auch nicht so auf dem Plan. Aber alles war wohl Fügung. So versichern wir der Interviewpartnerin noch einmal: "Sie hat uns der Himmel geschickt!"