Druckartikel: Goldige Gauner im Gottesdienst

Goldige Gauner im Gottesdienst


Autor: Diana Fuchs

Pegnitz, Donnerstag, 29. November 2018

Plötzlich spricht Gott zu den Menschen. Oder ein Engel. In Gegenwart von Diakon Patrick Martin hören die Menschen Stimmen von oben. Oder von der Seite.
Patrick Martin mit Rasputin Doris Dörfler-Asmus


Mit ihm ist es fast wie mit einem Überraschungs-Ei. Spiel, Spaß, Spannung und was zum Tüfteln - das alles kommt aus Patrick Martins Bauch. Der Franke ist weithin der erste bauchredende Diakon. In seiner Kirche lässt er gern mal Puppen tanzen.

Wenn Sie Gottesdienst halten, übernimmt schon mal Eutrax, ein orangeroter Rabe mit grasgrünem Schnabel, das Wort. Ist das Ihre Art zu sagen, dass Kirche neue Wege gehen muss und sich kirchenfernem Klientel öffnen soll?

Patrick Martin: Ja. Aber auch die Leute selbst müssten offener, sensibler werden. Viele vertrauen Vorurteilen mehr als eigenen Erfahrungen. Klar, negative Erfahrungen gibt es in vielen Bereichen des Lebens, auch in der Kirche. Aber ganz ehrlich: Die positiven überwiegen in der Gemeinschaft der Kirche doch meistens deutlich.

Sie sagen, Sie seien "chronisch katholisch". Was meinen Sie damit?

Es gibt Menschen, die lassen sich vom katholischen Glauben anstecken, aber das klingt nach einer Zeit wieder ab. Bei mir ist das chronisch. Egal, ob ich in einer lebendigen oder eher verschlafenen Pfarrei bin, ob der Pfarrer mir sympathisch ist oder nicht. Schließlich geh' ich ja nicht wegen dem Pfarrer in die Kirche.

Sondern?

Wegen dem Boss vom Pfarrer! Man kann aus jedem Gottesdienst ganz viel mitnehmen.

Das sehen heute viele Menschen anders.

Ja, weil wir verlernt haben, sensibel für den Glauben zu sein. Glauben wird im Familien- und Freundeskreis nicht mehr so weitergegeben wie noch vor Jahrzehnten. Man wächst nicht mehr damit auf. Und die Kirche macht häufig den Fehler, nicht zu berücksichtigen, wie unterschiedlich die Leute sind, die sie aufsuchen. Die einen sind mit den Vokabeln des Glaubens aufgewachsen, haben eine Grundlage für den Gottesdienstbesuch. Aber es gibt eben auch andere, die das alles nicht mitbekommen haben. Sie sollte die frohe Botschaft auch erreichen.

Ihr Theologiestudium haben Sie laut eigener Aussage "mit mehreren Promille an geistigen Impulsen" abgeschlossen. Sind Sie heute noch immer berauscht?

Es gibt Höhen und Tiefen im Leben. Alles hat seine Zeit und seinen Platz, berauschende Glaubenserfahrungen und Ernüchterungen im Alltag. Regelmäßiges Beten hält mich auf einem gesunden Level zwischen Himmel und Erde.

Die Kirche ist Ihnen nicht zu humorlos?

Seit meiner Kindheit hatte ich in der Kirche immer wieder Auftritte bei lustigen Anspielen und Kirchenfestivals. Osterlachen, Büttenpredigten, Fastnacht - das sind feste Einrichtungen, die ein geistliches Leben widerspiegeln, das alle menschlichen Gefühle kennt: Freude, Festlichkeit, Ernst, Trauer und Lachen. Ich denke, Kirche muss vor allem wahrhaftig und echt sein. Viele Heilige waren nicht verbissen, sondern ziemlich humorvoll. Theresa von Avila hat witzige Sprüche losgelassen. Grundsätzlich könnten wir Deutschen - alle! - öfter mal Fünfe gerade sein lassen. Ich halte es mit Augustinus: "Liebe! Dann tu was du willst."

Sie haben sich kürzlich zum Diakon weihen lassen. Warum?

Der Kirche habe ich das Beste und Wertvollste in meinem Leben zu verdanken: meinen Glauben an Jesus Christus. Daran möchte ich andere Menschen teilhaben lassen, das Leben in Fülle weitergeben und bestärken.

Ergänzt der Kirchenmann den Show-Man - oder ist es umgekehrt?

Durch meine Show lerne ich viel für meinen kirchlichen Dienst - und umgekehrt. Um meine Puppen lebendig wirken zu lassen, muss ich die Welt durch ihre Augen betrachten und auch ihre unbequemen Charaktereigenschaften lieben lernen. Bei Puppen fällt das noch leicht, die kann ich wieder ablegen. Aber sie sind eine gute Schule, auch unsympathische Charaktereigenschaften der Mitmenschen lieben zu lernen und aus ihren Augen die Welt zu betrachten.

Wann haben Sie gemerkt, dass es nicht das Schlechteste ist, "aus dem Bauch heraus" zu reden?

Als man mir sagte: "Halt den Mund!" (lacht). Ich habe schon als Kind gern mit Handpuppen Sketche gespielt. Später habe ich gedacht, es wäre klasse, wenn ich mehrere Rollen spielen und einfach alles rauslassen könnte, vom fiesen Nörgler über den inneren Schweinehund bis zum gelangweilten Professor. Das hat mich mit Mitte 20 motiviert, Bauchreden zu lernen.

Wenig später haben Sie die erste Bauchrednerschule Europas gegründet.

Da kamen zwei Sachen zusammen. Ich unterrichte gern, wollte ganz früher sogar mal Lehrer werden. Als dann Anfragen kamen, ob man Bauchreden lernen könnte, habe ich die Schule gegründet. Zuerst habe ich dort die herkömmliche Technik vermittelt. Dann habe ich meine eigene entwickelt.

Was ist das Besondere an Ihrer Technik?

Bei der alten Technik fand ich immer, dass der eine oder andere Laut noch deutlicher rauskommen könnte. Ich habe lange rumgefeilt und schließlich eine Methode entwickelt, mit der man sich sehr deutlich artikulieren kann. Es dauert etwas länger, um sie zu lernen. Aber danach tut man sich leichter. Dann kann man auf der Bühne reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist.

Kann das wirklich jeder lernen?

Ja. Aber man muss, nachdem man die Technik beherrscht, noch eine Zeitlang üben. Das ist wie Fahrrad fahren. Irgendwann kann man es einfach.

In Ihrem Programm bringen Sie Menschen per Händedruck dazu, stumm ihren Mund auf- und zuzumachen. Die Stimme geben Sie ihnen. Für wen würden Sie gerne mal das Sprechen übernehmen?

Für Harald Schmidt, Jürgen von der Lippe, Stefan Raab und den früheren EKD-Vorsitzenden Bischof Huber habe ich das schon getan. Vielleicht würde ich gern dem amerikanischen Präsidenten den Befehl in den Mund legen, alle Mauern abzureißen und unsere Mitmenschen willkommen zu heißen.

Sie können ständig zwischen 16 Stimmen wechseln. Haben Sie sich die verschiedenen Rollen mühsam angeeignet oder waren die einfach in Ihnen drin?

Es kann nichts aus mir raus, was nicht in mir drin ist. Aber es braucht manchmal Mühe, die verschiedenen Eigenschaften und Stimmen zu wecken, in einen glaubwürdigen Puppencharakter zu stecken, zu übertreiben und in eine witzige Situation zu bringen.

Leben Sie eigentlich in der ständigen Versuchung, andere Leute zu foppen?

Besonders beim Zugfahren beschwert sich schon mal die ein oder andere Puppe aus meinem Koffer wegen Platzangst. Oder der Teddy eines Kindes beginnt plötzlich zu reden.

Im Gottesdienst könnten Sie ja mal Jesus zu Wort kommen lassen.

Gott und verschiedene Statuen in der Kirche, etwa der Erzengel Michael, haben sich schon zu Wort gemeldet. Aber vor allem ist meine Bauchrednerpuppe Eutrax, der Grünschnabel, jeden Sonntag um 10.30 Uhr in der Herz-Jesu-Kirche Pegnitz dabei.

Zur Person:Nach seiner Ausbildung als Diplom-Theologe veranlasste der Erfolg seiner Bauchredner-Shows Patrick Martin dazu, sich als Bühnenkünstler selbstständig zu machen. Er besuchte die Sommer-Theaterschule in Konstanz, Kurse in Sprecherziehung, Stimmbildung, Schauspiel, Pantomime, Clownerie. Heute ist er mit seiner Show in Theatern, im Fernsehen, bei Festivals, Firmenfeiern, in kirchlichen und sozialen Einrichtungen unterwegs. Patrick Martin (51) lebt mit seiner Frau Margit, einer Kabarettistin, und seinem Sohn Frank in der Fränkischen Schweiz, in Pegnitz. Hier findet Anfang Januar auch der nächste Bauchrednerkurs statt (www.bauchredner-pat.de) Das Interview führte Diana Fuchs.