Gewinner und Verlierer der Krise

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Montana in BambergSchanz/Archiv
Montana in BambergSchanz/Archiv
 
Tanja Engelhardt und ihre BlumenSchanz/Archiv
Tanja Engelhardt und ihre BlumenSchanz/Archiv
 
Ralf Schmidtlein im CalimerosSchanz/Archiv
Ralf Schmidtlein im CalimerosSchanz/Archiv
 

Kein Bamberger Unternehmer will Gewinner der Krise genannt werden - doch fest steht: Manche Firma trifft das Virus besonders hart, während andere dadurch mehr Arbeit haben. Letztlich verlieren durch Corona jedoch auch sie.

Geschäftsleute sprechen gern von Win-win-Situationen - Corona sorgt für viele Lose-lose-Situationen. Keiner der befragten Unternehmer will sich als "Gewinner in der Krise" betiteln lassen. Mit gutem Grund: Wer heute profitiert, kann schon morgen ein Leidtragender sein. Während Geschäfte geschlossen sind und Fließbänder still stehen, Bier im Fass vergammelt und Frühlingsmode hinter Schaufenstern eingesperrt bleibt, haben andere Firmen alle Hände voll zu tun.

Waren strömen weiter

B eim Bamberger Logistikunternehmen Herbst war in den vergangenen Krisenwochen meistens viel zu tun. "Wir sind eine Spedition, die nicht automobilabhängig und branchenmäßig sehr breit aufgestellt ist", bestätigt Geschäftsführer Frank Herbst, schiebt jedoch ein großes Aber hinterher: "Niemand braucht diese Krise und die einhergehenden Sorgen. Aufgrund der unsicheren Planungslage investiert kaum jemand etwas. Auf keinen Fall sind wir Gewinner der Krise."

Baustoffe, Futtermittel, Blumenerden, Solarmodule: Die Unabhängigkeit von der Autoindustrie kommt Herbst nun zu Gute, denn in der Branche stehen viele Fließbänder still. Doch: "Andere Logistiker, die automobilabhängig sind, drängen nun auf den Markt. Bieten Spotmarktpreise."

Herbst setzt für seine 180 Mitarbeiter und 130 Lastwagen in Bamberg deshalb auf die Treue seiner Stammkunden, um nicht auch Kurzarbeit nutzen zu müssen.

Beschäftigte leisten viel

Hamsterkäufe betrachtet Werner Massak mit gemischten Gefühlen.

"Die holen uns später ja wieder ein. Das Klopapier wird dieser Kunde später nicht mehr kaufen", erklärt der Edeka-Unternehmer. Zwischen fünf bis acht Prozent im Umsatzplus sehe er aktuell in der Krise, doch betont der Geschäftsmann: "Gewinner sind wir auch nicht, würde ich sagen." Das Umsatzplus sei kurzlebig.

Der plötzliche Ansturm "wie Weihnachten und Ostern zusammen, aber ohne Ankündigung" habe auch viel Arbeit zur Folge gehabt.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) schlägt bereits Alarm. Die rund 3000 Beschäftigten in der Lebensmittelindustrie in Stadt und Landkreis Bamberg gehen auf dem Zahnfleisch. Überstunden und Extra-Schichten sind an der Tagesordnung.

Massak betont, dass man mit den Beschäftigten gut umgehen müsse - die Sicherheit der Mitarbeiter stehe im Fokus. szs

Online erlebt einen Schub

C omputop bietet von Bamberg aus mit rund 80 Mitarbeitern seinen Kunden digitale Bezahlsysteme an. Erlebt man in der aktuellen Welle der Digitalisierung einen Boom?

"Wir sind ein Unternehmen vor allem aus dem E-Commerce. Wenn sich der Konsum zunehmend in den Online-Handel verlagert, würde sich der Zahlungsverkehr auch ins Digitale verlagern, so würde man denken", bestätigt Pressesprecher Henning Brandt. "Aber es gibt aktuell Licht und Schatten. Die Anzahl der Transaktionen steigt zwar leicht, verlagert sich aber ganz untypisch weg von einer Branche hin zur nächsten." Als Beispiel nennt Brandt das Kreuzfahrtgeschäft, das plötzlich null Umsatz mache, während vor allem Online-Apotheken stark zulegen.

"Wir erleben keinen Boom. Wir betreuen auch Kunden aus Branchen, die eigentlich profitieren müssten, aber gleichzeitig sind die Leute sehr zurückhaltend bei Ausgaben. Anschaffungen werden gut überlegt." szs

Gutscheine lösen nichts

E in Einkaufserlebnis will Heiko Sandmann in seinem Laden Montana am Grünen Markt bieten. Der Kunde kann hier Kaffee trinken und Whisky kosten, während er Denim-Klamotten an- und Haarpasten ausprobiert - und sogar tätowieren lassen kann er sich. Aktuell freilich nicht. Der Laden hat geschlossen.

"Gott sei Dank, haben wir keine Mode. Unsere Sachen sind zeitlos, werden erst nach zwei, drei Jahren tragen richtig gut", erklärt der Geschäftsführer, der in Schweinfurt seinen Hauptsitz hat. Dort gebe es kein Geld von der Stadt. Deshalb lobt er Bamberg: 5000 Euro hat er bereits gezahlt bekommen. Das helfe.

"Online sind wir einfach nicht ausgelegt. Unser Konzept ist anders", sagt Sandmann. Auch in Gutscheinen sieht er keine Lösung in der Krise. Zwar dürften Kunden gerne welche kaufen, doch: "Ich möchte die Leute nicht anbetteln, um Gutscheine zu kaufen. Das ist einfach nicht unsere Art."szs

Blumen mussten weichen

B unte Farbkleckse in dunklen Zeiten: Nachdem der FT ein Foto von Tanja Engelhardt in ihrem Blumenstand am Grünen Markt gezeigt hat, musste sie von dort weichen. Die Stadt untersagte den Verkauf. Die Begründung: Blumen seien nicht lebenswichtig.

"Verkauf von Obst und Gemüse zur Sicherstellung der Nahversorgung in der Innenstadt ist wichtig und richtig, alles andere nicht", erklärte die Stadt Bamberg das Vorgehen. Engelhardt stand also vor einem vollen Lager mit fast 50 000 Blumen - und die Tulpen und Rosen drohten schon die Köpfe hängen zu lassen. Beinahe hätte das auch die Verkäuferin getan, denn trotz aller Vermittlungen - auch von Seiten der Stadt - fand sich auf die Schnelle kein Großabnehmer. Immerhin konnte sie im Raum Bamberg vereinzelt Blumen an Lebensmittelmärkte liefern. Kürzlich klang Engelhardt jedoch hoffnungsvoll, bald wieder am Grünen Markt ihre Frühlingsblumen verkaufen zu dürfen. szs

Niemand isst zwei Pizzen

I n den Gaststätten rede man von einem Totalverlust, betont Ralf Schmidtlein. Das Essen, das jetzt nicht verkauft wird, werde nie mehr verkauft. "Es wird keiner ins Lokal reingehen und sagen, aus Solidarität esse ich jetzt die Pizza vom März auch noch", sagt der ehemalige DJ, der mittlerweile mit Thomas Gebert auch Chef von Bolero, Salino, Brasserie, Little Italy und Rodez 7 ist.

300 Mitarbeiter hat er, die 250 fest angestellten sind in Kurzarbeit. Bei dieser Größenordnung hilft Schmidtlein der Bamberger Rettungsschirm über kleine Darlehen nicht. Das sei etwas für kleine Unternehmen. "Große Firmen, große Probleme. Kleine Firmen, kleine Probleme": Schmidtlein verhandelt daher mit seiner Hausbank über höhere Summen.

"Weil wir in Vorleistung gehen müssen, Kurzarbeitergeld auszahlen müssen", erklärt der Geschäftsführer, der auf eine baldige Lockerung der Ausgangsbeschränkungen im Freistaat und im Bund hofft.szs