Gerichtsprozess in Bamberg: Bewährungsstrafe und Arbeitsstunden für Obdachlose
Autor: Udo Güldner
Bamberg, Dienstag, 30. Oktober 2018
Räuberischer Diebstahl, Körperverletzung und unerlaubter Drogenbesitz - eine Flasche Bier und ein Beutel Tabak wurden einer 40-Jährigen zum Verhängnis.
BambergEine Flasche Bier für 65 Cent und ein Beutel Tabak für fünf Euro. Das ist die Beute, die eine 40-jährige Obdachlose aus Forchheim bei zwei Griffen ins Regal gemacht hat. Dafür darf sie nun im Rahmen der zur Bewährung ausgesetzten sieben Monate Freiheitsstrafe immerhin 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit leisten. Hatte sie doch den Ladendetektiv verletzt.
Es ist um die Mittagszeit irgendwann im Juni 2018. Im Supermarkt in der Kirschäckerstraße ist viel los. Trotzdem fällt dem Ladendetektiv "eine ziemlich hippelige Frau" auf. Er schöpft Verdacht und beobachtet sie. Als sie wenig später hinaus auf den Parkplatz tritt, ist er sich sicher, dass sie einen Beutel Tabak in ihrer Handtasche hat. Als er sie anspricht, um sie ins Büro zu bitten, eskaliert die Situation. Sie versucht vom Parkplatz zu entkommen. Als er sie festhält, reißt sie sich los, wobei sie ihm heftige Kratzer und Blutergüsse an beiden Armen zufügt.
Verbale Tiefschläge
Von den verbalen Tiefschlägen ganz zu schweigen. Da muss sich der Sicherheitsmitarbeiter vor Einkaufskunden als "Arschloch", "Kinderficker" und "pädophiles Dreckschwein" bezeichnen lassen. "So möchte sich keiner beschimpfen lassen, auch und gerade nicht vor Zeugen in aller Öffentlichkeit," so Richterin Marion Aman. Der Einsatz von Gewalt und die Nicht-Herausgabe des Tabaks wird ihr später als "Beutesicherung" zum Verhängnis werden. Denn damit ist es räuberischer Diebstahl, der härter bestraft wird. Dabei habe sie nur verhindern wollen, so ihr Verteidiger Rechtsanwalt Jochen Kaller (Bamberg), dass ihre Handtasche durchsucht würde. Darin befand sich nämlich eine Dose, in der man sonst Gewürze aufbewahrt, in der aber knapp 1,5 Gramm Marihuana auf den nächsten Joint warteten. "Das war für den eigenen Bedarf."
Hätte sie den Tabak einfach herausgegeben, dann säße man nicht vor dem Schöffengericht, so Staatsanwalt Andreas Uhlstein, der eine Bewährungsstrafe zu Beginn im Rechtsgespräch und am Ende im Plädoyer ablehnte.
Dass es nicht noch schlimmer für die Angeklagte gekommen ist, daran ist nur die Hoffnung schuld, dass sie ihr Leben nach einer langjährigen stationären Therapie, die sich um ihren Drogenmissbrauch und ihre psychischen Probleme kümmern soll, wieder in den Griff bekommt. Sie selbst zeigte sich geständig und einsichtig: "Ich will ja arbeiten. Ich brauche einfach mehr Struktur in meinem Leben."
Ein Blick ins Vorstrafenregister offenbarte eine 17-jährige "Karriere", die aus Diebstahl und Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung, sowie Diebstahl mit Waffen und unerlaubtem Betäubungsmittelbesitz bestand. "Sobald sie draußen rumlaufen, begehen sie wieder Straftaten," sagte Richterin Aman. Nur ein Umzug, ändere an den Problemen nichts, die sie dann nur mitnähme.
Offenbar hatte die Angeklagte ihre seelischen Störungen, unter anderem ein Borderline-Syndrom, ein ausgeprägter Verfolgungswahn mit Halluzinationen und eine Depression mit Selbstmordabsichten, mit Hilfe des Alkohols und einiger Rauschgifte wie Marihuana, Heroin und Amphetamin zu betäuben versucht. Seit über zwanzig Jahren war sie immer wieder in Nerven- und Kopfkliniken, Bezirkskrankenhäusern und Entziehungsanstalten untergebracht. Nicht immer unfreiwillig. War doch der erste Anlauf eines Prozesses am Amtsgericht gescheitert, weil sie sich wenige Tage zuvor zur Behandlung ins Klinikum am Michelsberg begeben hatte.