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Geisterfahrer: Es gibt keinen absoluten Schutz


Autor: Günter Flegel

Hirschaid, Dienstag, 02. Oktober 2012

Der schwere Geisterfahrer-Unfall auf der A73 rückt die Sicherheit auf den Autobahnen in den Fokus. Die Meinung der Experten ist ernüchternd: Es gibt keinen absoluten Schutz.
Bei einem schweren Unfall sind am Dienstag eine Geisterfahrerin, ihre siebenjährige Tochter und ihr 25-jähriger Unfallgegner ums Leben gekommen. Die Autobahn 73 musste zwischen Hirschaid und Bamberg stundenlang gesperrt werden. Foto: Ronald Rinklef


Der 25 Jahre alte Fahrer des Skoda Oktavia hatte keine Chance: Wie aus dem Nichts tauchte der rote Twingo auf seiner Fahrspur auf, zwischen der Wahrnehmung und dem Unfall blieben nur Sekundenbruchteile. Geisterfahrer auf der Autobahn: Der Alptraum jedes Autofahrers wurde am Dienstagmorgen auf der Autobahn 73 bei Hirschaid für drei Menschen zur tödlichen Realität.

Bayern führt als einziges Bundesland eine Statistik zu den Falschfahrern. Um die 300 Vorfälle werden jedes Jahr im Freistaat gemeldet. Am Unfallgeschehen sind Geisterfahrer nur mit einem verschwindend geringen Prozentsatz beteiligt, heißt es im Innenministerium - die Folgen aber sind wie am Dienstag auf der A73 meist so verheerend, dass die Frage unweigerlich gestellt wird: Warum ist es passiert? Wie kann man solche Unfälle verhindern?

"Hundert Prozent Schutz gibt es nicht", sagt der Verkehrspsychologe Martin Berger aus Bamberg.

"Derartiges Fehlverhalten wird meist ausgelöst durch gravierende Störungen in der Persönlichkeit des Fahrers", sagt er. In den meisten Fällen, die Berger aus seiner Praxis kennt, waren Alkohol, Drogen, extremer Stress oder Altersdemenz im Spiel.

40 Prozent sind älter als 70


Das Problem Alter spiegeln die Zahlen aus dem Innenministerium in München wider. Demnach sind fast 40 Prozent der Geisterfahrer älter als 70 - dreimal mehr, als ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht.

Warum kommt es immer wieder zu den fatalen Fahrfehlern? Die Polizei steht "im Prinzip vor einem Rätsel", sagt Otto Weichsel, der Chef der Verkehrspolizei Schweinfurt/Werneck. Seine Beamten betreuen die A7, die A73 und die A70 in Unterfranken und haben vier- bis fünfmal im Monat Falschfahreralarm.

Erwischt werden die Geisterfahrer meist nicht, und auch Unfälle sind laut Weichsel selten. Ein Muster lasse sich nicht ableiten. "Wenn es an bestimmten Stellen eine Häufung gibt, suchen wir mit den Verkehrsbehörden nach Verbesserungsmöglichkeiten", sagt Weichsel. So werde immer wieder die Beschilderung nachgebessert.

Die Grenzen der Sicherheit


Die Möglichkeiten, die Straßen noch sicherer zu machen, sind begrenzt, weiß man bei der Autobahndirektion Nordbayern in Nürnberg. "Die Anschlussstellen und das Schildersystem sind standardisiert und im Hinblick auf die Sicherheit optimiert", sagt Gerold Wagner. "Trotzdem fließen natürlich laufend neue verkehrspsychologische Erkenntnisse in das System ein."

Über Warnschilder oder Signale hinaus wird aber kaum etwas zu machen sein. Überlegungen, Falschfahrer durch Krallen zu stoppen, gibt es, die Umsetzung stößt jedoch an Grenzen: Solche Sperren würden auch die Rettungsdienste behindern. Die Technik und ihre Wartung wären bei den 400 Autobahn-Anschlussstellen in Bayern teuer.

Das einzige vollautomatische Geisterfahrer-Warnsystem in Nordbayern befindet sich im Autobahntunnel bei Eltmann (A70). Dort registrieren Kameras, in welche Richtung die Fahrzeuge unterwegs sind. Bei einem Geisterfahrer gibt es in der Verkehrszentrale in Fischbach bei Nürnberg Alarm. "Wir verständigen dann sofort die Polizei", sagt Stefan Hahn von der Autobahndirektion. Dann bleibt auch ihm nur die Hoffnung, dass der Albtraum nicht passiert.