Geflammter Kardinal trifft Jungfer
Autor: Marion Krüger-Hundrup
Oberhaid, Sonntag, 11. Oktober 2015
Tausende Obstfreunde besuchten am Sonntag den Apfelmarkt in Oberhaid und machten sich auf eine Genussreise zu regionalen Spezialitäten.
Schamhaft errötet liegt die Jungfer in ihrem Bettchen. Der Kardinal dagegen behält seine fahlgelbe Gesichtsfarbe. Doch gebieten wir der Fantasie Einhalt! Es handelt sich bei diesem ungleichen Liebespaar lediglich um Äpfel: um den "Halberstädter Jungernapfel" und den "Geflammten Kardinal". Zwei Sorten, die aus der Fülle an ausgestellten Paradies früchten im Oberhaider Bürgerhaus ins Auge fallen.
Apfelmarkt ist am Sonntag angesagt, zu dem der Kreisverband für Gartenbau und Landespflege Bamberg gemeinsam mit der Gemeinde Oberhaid einlädt. Tausende Obstfreunde schlendern über die Genussmeile, vorbei an Ständen mit regionalen Spezialitäten und Gaumenfreuden wie Apfelstrudel, Apfellutscher, Apfelkräpfla, Apfelpunsch ohne Alkohol, Apfel-Federweißer oder frisch gepresstem Apfelsaft.
Natürlich stehen diese Früchte heimischer Streuobstwiesen im Mittelpunkt, doch beileibe nicht nur Äpfel
Für Oberhaids Bürgermeister Carsten Joneitis ist der Apfelmarkt in seiner Gemeinde "eine Auszeichnung", wie er bei der offiziellen Eröffnung des Treibens sagt. Alt-Landrat Günther Denzler, Vorsitzender des Kreisverbandes, nennt diesen Erlebnismarkt rund um das Lieblingsobst der Deutschen "herausragend". Für Landrat Johann Kalb ist der Apfelmarkt "eine besondere Plattform für unsere heimischen Streuobstwiesen". Und Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml propagiert als Ärztin den häufigen Verzehr von Äpfeln. Denn "sie schmecken nicht nur gut, sie tun auch gut", weiß Huml, die gleich eine ganze Reihe von Vorzügen dieses Obstes auflistet: viele wichtige Vitamine, wenig Kohlenhydrate, ausreichend Ballaststoffe, hilft beim Reinigen der Zähne.
Um solche Gesundheitsfördernden Details geht es jedoch den vielen Obstbaumbesitzern nicht, die sich bei den versierten Pomologen (Obstkundler) Werner Nußbaum und Hermann Schreiweis im Bürgerhaus einfinden. Jung und Alt präsentieren den Beiden ihre geernteten Äpfel, um die Sorte bestimmen zu lassen. Guido Naumann aus Bamberg etwa hat gleich vier verschiedene Typen mitgebracht: "Die Bäume wurden vor meiner Zeit gepflanzt, ich möchte wissen, was das für Äpfel sind", erklärt er. Für Werner Nußbaum und Hermann Schreiweis ist die Lösung des Rätsels kein Problem.
Sie begutachten die Schale, den Stiel, schneiden die prallen Objekte auf, probieren eine Spalte, inhalieren förmlich den Duft des Obstes. "Das ist ein Gravensteiner!" lautet schon einmal eine Antwort. "Das ist ein Jonagold, das ein Jonathan." Und da haben wir ihn wieder: "Das ist ein geflammter Kardinal!" Guido Naumann bekommt die Ergebnisse auf eine Urkunde notiert. Schon steht der Nächste aus der Menschenschlange vor den Pomologen.
Insgesamt 2000 Sorten
Sie klären darüber auf, dass es in Deutschland rund 2000 verschiedene Apfelsorten gibt: "Ich kenne wohl die Bamberger Kugelbirne, aber ein Bamberger Spezialapfel ist mir nicht bekannt", sagt Hermann Schreiweis.
Der Fachmann bedauert, dass das Wissen der Altvorderen über Obstsorten verloren geht: "Einige Sorten kennen wir nur noch aus den Erzählungen der Großeltern." So manches "lebendige Kulturerbe" sei verschwunden, bedauert Schreiweis und wendet sich wieder einer Sortenunkundigen zu.
Derweil spielt der Blasmusikverein Oberhaid, später das Jugendblasorchester vor dem Rathaus auf. Oh, welch Sakrileg! Etliche Zuhörer verzehren nicht etwa Äpfel, sondern Leberkässemmel oder Bratwörscht. Hat jemand schon Apfelsenf erfunden? Wäre nicht nur in Oberhaid eine Marktlücke!