Druckartikel: Fußballfans in Franken: Die Spiele sollen stattfinden

Fußballfans in Franken: Die Spiele sollen stattfinden


Autor: Peter Groscurth

Bamberg, Mittwoch, 18. November 2015

Nach der Absage des Länderspiels am Dienstag wird in Fußballkreisen diskutiert, ob eine Verlegung in der Bundesliga am Wochenende sinnvoll wäre. Wir haben bei Fußballfans in der Region nachgefragt.
Die Nordkurve im Nürnberger Stadion. Dort wollen die Anhänger am Montag ihren Club unterstützen. Foto: Klaus Wehling


Die Länderspiel-Absage von Hannover hat die Debatte um Sicherheit im Fußball weiter befeuert. Das gilt auch für die Lage in Franken. Viele Fans fragen sich, ob sie noch unbeschwert und vor allem sicher die Spiele ihrer Lieblingsvereine besuchen können.

"Mein Eindruck ist, dass der Fußball in Deutschland mit dem heutigen Tage in allen Facetten eine andere Wendung genommen hat", erklärte DFB-Interimschef Reinhard Rauball mit ernster Miene. Er versicherte trotz der kurzfristigen Absetzung der Testpartie zwischen der deutschen Nationalmannschaft und den Niederlanden wegen einer Terrorwarnung, die Bundesliga werde am Wochenende spielen.


Risiko wird immer bewertet

Beim Club steht am kommenden Montag die Begegnung zu Hause gegen Braunschweig an. Ein Abendspiel, das live im TV bei Sport1 übertragen wird, zu dem aber auch viele Anhänger aus ganz Franken anreisen werden. Pressesprecherin Katharina Wildermuth erklärt auf Anfrage: "Der 1. FC Nürnberg macht sich selbstverständlich immer Gedanken, um die Sicherheit der Spiele, nicht erst seit Paris. Wie vor jedem Heimspiel erfolgen Besprechungen sowie eine schriftliche Risikobewertung, die mit allen Sicherheitsträgern abgestimmt wird. Demnach arbeiten wir permanent daran, die Einlasskontrollen zu verbessern und die Qualität des Ordnungsdienstes zu erhöhen."

Ähnlich sieht es der zweite fränkische Vertreter in der zweiten Bundesliga, die SpVgg Greuther Fürth: "Wir haben bei den Heimspielen unserer Spielvereinigung ein hohes Sicherheitsniveau, weil wir in den letzten Jahren unser Konzept stetig optimiert haben", sagt Pressesprecher Immanuel Kästlen. Und weiter: "Wir folgen dabei dem Credo so viele Sicherheitsmaßnahmen wie nötig, einen so angenehmen Besuch wie möglich."



Verschärfte Zutrittskontrollen

Erkenntnisse zur Veränderung einer allgemeinen Gefahrenlage oder geplanten Terrorattacken steuert die mittelfränkische Polizei bei. Derzeit liegen dort aber noch keine Hinweise für eine veränderte Sicherheitslage beim Spiel am Montag vor. In der ersten und zweiten Liga denken die Verantwortlichen daher nicht an eine Absage: "Der Spieltag wird stattfinden", erklärte Rauball. Auf die Frage nach zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen antwortete er: "Darüber denken wir natürlich auch nach."

Tatsache ist, dass auch rund um das Grundig-Stadion mehr auf Sicherheit geachtet werden wird. Alle Sicherheitskräfte und Ordner sollen hier noch aufmerksamer sein. Vor allem die Ordnungsdienste werden bei Zutrittskontrollen die Durchsuchungen der Fans verschärfen.

Gerade wartende Fußballanhänger vor einem Stadion könnten für Attentäter ein potenzielles Ziel sein. Das weiß auch Polizeioberrat Holger Baumbach vom Präsidium der Bereitschaftspolizei Bayern aus Bamberg: "Der Umgang mit solchen Menschenmassen ist immer heikel und zwar aus verschiedenen Aspekten heraus." Baumbach liegen derzeit auch keine neuen Erkenntnisse einer größeren Anschlagsgefahr vor. "Hier gilt nach wie vor die Einschätzung einer erhöhten abstrakten Gefahrenlage." Die Beamten der Bereitschaftspolizei stehen den Präsidien als sogenannte Unterstützungseinheiten zur Verfügung. Gegenwärtig laufen demnach die Planungen für das Wochenende, wo die Kräfte der Bereitschaftspolizei Bayern eingesetzt werden sollen. "Die hohe emotionale Belastung bei den Einsätzen und die Situation bei Großveranstaltungen sind eben Teil unseres Berufs", fügt Baumbach an.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hält nichts davon, aufgrund der Terrorgefahr in der nächsten Zeit Großveranstaltungen abzusagen. "Das würde ich auf keinen Fall empfehlen", sagte er.


Bamberger Fans sind entspannt

Und wie reagieren die Fans im Landkreis Bamberg? Gelassen. "Ganz ehrlich: Fürth steht da wohl eher weniger im Fokus", sagt Matthias Sommer. Der 43-Jährige ist Vorsitzender des kleinen Fanclubs "Unter"-Greuther-Fürth aus Stegaurach. Er glaubt, dass es den Terroristen bei potenziellen Anschlagszielen darauf ankäme, wie publik ein solches Fußballspiel ist.

Sommer selbst war am Dienstagabend beim Spiel der U21-Nationalmannschaft, die in Fürth gegen Österreich gespielt hat. Mit einer Gruppe von 22 Kindern und Eltern sei er im Fürther Stadion gewesen, erzählt Sommer, der F-Jugend-Betreuer beim SV Waizendorf ist. Den Kindern habe der Abend Spaß gemacht. Von übermäßigem Polizeiaufgebot habe er nichts feststellen können. Dazu sei wohl auch dieses Spiel zu unbedeutend gewesen. Nur die Kontrollen am Eingang hätten länger gedauert, schildert der Fanclub-Chef. "Wir kamen erst nach den Nationalhymnen ins Stadion." Er habe dann ein gutes Fußballspiel gesehen. Angst habe er keine.
Die hat auch Veith Dathe nicht. Der Vorsitzende des FC-Bayern-Fanclubs "Red United" Altendorf findet, dass man die Bundesligaspiele am Wochenende auf jeden Fall stattfinden lassen müsse. "Anders geht es gar nicht, die kriegen uns nicht klein", stellt Dathe klar. Deshalb ist geplant, dass die Fan-Vereinigung "Rot-Weiss Bamberg", zu der neben fünf anderen Fanclubs aus Bamberg und Umgebung auch der Altendorfer Club gehört, am kommenden Dienstag das Champions-League-Heimspiel gegen den griechischen Verein Olympiakos Piräus besucht.

Einen Tag zuvor tritt bereits der 1. FC Nürnberg zum Heimspiel an, auch hier ist klar: "Die Mitglieder unseres Fanclubs, die Dauerkarten haben, fahren am Montag zum Spiel, auf jeden Fall", sagt Klaus Wehling, Vorsitzender des FCN-Fanclubs Wiesen und Umgebung, der gleichzeitig der größte Fanclub in Deutschland ist. Zwar hat der 61-Jährige noch keine Rücksprache mit Verantwortlichen des Vereins oder den Mitgliedern des 740 Personen zählenden Fanclubs gehalten. Man müsse abwarten, wie sich die Liga-Leitung in den kommenden Tagen entscheidet, derzeit könne sich die Situation ständig ändern, findet der Hallstadter. Doch wäre es aus seiner Sicht das Beste, wenn die Spiele stattfinden. "Die Fans wollen das", ist Wehling überzeugt.

Für ihn stellt sich noch eine ganz andere Frage, die auch den Fürth-Fan Matthias Sommer bewegt: "Sind überhaupt die Köpfe der Spieler frei?"


Fans im Forchheimer Raum zeigen Verständnis

Mit der Absage des Länderspiels waren nicht alle Fußballfans einverstanden. Der Forchheimer Jörg Sohns kann die Entscheidung allerdings verstehen: "Wenn es Gefährdungspotenziale gegeben hat, war es richtig." Obwohl er aus Hannover stammt und dortige Quellen bemühte, kam der 49-Jährige auch nicht früher an Informationen. "Ich habe meine Eltern in Hannover angerufen, die konnten mir aber auch nichts sagen", erklärt Sohns, der bis Anfang der 90er Jahre für Hannover 96 und mittlerweile für die SpVgg Jahn Forchheim Badminton spielt.

Die Entscheidungsträger könnten es ohnehin niemandem Recht machen. "Wir zerreißen sie, wenn sie so eine Veranstaltung vermeintlich grundlos absagen, aber noch mehr zerreißen wir sie, wenn das Spiel stattgefunden hätte und im Stadion mit knapp 50.000 Zuschauern eine Bombe hochgegangen wäre", sagt Sohns. Angst davor, künftig solche Großveranstaltungen zu besuchen, hat der Sportler jedenfalls nicht, auch wenn man selbst in einer Kleinstadt wie Forchheim nie völlig sicher sei.

Horst Stummvoll, Vorsitzender der Clubfreunde Burk, schwankt zwischen Verzweiflung und Trotz: "Die Fans waren natürlich über die Absage enttäuscht, aber was soll man machen? Man muss damit leben, dass die Welt immer verrückter wird."

Angesichts der ungünstigen Spieltermine - oft freitags, sonntags oder montags - würden sich die Auswärtsfahrten seines 1. FC-Nürnberg-Fanclubs derzeit zwar in Grenzen halten. "Aber wir haben keine Angst davor, in große Stadien zu fahren. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir ins Stadion gehen", sagt Horst Stumvoll.
Man dürfe gar nicht daran denken, was schon alles in den Arenen oder auch auf den Busfahrten an Unglücken hätte passieren können.


Fans im Raum Erlangen-Höchstadt: "Jetzt erst recht!"

Der 1. FCN Fanclub Lonnerstadt will sich die Lust auf den Fußball nicht nehmen lassen. Aus Angst künftig darauf zu verzichten, ins Stadion zu fahren, kommt für die Mitglieder nicht in Frage. "Ganz im Gegenteil. Jetzt erst recht. Wir fahren am Montag auf jeden Fall zum Club und nächstes Wochenende nach St. Pauli zum Auswärtsspiel", erklärt der Vergnügungswart Stefan Teufel.

Der Fanbus mit 50 Sitzplätzen ist immer voll. Über die Vorfälle in Paris und Hannover habe man gesprochen. Ein paar einzelne Mitglieder hätten auch leise Zweifel geäußert, ob sie weiter zu den Spielen mitfahren werden, "letztlich wollen aber trotzdem alle mit", sagt Teufel.

Ob er dennoch ein mulmiges Gefühl hat, künftig ins Stadion zu gehen? "Jein. Dass immer mehr Polizei vor Ort sein wird, das allein macht einen etwas unruhiger. Vielleicht bleiben jetzt aber eher Einzelpersonen wie Familienväter zuhause."

Auch Frank Hauke, Vorsitzender des Fanclubs "Bayern-Power 92 Adelsdorf", wird weiterhin zu Spielen vom FC Bayern München fahren. "Auch wenn es jetzt schon ein ganz anderes Gefühl ist, ins Stadion zu gehen", gesteht er ein. "Ein noch mulmigeres Gefühl habe ich allerdings, wenn ich auf den Christkindlesmarkt in Nürnberg gehe. Das werde ich heuer nicht machen."

Hauke spricht sich in Zukunft für strengere Kontrollen beim Einlass aus. "Bisher war es so, dass man manchmal wie ein Schwerverbrecher behandelt wurde und die Schuhe ausziehen musste, andere überfliegen einen nur", sagt Hauke.

Auch Adidas reagiert auf die Absage des Länderspiels zwischen der deutschen Nationalmannschaft und den Niederlanden am Dienstag. "Wir glauben unverändert an die positive Kraft des Sports", schreibt Pressesprecher Oliver Brüggen in einer offiziellen Stellungnahme. Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sei die Terrorgefahr ein ständiger Begleiter von sportlichen Großereignissen. Die Sicherheit der Mitarbeiter und Gäste von Adidas bei diesen Veranstaltungen zu gewährleisten, ist "unser oberstes Anliegen", so Brüggen.

Selbstverständlich gebe es entsprechende Sicherheitskonzepte. "Wir wissen, dass die französischen Behörden, das lokale Organisationskomitee und die UEFA dieses Thema sehr ernst nehmen und alles in ihrer Macht stehende tun werden, um bei der Europameisterschaft das höchste Maß an Sicherheit zu garantieren", heißt es weiter. Die Situation will Adidas weiter beobachten und in enger Abstimmung mit den Partnern ständig aktualisieren.


Das sagen die Fanclubs im Coburger Raum

"Wir sind am Montag im Stadion", sagt Markus Zipfel, der Vorsitzende des 1.FCN-Fanclub Clubrausch Grub. Der harte Kern der Dauerkarten-Besitzer wird sich das 2. Liga-Spiel gegen Braunschweig trotz der jüngsten Ereignisse nicht entgehen lassen. "Natürlich macht man sich so seine Gedanken über die Sicherheit", sagt Zipfel. Trotzdem schätzt er die mögliche Gefahr als "relativ gering ein, dass etwas passiert". Schließlich gehe es hier um ein Spiel der 2. Liga, das sicher nicht so im Fokus des Interesses stehe.

"Clubrausch Grub"Die weiteren Mitglieder des Fanclubs, die keine Dauerkarte besitzen und am Montag nicht im Stadion sind, werden sich "das Spiel natürlich im Vereinslokal im Fernsehen anschauen."

Dass die Mitglieder des Bayern-Fanclubs "Seßlach "91" am Samstag nicht zum nächsten Auswärtsspiel ihres Lieblingsclubs in die Schalker Arena fahren, liegt nicht an irgendwelchen Sicherheitsbedenken. "Wir haben diesmal einfach keine Karten bekommen", erklärt Wolfgang Rößner, der Präsident des Fanclubs.

Bedenken, in Deutschland in Fußballstadion zu gehen, hat der Seßlacher auch nach den Ereignissen von Hannover nicht: "Ich habe mich schon immer sicher gefühlt - und das wird weiterhin der Fall sein."

Bayern-Fans live dabei. Konkret heißt das: Rößner und seine Fanclub-Kollegen werden die Bayern in den nächsten Wochen beim Champions-League-Spiel gegen Piräus und beim Auswärtsspiel in Berlin verfolgen. Live, versteht sich.


Reaktionen aus dem Kulmbacher Raum

"Überhaupt keine Bedenken" hat Edgar Friedmann, Vorsitzender des FC-Bayern-Fanclubs Plassenburg Kulmbach. "Sonst müsste man ja vor jeder Großveranstaltung davonlaufen und dürfte nicht mehr aus dem Haus gehen", sagt der 52-Jährige. Man werde am Samstag in einer Woche wieder gegen Hertha BSC Berlin im Stadion sitzen - wie immer mit knapp 50 Mann (und natürlich Frauen). "Ich glaube nicht, dass jetzt einer absagen wird." Was er auch gut fände, schließlich wollten ja die Terroristen genau das Gegenteil erreichen.

Friedmann erwartet aber schon, "dass der eine oder andere Polizist mehr im Stadion sein wird - und die Sicherheitskräfte werden wohl genauer hinschauen." Die Kontrollen beim FC Bayern seien aber jetzt schon sehr streng. "Ich musste sogar schon mal mein Brillenetui aufmachen", sagt der Ober-Fan.

Gegen Hertha wird auch Jochen Kauper in der Allianz-Arena sitzen. Wie immer, wenn ARD-Journalist Bernd Schmelzer über ein Bundesliga-Spiel berichtet. Der Kulmbacher assistiert ihm - und das auch weiterhin, obwohl er natürlich das Risiko von Terroranschlägen in größeren Städten wie München höher einschätzt als etwa in Kulmbach oder Bayreuth. "Sich aber von Terroristen im Alltag beeinflussen zu lassen, wäre der falsche Ansatz. Das wollen die doch nur." Man müsse auch weiterhin "das machen, was man gern macht".

Jochen Kauper kann aber verstehen, wenn nach Paris und gerade Hannover viele Fans nicht mehr so unbeschwert wie früher ins Stadion pilgern. "Aber das wird sich wieder normalisieren", glaubt er. Wie Friedmann rechnet auch der 42-jährige Journalist damit, dass die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Bundesliga-Stadien "brutal nach oben gehen".

Dass sich die strengeren Kontrollen auf Dauer aufrecht erhalten lassen, bezweifelt Michael Hohlweg. Der D-Juniorentrainer der JFG Maintal/Friesenbachtal war erst heuer mit seinen Jungs im Stadion, beim Zweitligaspiel in Fürth gegen Fortuna Düsseldorf. Wäre so ein Ausflug für das kommende Wochenende geplant, würde ihn Hohlweg "wahrscheinlich nicht absagen". Schließlich ist ihm bewusst, dass hundertprozentige Sicherheit "nie jemand gewährleisten" könne. Ganz wohl wäre ihm bei einem Stadionbesuch mit seinen Jungs aktuell aber trotzdem nicht: "Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir keine Gedanken mache."



Fan aus Bad Staffelstein: "Es wird nicht mehr wie früher sein"

Im Gespräch mit Fußballfans aus Bad Staffelstein wird deutlich: Die Ereignisse von Montag stimmen sie nachdenklich. "Man ist verunsichert und hat gemischte Gefühle, wenn man an die nächsten Spiele denkt", sagt Ottmar Kerner, Club-Fan aus Bad Staffelstein und seit 2004 Mitglied im FCN-Fanclub in Wiesen. Seiner Meinung nach werden die Ereignisse in Hannover jedoch keine Auswirkungen auf die Fußballspiele und die Fans in Nürnberg haben. "Der ein oder andere wird deswegen vielleicht nicht ins Stadion gehen. Aber die Masse betrifft das nicht."

Georg Scheer, auch ein Staffelsteiner Club-Fan und Mitglied im FCN-Fanclub in Wiesen, ist sich dagegen sicher, dass der Spielabbruch in Hannover etwas ändert. "Es wird nicht mehr wie früher sein. Ich hab jetzt zwar keine Angst, aber es ist einfach ein blödes Gefühl", sagt er. Und trotzdem will er am Montag ins Stadion gehen und sich das Spiel seiner Lieblingsmannschaft gegen Braunschweig anschauen. "Ich lasse mich davon nicht unterkriegen und versuche mich nicht verrückt machen zu lassen." Sonst müsse man seit Paris immer Angst haben sobald man die Tür verlässt, nicht nur beim Weg ins Fußballstadion. Auch Ottmar Kerner ist sich sicher, seine Mannschaft bald wieder im Stadion zu unterstützen. "Man ist dann vielleicht nicht ganz so euphorisch. Deswegen bleibe ich trotzdem nicht zu Hause."


Nachdenkliche Fans im Kreis Haßberge

Im Gespräch mit Vorsitzenden verschiedener Fanclubs im Kreis Haßberge wird deutlich: Die Entwicklung der Ereignisse stimmt die Fußballfreunde sehr nachdenklich. Allerdings will sich keiner der Befragten von der erhöhten Terrorgefahr von Stadionbesuchen abhalten lassen. "Angst habe ich jetzt nicht. Aber ein bisschen ein mulmiges Gefühl", sagt etwa Norbert Scheuring, Vorsitzender des FC-Bayern-Fanclubs "Wallburg" Eltmann 96. Die Eltmanner Bayernfans fahren am Samstag nach Gelsenkirchen zum Auswärtsspiel ihres Vereins gegen Schalke.
Diese Fahrt wegen der Terrorgefahr abzusagen, sei ihm nicht in den Sinn gekommen, erklärt Norbert Scheuring. "Wir fahren da jetzt hoch und sind guter Dinge", sagt er, schränkt aber ein, dass es ein bisschen an der Leichtigkeit fehlt, die einen sonst auf solchen Fußballfahrten begleitet: "Der Sport tritt da schon etwas in den Hintergrund." Sicher werde das Thema Sicherheit ein Thema unter den mitreisenden Fans sein.

Roland Holzheid ist Vorsitzender des Greuther-Fürth-Fanclubs Altenstein. Der Polizist in Ruhestand (Kripo Coburg) hat in Sachen Sicherheit von Berufs wegen andere Einblicke als die meisten anderen Menschen. Das Stadion des Zweitligisten Greuther Fürth, Ronhof genannt, "hat ein Fassungsvermögen von 18 000 Zuschauern", sagt er. "Ich denke mal, dass es attraktivere Ziele gibt."

Allerdings ist er sich darüber im Klaren, dass auch kleinere Orte, die weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen, Ziel eines terroristischen Angriffs werden könnten. Er weiß aber ebenso, dass die Sicherheitsbehörden im Umgang mit Terror und Gewalt (etwa im Hinblick auf die RAF seit den 1970er-Jahren) in den vergangenen Jahrzehnten viele Erfahrungswerte gesammelt haben, was die innere Sicherheit betrifft. Dass die Polizei und andere Sicherheitskräfte ihr taktisches Vorgehen nicht öffentlich diskutieren möchten, sei nur logisch, denn es würde möglichen Terroristen in die Hände spielen. Dass die Öffentlichkeit und die Medien dennoch nach Antworten verlangen, sei aber auch verständlich, deswegen sei Informationspolitik eine sehr schwierige Aufgabe. Dass Mitglieder des Altensteiner Fanclubs weiterhin zu jedem Heimspiel der Fürther Kleeblätter fahren werden, steht für ihn aber außer Frage.

Matthias Zdzieblo, Vorstandsvorsitzender der Clubfreunde Knetzgau, sagt zum Thema: "Die Terrorwarnungen und das abgesagte Länderspiel berühren uns sehr. Aber wir sagen nicht, dass wir nicht mehr ins Stadion gehen." Vielmehr wolle man mit der Anwesenheit bei künftigen Fußballspielen auch ein Zeichen setzen: "Wir haben uns gestern in der Vorstandschaft darüber unterhalten und extra nochmal eine Aktion gestartet, damit wir in möglichst großer Zahl zum Pokalspiel gegen die Hertha (am 16. Dezember, die Red.) gehen", erklärt er.


Kronacher war in Hannover dabei

Der aus Kronach stammende Frank Müller hat am Dienstagabend die Abfahrt der A7 Richtung Hannover gerade hinter sich gebracht, als gegen 18.15 Uhr eine Meldung einer Nachrichtenapp auf seinem Handydisplay aufpoppt. Die Robert-Enke-Straße sei gesperrt. "Die Polizeipräsenz auf den Straßen nahm dann schlagartig zu", erinnert sich Müller. Stunden später wird er wissen, dass die Terrorangst in Deutschland an diesem Abend eine neue Dimension erreicht hat.

Der 39-Jährige ist Vorsitzender der Oberfrankenvereinigung der Fanclubs des FC Bayern München und jedes Jahr dutzendfach in Stadien. Wenn es sich mit seinen Terminen vereinbaren lässt, lässt er auch ein Länderspiel nicht aus. "Ich war an dem Tag beruflich in Nordhessen unterwegs, deshalb bot es sich an, nach Hannover zu fahren", sagt Müller. Vor sechs Wochen schon hatte er die Karte für das Testspiel Deutschland-Holland bestellt, die er dann doch nicht nutzen sollte.

Als er um kurz vor 19 Uhr am Fanparkplatz beim Stadion ankam, sei die Polizeipräsenz schon "beeindruckend" gewesen, schildert er am Telefon. Jedes heranfahrende Auto sei von Polizeibeamten durchleuchtet worden. Nach den Anschlägen von Paris fand Müller das nachvollziehbar und nicht weiter beunruhigend.

Auf dem Fußweg zum Stadion blieb die hohe Polizeipräsenz, "jeder zweite hatte eine Maschinenpistole umgehängt", beschreibt er. Als bedrohlich habe er das nicht empfunden, sondern sich sicher gefühlt, schildert Müller. Gegen 19.10 Uhr konnte er von seinem Platz in der Schlange aus sehen, dass es die Ordner sehr genau nahmen mit den Durchsuchungen. "Und dann ging es gar nicht mehr weiter."

Als die Wartenden unruhiger wurden, sprachen die Ordner lauter, forderten die hunderten Menschen vor den Toren auf, sich in Ruhe vom Stadion zu entfernen. Wenig später wurden die Tore dicht gemacht, dann kam die Polizei hinzu. "Der Ton war zu jeder Zeit human, aber wir wurden aufgefordert, den Eingangsbereich zügig zu verlassen", sagt Müller. Spekulationen seien aufgekommen. Stromausfall? Unwahrscheinlich, dachte er, als er sah, wie mehrere Mercedes-Kleinbusse in Eskorte aus dem Stadion schnellten.

"Es sickerte durch, dass angeblich verdächtige Personen aufgetaucht seien." Als Müller schon auf dem Weg zu seinem Auto war , donnerten dann "mit einem Affenzahn" zivile Polizeiwagen über den Parkplatz zum Stadion heran. Anlass zu einem mulmigen Gefühl. "Es ging alles sehr schnell. Aber die Polizei hat die Situation souverän gelöst", meint der Regenstaufer. Kurz vor 20 Uhr suchte er sich dann seinen Weg durch das immer noch blaulichthelle Hannover in Richtung Heimat.

Einen Tag später erzählt Frank Müller all das ganz besonnen, ohne Angst in der Stimme. Und diese Angst will sich der Fußballfan auch künftig nicht aufzwingen lassen. Am Dienstag spielt in München "sein" FC Bayern gegen Olympiakos Piräus. Da will er dabei sein. "Ich glaube, bei einem Fußballspiel ist das Sicherheitslevel recht hoch. Ein Weihnachtsmarkt etwa ist deutlich unübersichtlicher", meint Müller. Wegen der akuten potenziellen Gefahr sei es in Hannover richtig gewesen, abzubrechen. Aber es dürfe nicht sein, dass die Freude am Fußball der Terrorgefahr weicht.

Im Kronacher Landratsamt, das auch eine Sicherheitsbehörde für den Kreis Kronach ist, scheint man von keiner akuten Gefahr auszugehen. Amtssprecher Bernd Graf teilte mit: "Im Zuständigkeitsbereich des Landratsamtes wurden in den vergangenen Tagen keine Veränderungen der bestehenden Sicherheitsvorkehrungen, etwa im Katastrophenschutz, vorgenommen."



Kommentar zum Thema von Christian Holhut: Mit Teamgeist gegen den Terror

Fußball ist die beliebteste Sportart in Deutschland. Trotz Kommerz und einiger Skandälchen auf höherer Ebene: Er ist Emotion, Gefühl, Leidenschaft, für manche gar Liebe und Glück. Weltweit steht der Fußball für Völkerverständigung wie kein anderer Sport. Nicht selten wirkt er wie Arznei, die Not und Leid lindert: Wer sich nur einmal vor Augen führt, wie Mönche in roten Kutten auf der tibetanischen Hochebene genauso kicken wie Jungs mit gelben Trikots in den Slums von Rio, wie sie ihre Probleme ebenso wegballern wie der Investment-Banker im Central Park... der erkennt: Wer den Fußball liebt, der will nicht davon lassen.

Nun heißt es: Der Fußball ist nicht mehr so, wie er war. Haben die feigen Terroristen von Paris, wohl auch Hannover, das wirklich erreicht? Ja, wir haben ein mulmiges Gefühl - es darf aber nicht zur Triebfeder unseres Handelns werden. Der Zirkus Bundesliga, ein Stadionbesuch mit der Familie: Das können wir uns nicht nehmen lassen, es wäre eine fatale Niederlage der zivilisierten Gesellschaft. Geben wir kleinen Kickern Antworten auf Fragen zu Islam und islamistischem Terror, gehen wir Großen mit gutem Beispiel voran. Und sorgen wir dafür, dass der Ärger über vergebene Chancen mindestens 90 Minuten wieder wichtiger wird als die vermeintliche Ohnmacht angesichts religiösen und politischen Irrsinns. Der Fußball hierzulande hat es verdient ob der Millionen Aktiven und des Spitzenplatzes unter den Sportarten.