Für Markus Ziegmann war Altenpflege die totale Überraschung
Autor: Sabine Christofzik
Lichteneiche, Donnerstag, 01. Sept. 2016
Markus Ziegmannn aus Ebing hätte noch vor gut einem Jahr nicht gedacht, dass eine Ausbildung in der Altenpflege genau das Richtige für ihn ist.
Wenn die Bewohner der Seniotel Senioren-Wohnpark Pflegeeinrichtung in Lichteneiche ganz genau hinschauen, ist seit gestern etwas neu an "ihrem" Markus. Ein Wort auf dem Namensschild am hellblauen Oberteil seiner Arbeitskleidung: Markus Ziegmann, Altenpflegeschüler, steht dort.
In den vorangegangenen drei Tagen dieser Arbeitswoche war der junge Mann noch Praktikant. Allerdings kennen ihn die Senioren viel länger. Der Ebinger hat sein Freiwilliges Soziales Jahr (FJS) in dem Haus gemacht, das jetzt seine Ausbildungsstätte ist.
Nicht überall Einblicke
Wenn man einen Pflegeschüler an seinem ersten Arbeitstag begleitet, ist es anders, als wenn man sich an die Fersen eines kaufmännischen Lehrlings heftet. Viel zu "privat" ist das, was eine Pflegekraft (nicht nur) zu Beginn der Frühschicht zu erledigen hat.
Es steht die morgendliche Grundpflege an - und dazu gehören nun mal Waschen und Windel-Wechsel, Toilettengänge und Anderes, bei dem Fremde nicht willkommen sind.
Der frischgebackene Altenpflege-Schüler marschiert mit so viel Schwung durch die Gänge, dass man kaum hinterherkommt. Der 1. des Monats ist Wiegetag. Markus fährt eine Bewohnerin im Rollstuhl zur Waage im Erdgeschoss und hilft ihr beim Aufstehen. Die Schmerzen in einem Bein sind aber doch so groß, dass sie sich wieder hinsetzen muss.
Die alte Dame und der junge Mann schauen sich bedauernd an und meistern die Situation mit einem Scherz. Später bei der Dokumentation wird das Gewicht des Rollstuhls von den ermittelten Gesamt-Kilos abgezogen.
"Alles klar Herr xy?" "Nein!" Ein Mann sitzt im Foyer auf einem der Stühle, seinen "Rolli" vor sich. Er möchte eine Fußstütze festgemacht haben. Das ist schnell erledigt.
Nach dem Fertigmachen für den Tag Frühstück austeilen und - wo notwendig - beim Essen Hilfestellung leisten, zählt Markus das auf, was er am Morgen schon gemacht hat. Und immer wieder schriftlich dokumentieren, welche Pflegemaßnahmen bei welchem Bewohner durchgeführt wurden.
Erstmal für das FJS entschieden
Noch vor gut einem Jahr hätte er niemals gedacht, dass er den Beruf wählen würde, in dem er jetzt ausgebildet wird. Rettungssanitäter oder Berufsfeuerwehrmann - das wären die absoluten Favoriten gewesen. Und etwas greifbarer: IT-Systemkaufmann. "Hier hatte ich schon Praktika absolviert, allerdings keinen Ausbildungsplatz gefunden.
In den meisten Betrieben werden Leute mit Abitur gesucht". Markus Ziegmann entschied sich nach "Quali" und Mittlerer Reife im M-Zug der Mittelschule Baunach für ein Freiwilliges Soziales Jahr. "Meine ältere Schwester, die Pflegefachkraft bei Seniotel ist, hat den Vorschlag gemacht, mal zu schauen, ob die Altenpflege was für mich wäre. Ich kannte Einiges aus ihrem Arbeitsalltag, aber ich muss ehrlich sagen, ich hatte fast sowas wie Angst davor, mit Menschen umzugehen, die mit vielen Einschränkungen zurecht kommen müssen", bekennt er freimütig. "Und dann die ganzen Gerüche..."
Begeistert seit dem ersten Tag
Dennoch hat er es probiert und am 1. September 2015 als Jahrespraktikant in Lichteneiche angefangen. Mit einem Spätdienst, an dessen Ende er sich über sich selbst wundern musste. "Es hat mir vom ersten Tag an gefallen.
Und zwar richtig gut! Im Oktober/November war's, als ich anfing zu überlegen, was wäre denn, wenn du das jetzt als Beruf wählst?".Das Vorhaben, nur die einjährige Ausbildung zum Pflegehelfer zu machen, wurde schnell wieder verworfen. "Wenn, dann richtig. Pflege-Fachkräfte, das sind Leute, die in Zukunft immer und überall gesucht sein werden."
Der vor kurzem 18 Jahre alt gewordene Ebinger weiß, dass es eine anspruchsvolle Tätigkeit ist, die ihn auch seelisch fordert. Das hat er im vergangenen Jahr auch als Praktikant schon erfahren. "Meine erste Tote habe ich ziemlich bald gefunden", sagt er. Leid und Traurigkeit versucht er, nicht so nah an sich rankommen zu lassen, dass es ihn mitnimmt. "Mich tröstet dann der Gedanke, dass die Leute sehr alt sind. Die haben alle ihr Leben gelebt, das schöne Momente hatte. Sie waren mal fit und bestimmt auch glücklich. Jetzt sind sie hier. Auch das ist eine Phase des Lebens."
Stress, vor allem an Wochenenden, kennt er. Notfälle ebenfalls. "Das ist ähnlich wie bei der Feuerwehr. Wenn der Alarm geht, kommt der Adrenalinschub. So schnell renne ich sonst nie. Wenn jemand kollabiert oder gestürzt ist, rufe ich sofort die Fachkraft."
Gspannt auf den Unterricht
Gespannt ist Markus Ziegmann, der in Ebing bei der Feuerwehr und Tenorhornist in der Blaskapelle ist, auf die Bamberger Akademie für Gesundheitsberufe der Sozialstiftung Bamberg. "Ich arbeite jetzt erstmal 14 Tage und dann geht es für sechs Wochen in den Unterricht." Im Rahmen der drei Jahre dauernden Ausbildung warten auf ihn auch Pflichteinsätze in der ambulanten Pflege und im Krankenhaus.Je weiter der Vormittag voranschreitet, desto "normaler" wird Markus' Lauftempo. "Man merkt am Ende der Schicht schon, was man getan hat". Seine jugendliche Fröhlichkeit und seine Aufmerksamkeit dagegen lassen nicht nach.
"Jeder Bewohner hat seine Persönlichkeit und seine Eigenheiten. Man muss sich immer neu drauf einstellen. In ein Zimmer brauche ich zum Beispiel überhaupt nicht hineinzugehen. Die Bewohnerin lehnt es strikt ab, von einer männlichen Pflegekraft versorgt zu werden. Da kümmert sich dann eine Kollegin. Auf dem Bau erkennt man, was man am Tag geschafft hat. Hier ist es anders. Wenn ich sehe, dass die Leute zufrieden sind und auch mal lachen, dann weiß ich, dass ich es gut gemacht habe."